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Ottendorfer Zeitung. Vie „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich < Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi- vormittag z» Uhr. Inserate werden mit zo Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 106. Freitag; den 4. September 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Bkrilla, z. September 1903. —r Der Turnverein „Eiche" zu Groß-Okrilla rüstet sich zur Feier seines ersten Stiftungs festes, das im engsten Rohmen abgehalten werden soll. Die letzte Versammlung des Vereins, der zur Zeit aus 62 Mitgliedern und 19 Zöglingen besteht, zeigte wieder einmal recht deutlich die echt turnerische Eintracht zwischen Turnrat und Mitgliedern einerseits und auch zwischen den Turnern untereinander. Daß dem Vereine auch das Vorwärtsstreben nicht fehlt, konnte man vor einigen Wochen sehen, als Mitglieder und Zöglinge in friedlichem Wettkampfe um den einfachen Eichenkranz ihre Kräfte maßen. Von gewisser Seite scheint aber dem Verein zu wenig Selbständigkeit zu getraut zu werden, sodaß ihm Vorschläge für sein Verhalten bei Festlichkeiten anderer Vereine gemacht worden sind. Dem möchte cntgegen- gchalten werden, daß das Verhalten des Vereins stets ein wohlüberlegtes ist. — JnPilzsammlerkreisen ist die Mein ung weitverbreitet, daß das Herausreißen der Pilze die Pilzarmut der Wälder verursache. Dem ist aber durchaus nicht so, wie in dem bekannten Michaelschen „Führer für Pilzfreunde" dargetan wird. Herr Oberlehrer Michael schreibt in dem genannten Buche über dieses Thema; Viele Pilze wird man nie abschneiden, wie z. B. die Gelbschwämmchen, die Kraterellen- arten, Täublinge usw., denn diese sitzen so lose am Pilzlager, daß sie sofort abgehen; andere hingegen, die fester mit der Unterlage verwachsen sind, dreht man einfach ab. Schneidet man die Pilze nicht tief genug ab, so bildet der überkleibende Stielstumpf einen Fäulnisherd, der oft verderblicher wirkt, als die Schädigung des Pilz'agers durch das Herausdrehen der Pilze. In Ländern, wo die Pilze vielmehr ge sucht und genossen werden als bei uns, wie z. B. in Böhmen, Ungarn, Italien, schneidet niemand die Pilze ab. Trotzdem bemerkt man keine Abnahme weil eben der vorhandene Wildreichtum genügend für Nährstoffe sorgt. Wer Pilze in Menge im Walde hervorzaubern will, braucht nichts anderes zu tun, als ten Waldboden zu jauchen und zu düngen, besonders mit tierischen Abfällen; er wird über den großen Reichtum an Pilzen seine Freude haben können. — Der im November d. I. zur Ausgabe kommende Staatshaushalts-Etat für das Königreich Sachsen auf die Jahre 1904/05 wird für die sächsischen Staatsbeamten insofern von besonderem Interesse sein, als darin die Wohnungsgeldzuschüsse erstmalig mit aufgeführt sind. Der Etat kann in Einzelabschnitten durch die König!. Hofbuchdruckerei von C. C, Mein hold L Söhne in Dresden bezogen werden, welche auf Wunsch Auskunft über die Preise der einzelnen Hefte erteilt. Dresden. An der Dienstag nachmittag 6 Uhr bei Sr. Maj. dem Könige im Residenz- schlosie abgehaltenen königlichen Tafel nahmen Se. Maj. der Kaiser, König Georg, der Groß herzog und die Großherzogin von Sachsen, Prinz Albrecht von Preußen, der deutsche Kron prinz, Prinz Eitel-Friedrich, der Kronprinz von Sachsen, Prinz und Prinzessin Johann Georg, Prinz Rupprecht von Bayern, Prinz Ernst von Sachsen-Altenburg teil. Ferner waren mit Ein ladungen beehrt die fremden hier anwesenden Militärs, sämtliche Generale und Stabsoffiziere des 12. Armeekorps, der preußische Gesandte Graf Dönhoff, die Hofwürdenträger und andere. Während der Tafel konzertierte die Kapelle des Schützen-Regiments. Nachdem die Tafe aufgehoben war, wurde im sogenannten Porzellan zimmer Cercle abgehallcn. Nach der Tafel wohnten die Monarchen, sowie die übrigen Fürstlichkeiten mit den Umgebungen und den Würdenträgern der Galaoper bei. Die Ab fahrt zur Parade nach Zeithain erfolgte am Mittwoch früh »^9 Uhr vom Neustädter Bahn hofe aus. Nach der Rückkehr vom Parade platze fand nachmittags 7 Uhr in den Parade alen der zweiten Etage des Residenzschlosses )as Paradediner für die Generale und Stabs offiziere des 12. (1. K. S-) Armeekorps statt. An dem Mahle nahmen Se. Majestät der Kaiser und die übrigen hier anwesenden fürst- ichen Herrschaften mit Gefolge und Ehren diensten, sowie die weiteren militärischen Gäste Sr. Maj. des Königs teil. — Der Reichskanzler teilte dem Rate mit, daß die ersten Bürgermeister von Brüssel und Antwerpen demnächst zum Besuche der Deutschen Städteausstellung eintreffen werden. Dresden. Dienstag nacht ist auf der Strecke zwischen Potschappel und der Militär mühle ein junger Mann von dem Reichenbacher Personenzuge überfahren und sofort getötet worden. — Um ein Pferd nach der Hechtstraße zu transportieren, setzte sich am Sonntag ein Ar beiter darauf und ritt es die Lößnitzstraße ent lang. Hier scheute das Tier plötzlich und warf einen Reiter so unglücklich ab, daß er einen Schädelbruch erlitt. — Durch Erhängen entleibten sich Dienstag abend in der Wilsdruffer Vorstadt ein Hand werker, in der Nacht zum Mittwoch in der Vorstadt Plauen ein Unterbeamter und in der- elben Zeit in der Pirnaischen Vorstadt ein Arbeiter. — Der Konsumverein „Vorwärts", der wittgrößte in Deutschland, beginnt nunmehr die Eigenproduktion. Eine große Bäckerei auf der Rosenstraße ist in Betrieb genommen worden. Das große Lagerhaus hat 6 Etagen, ist 70 Meter lang und 15 Meter tief. Sieben Dampf-Doppel-Backöfen sind im Bäckereigebäude eingebaut. 15 Pferde stehen im Stallgebäude. Das ganze Grundstück ist 10000 Ouadratmeter groß. Die Kosten der ganzen Anlage betrugen 1600000 Mark. Der Umsatz des Vereins im letzten Jahre belief sich auf 5»/t Millionen Mark. Er beschäftigt 5 Vorstandsmitglieder, 2 Lageristen, 10 Buchhalter, 30 Verkäufer, 18 Lagerarbeiter, 175 Verkäuferinnen, 20 Ar beiterinnen, 2 Maschinisten, 1 Backmeister, 30 Bäcker, 1 Müller, also 294 Personen. Loschwitz. In der Nacht zum Mittwoch brach hier im Rißweg in dem ehemaligen Fellerschen Hause (jetzt dem Maler Brodaus gehörig) Feuer aus, das in kurzer Zeit Haus und Schuppen vollständig verzehrte. Die darin wohnenden Personen (eine Familie mit sechs Kindern), konnten nur mit Not und Mühe das nackte Leben retten. Die erschienenen Feuer wehren von hier, Weißer Hirsch und Blasewitz griffen tatkräftig ein, konnten aber den Brand nur lokalisieren. Das Feuer soll im Schuppen herausgekommen sein. Löbtau. Am Montag vormittag war das etwa vierjährige Söhnchen des Kohlenhändlers P. in der Wohnstube damit beschäftigt, sich mittels eines spitzen Messers einen Apfel zu schälen. Plötzlich stürzte das Kind vornüber. Die Spitze des Messers drang dem Knaben tief ins Auge, das sofort auslief. Arnsdorf. Das seltene Vorkommen eines Kugelblitzes wurde jüngst hier beobachtet. Bei dem letzten heftigen Gewitter fiel, als ein Blitz strahl den westlichen Giebel des Schneiderschen Wohnhauses traf, in den anstoßenden Garten eine feurige Kugel, welche einen wunderbaren Glanz ausströmte und unter heftigem Aufleuchten strahlenförmig zersprang. Radeburg. Eine vaterländische Gedenk feier zum Sedantag fand am Mittwoch früh nach einer kurzen Wanderung, die 7 Uhr am Schulhause begann, im Walde statt. Die Fest rede hielt Herr Esche. — Mittwoch den 9. dieses Monats wird hier Noß- und Viehmarkt und am darauffolgen den Donnerstag Krammarkt abgehalten. Meißen. Ein schweres Unglück ereignete sich am Montag früh in der Nähe von Naun dorf bei Zehren. Dort war das Geschirr des Gutsbesitzers O. Buhlig durch anreitende Ka ¬ vallerie scheu geworden sei. Die vier futter- jolenden Bediensteten des Besitzers, unter denen sch auch der jüngere Bruder des Verunglückten >efand, waren bemüht, die unruhig gewordenen Iferde auszuspannen. Der 17 jährige Pferde- unge Oswin Krille aus Seußlitz war gerade >amit beschäftigt, die Widerhalten an der Deichsel zu entfernen. Ehe ihm dies aber ge lang, setzten die Pferde von neuem an und warfen den jungen Mann zu Boden. Die über sein Genick gehenden Räder verursachten ofort den Tod. Bemerkenswert ist es, daß der Verunglückte schon im vergangenen Jahre ;ei demselben Dienstherrn schwer verletzt wurde. Außer dem Verstorbenen, der vergangenen Sonntag, am Vorabend seines Todes, noch seine Eltern besucht hatte, ist noch ein Knecht schwer verletzt; die beiden anderen, darunter der Bruder des Getöteten, sind leicht verletzt. Meißen. Als am Donnerstag ein mit zwei Offizieren besetztes Automobil auf der Fahrt von Naundörfel nach hier begriffen war, cheuten am Proschwitzer Fußwege die Pferde les Gutsbesitzers Emil Münch aus Naundörfel. Münch stürzte vom Wagen und wurde eine Strecke geschleift, wobei ihm ein Bein zweimal gebrochen wurde; außerdem mußte die Kopf- zaut genäht werden, auch wurden ihm sämt liche Kleider vom Leibe gerissen. Das Auto mobil soll langsam gefahren sein. Meißen. Den Tod durch Verbrühen im Waschkessel erlitt der siebenjährige Sohn eines hiesigen Okarinafabrikanten. Der Knabe war am Sonnabend abend nach dem Baden während der kurzen Abwesenheit der Mutter im Wasch hause auf den Kesselrand geklettert und in das kochende Wasser gefallen. Rochwitz. Jedenfalls durch Unvorsichtigkeit geriet am Montag mittag in der Wohnung des Steinmetzgehilfen Wolf beim Erwärmen von Milch auf einem Spirituskocher der Inhalt der in der Nähe stehenden Spiritusflasche in Brand, sodaß sie explodierte. Leider wurden dabei zwei nahestehende Kinder besonders im Gesicht so stark verbrannt, daß sich deren Über führung nach dem Dresdner Carolahause not wendig machte. Der Vorfall ist um so be dauerlicher, als der Vater der zahlreichen Fa milie schon lange krank darniederliegt. Die ganze Familie wird durch den geringen Ver dienst der Mutter unterhalten, die Wäscherin ist und an dem Unglückstage mit Wäsche nach der Stadt gefahren war. Großenhain. Montag mittag brannte die Scheune des Gutsbesitzers Reinicke in Mehl theuer mit allen Erntevorräten nieder. Riesa. Die auch von uns gebrachte Meld ung, daß am Freitag beim Glaubitzer Stein bruche eine Anzahl Reiter gestürzt seien, wobei vier Reiter und mehrere Pferde getötet worden seien, beruht auf Unwahrheit bez. Übertreibung. Glaubhafte Nachrichten besagen, daß allerdings mehrere Pferde gestürzt sind, daß jedoch nur ein Reiter Verletzungen davongetragen hat. Wurzen. Der Streik der Teppichfabrik arbeiterinnen ist beendet und von ihnen ver loren worden. Im Laufe dieser Woche werden von den Streikenden 40 Arbeiterinnen zu den von der Direktion gestellten Bedingungen wieder die Arbeit aufnehmen. — Der Streik in der Möbelfabrik von Hermann Streil dauert noch fort. Eine Einigung ist leider hier nicht zu erzielen gewesen. Zittau. Wegen Betruges wurden der Kaffeeschankinhaber Haberecht und wegen Bei hilfe dessen Frau und deren Schwester ver haftet. Haberecht hatte seinen Hauswirt und seine Lieferanten unter betrügerischen Angaben zur Gewährung von Kredit veranlaßt und das Lokal am M.mtag ausgeräumt, ohne zu be zahlen, um nach Österreich durchzubrennen, wohin er zuständig ist. Niederneukirch. Infolge falscher Weichen stellung sind gestern auf hiesigem Bahnhofe zwei leere Personenwagen auf den vormittags 8 Uhr 58 Minuten von hier nach Neustadt- Schandau abfahrenden Personenzug aufgefahren. Hierbei erlitten bedauerlicherweise zwei Personen eichte Verletzungen; sie konnten aber die Reise ortsetzen. Materialschaden ist durch den Un- all nicht entstanden, auch erlitt der Betrieb eine nennenswerten Störungen. Leipzig. Arge Schwindeleien hat ein Schlossergeselle Siegel verübt. Derselbe stand m dem Maschinenfabrikanten Arnold in Creuma in Arbeit. Dort entlassen, gelang es ihm auf Grund eines von ihm gefälschten Briefes, von einem Landwirt in Delitzsch auf Rechnung eines früheren Arbeitgebers eine größere Geld umme zu erheben. Jetzt hat er sich an eine jiesige Engrosfirma der Metallbranche gewandt und dort auf Rechnung seines früheren Arbeit gebers eine große Kupferplatte bestellt, die er nach Delitzsch senden ließ. Hier nahm Siegel die über einen Zentner schwere Platte, die einen Wert von zirka 85 Mark hatte, in Empfang. Er fuhr sie dann auf einem geliehenen Wagen m die Werkstatt des Schlossermeisters Mietzsch m Delitzsch, um sie hier — angeblich im Auf trage seines Arbeitgebers — zu zerkleinern. Nach stundenlanger Arbeit war dies vollbracht. Siegel machte nun noch auf Rechnung seines früheren Brotherrn in einem Restaurant eine tüchtige Zeche, ließ dann das Kupfer durch den Leipziger Botenfuhrmann wieder nach hier schaffen, entlieh von dem Schlossermeister, in dessen Werkstatt er gearbeit, ein Rad, und seit der Zeit ist er spurlos verschwunden. Leipzig. Der Oberpostsekretär N. Wagner aus Hanau, gegen den bekanntlich wegen Be tätigung sozialdemokratischer Gesinnung vor einiger Zeit das Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, ist laut „Hann. Ztg." vor kurzem in die Redaktion der sozialdemokratischen „Leipziger Volkszeitung" eingetreten. Lauter. Kurz nach 10Uhr früh brach am Sonntag in der Brennerei des EmaillierwsrkeS, Aktiengesellschaft zu Lauter, vormals Gnüchtel, Feuer aus, wodurch das massige Hauptgebäude nebst den im vorigen Jahre und vor zwei Jahren neuerbauten Häusern bis auf die Grund mauern ausbrannte. Das Werk beschäftigt zur Zeit gegen 500 Arbeiter, von denen jetzt zirka 300 brotlos werden. Als Entstehungsursache wird Selbstentzündung angesehen. Der Schaden, durch Versicherung gedeckt, wird auf eine viertel Million Mark geschätzt. Oberstützengrün bei Schönheide. Der be kannte Pächter des Kuhbergrestaurants, Herr Leander Brückner, Restaurateur und Fleischer meister hier, hat sich am Sonnabend abend in seinem Stalle erhängt. Was den Mann, der 55 Jahre alt ist und eine Witwe mit 9 Kindern hinterläßt, in den Tod getrieben hat, ist noch nicht aufgeklärt. Dittersdorf i. E. Montagabend zwischen 6 und 7 Uhr stürzte auf der Dampfziegelei des Baumeisters Hertel hier, — an der Weiß becher Straße gelegen — eine hohe Lehmwand ein und begrub 4 dort beschäftigte Personen unter der Masse. Ein junger, unverheirateter Mann wurde nach vieler Mühe völlig zermalmt und tot hervorgezogen, dem Ziegelmeister wurde die linke Brust zerdrückt und zwei anderen Fleisch von den Beinen und Armen abge schlagen. Nur mit Mühe konnten sich weitere 3 Mann retten. Die eingestürzte Masse Lehm sollte zur Fabrikation auf 2—3 Wochen reichen. Eger. Spitzbuben drangen in die Stern warte ein, schraubten aus fünf Sternsehappa raten etwa fünfzehn Linsen heraus und machten sich mit der Beute davon. Der Sachwert der Linsen beträgt etwa 3000 Kronen, der Verlust ist aber insofern weit größer, als die Linsen aus dem 18. Jahrhundert stammen und uner setzlich sind. Der Diebstahl kann nur von einem Fachmann ausgeführt worden sein. Da die Linsen nur in Städten mit großen optischen Anstalten verwertet werden können, so sind die Behörden aller Großstädte benachrichtigt worden.