Volltext Seite (XML)
WmM für Mckuff TharM Achen, Menlchn »nd die Umgegendtn. ! Imlsölull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Arntsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. ^orstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und Mar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 M. 30 Pf., durch die Post bezogen t Mk. 55 Pfg. — Einzelne Nummern 10 Pfg. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittag 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Torpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 89. Donnerstag, de« 2S. Oktober 18S4. Tagesgefchichte. Die Kaiserin Friedrich hat an die Zarin ein langes Schreiben gerichtet, worin sie ihrer tiefen Trauer über das große Unglück, das ihr Haus betroffen hat, in bewegten Worten Aus- druck giebt. Ferner wird versichert, daß der Kaiser, als er kürzlich in Darmstadt weilte, wiederholt bei der Tafel dem Groß herzog sagte: „Mas lch aus Livadia gehört habe, raubt mir jeden Appetit." Es fiel auf, daß der Kaiser den verschiedenen Feierlichkeiten in Darmstadt und Wiesbaden in überaus ernster Stimmung beiwohnte. In vier Wochen soll nun die Eröffnung des Reichs tages stattfinden. Es wird allgemein als eine Wohlthat em pfunden werden, wenn die politische Welt wieder vor greifbare Aufgaben und positiven Arbeitsstoff gestellt wird. Die letzten Monate haben so viel öde und unfruchtbare Parteiauseinander setzungen und Preßzänkereien hervorgebracht, die politische Er örterung nahm bei dem Mangel konkreter und bestimmter Fragen eine solche Zerfahrenheit an, daß man sich ordenllich sehnt, endlich wieder auf festeren, positiveren Boden zu gelangen, wie er durch die Entscheidung über bestimmte gesetzgeberische Vorschläge dargeboten wird. Ob der Reichstag sich feiner Auf gabe gewachsen zeigen wird, ist bei der Unberechenbarkeit man cher seiner Bestandtheile und bei der Abhängigkeit seiner Ent scheidungen oft von kleinsten Gruppen nicht zum voraus zu be- urtheilen. Jedenfalls wird die gesammte parlamentarische Si tuation und die Stellung des Reichstages zur Regierung gegen die verflossene Session eine wesentliche Verschiebung erfahren. Mit der Mehrheit der Handelsverträge kann die Reichs regierung keine der positiven Aufgaben, die sie im Auge hat, lösen. Weder die Bekämpfung des Umsturzes, noch für die Steuerreform, noch für andere positiven Aufgaben sind Sozialdemokraten und Freisinnige zu haben. Woher aber an dere Mehrheiten nehmen? Nach der Erfurter Rede des Herrn Freiherrn v. Manteuffel zu schließen, werden die Konservativen trotz des bekannten Tivolibeschlusses betreffs der Anwendung staatlicher Machtmittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie in beiden Fragen die Regierung unterstützen, auch auf die Zu stimmung des grötzten Theiles der Nationalliberalen ist mit ziemlicher Sicherheit zu rechnen. Das reicht aber bei weitem nicht aus. Es wird sich dann eben fragen, ob man für die Mitwirkung bei der Lösung der großen obliegenden Aufgaben noch aus dem Centrum genügende Unterstützung findet. Es fehlt nicht an solchen Ansätzen im Centrum, aber ob sie sich zu fruchtbarer Wirksamkeit entwickeln werden, läßt sich doch nicht zum voraus sagen. Die „Kreuzztg." kündigt an, daß der bekannte Antrag Graf Kanitz, wonach der Einkauf und Verkauf des zum Ver brauch im Zollgebiet bestimmten ausländischen Getreides aus- scbließlich sür Rechnung des Reiches erfolgt und Mmdestoer- kaufspreise festgesetzt werden, in der nächsten Reichstagssession aufs neue eingebracht werden wird. Die „Nat.-lib. Korr." be merkt hinzu: „Es soll damit natürlich ein Haken geschaffen werden, an den man eine Auffrischung der agrarischen Agitation anknüpfen kann. Während für ernste und durchführbare Vor schläge zur Förderung der landwirthschaftlichen Interessen im Reichstage, wie sich bei den Handelsverträgen ergab, wenigstens eine sehr starke Minderheit vorhanden ist, war dieser Antrag nur von einem Theile der Konservativen und etlichen Antise miten unterzeichnet; abgelehnt wurde er mit 159 gegen 46 Stimmen; von den Konservativen fehlten, offenbar größten- theils absichtlich, 30 Mitglieder und zwei stimmten dagegen. Von den Nationalliberalen hat niemand für den Antrag ge stimmt. In den Blättern werden widerfprechmde Nachrichten ver breitet, in denen Erörterung findet, ob die vorgesetzte Behörde in der Disziplinarstrafe gegen den bisherigen Kanzler bei der Verwaltung des Kamerungebietes, Leist, gegen das Erkennt- niß der Potsdamer DiSzPIinar-Kammer Beruf an den Diszi- plinarbof eingelegt habe oder nicht. Die „Norddeutsche Ztg." bemerkt dem gegenüber, daß die Entscheidung erst dann getroffen werden kann, wenn das Erkenntniß der Disziplinarkammer im Wortlaute vorliege. Im Uebrigen verlautet aber als bestimmt, daß beni Kanzler Leist von zuständiger Seite nahegelegt worden sei, ungesäumt sein Abschiedsgesuch einzureicken, da die weitere Verwendung im Reichsdienst ausgeschlossen wäre. Unter den auswärtigen Stimmen äußern sich namentlich die italienischen Blätter in sehr lebhafter Weise. Das gefällte Urtheil verblüffe umsomehr, als bisher Deutschland doch stets als die Heimath strenger Beamtenmoral gegolten habe. D'e neueren Nachrichten über das Befinden des Zaren lauten günstiger als an den letzten Tagen. Der am Sonntag Abend 8 Uhr 50 Minuten ausgegebene Krankenbericht lautet: In den letzten 24 Stunden schlief der Kaiser etwas mehr und stand wie gewöhnlich auf. Der Appetit und das Selbstgefühl sind etwas besser geworden; im übrigen ohne Veränderung. Leyden. Sacharjin. Popoff. Weljaminoff. — Ferner erhielt der russische Botschafter Staal in London eine Depesche aus Livadia, welche besagt, daß der Kaiser von Rußland sich viel besser befinde. Weniger günstig lauten die verschiedenen Blättern zugegangenen Telegramme. So wird der „Magdeb. Ztg." be richtet, daß in Berlin eingetroffene Prioatnachrichten den Zu stand des Zaren unverändert erscheinen lassen. In den letzten Tagen traten wiederholt konvulsivische Anfälle, von zeitweiser Bewußtlosigkeit begleitet, zum Vorschein. Auch über das Be finden der Zarin lauten die Nachrichten ungünstig. — Eine in Livadia nachmittags aufgegebene Prwatdepesche lautet: Das Anschwellen der Füße hat stark zugenommen. Der Zar ist bei klarem Bewußtsein. Die Mitglieder der Familie treten, um dessen Beängstigungen zu vermeiden, stets nur einzeln an sein Krankenlager. — Die Prinzessin Dolgorucki in Biarritz erhielt Freitag noch eine Depesche des Zaren folgenden Wort lauts: „Ich fühle mich sehr schwach, hoffe aber noch zu ge nesen. Alexander." Petersburg, 23. Oktober, vormittags 10 Uhr. Der Zar schlief besser. Das Appetit ist schwach. Die Kräfte und die Herzthätigkeit sind nicht besser. Dos Oedem hat zugenommen. Petersburg, 23. Oktober. Dem Vernehmen nach ist die Vermählung der Prinzessin Alix von Hessen mit dem Großfürst-Thronfolger auf morgen festgesetzt. Je doch sind anderweitige Anordnungen in letzter Stunde nicht ausgeschlossen. — Der „Rcgierungsbote" meldet: GesternAbend Uhr trafen in Livadia die Großfürstin Jelissaweta Feodo- rowna und Prinzessin Alix von Hessen ein. Der Thron folger empfing die hohe Braut in Alushta. Nach der Ankunft in Livadia begab sich Prinzeß Alix direkt zum Kaiser und der Kaiserin, sodann mit Ihrer Majestät und den anderen Mit gliedern der kaiserlichen Familie in die Palais-Kirche, wo ein Gottesdienst abgehalten wurde. Die Personen des Gefolges empfingen die Prinzessin beim Eingang der Kirche. Das Wiener „Fremdenblatt" bespricht die Erkrankung des Kaisers von Rußland mit Worten des innigsten Be dauerns, hebt die Charaktereigenschaften des Kaisers, namentlich dessen strenge Pflichttreue, Geradheit und Loyalität hervor, er wähnt die lebhaften Sympathien, die sich in Wien für den Kaiser Alerander kundgeben und fährt fort: „Vonjeher verbündenden Zaren innige Beziehungen mit unserem Kaiser, Beziehungen, die niemals getrübt wurden, auch nicht in jenen durch den Gang der politischen Ereignisse herbeigeführten ernsten Momenten, über die glücklich hinwegzukommen, den Bemühungen beider Regier ungen schließlich gelungen ist. Zu diesem Erfolge hat das Ge fühl der Freundschaft und persönlichen Hochachtung, dos beide Monarchen einander widmen, nicht wenig beigetragen. Kaiser Alexander hat durch seine unerschütterliche Friedensliebe sich ein großes unvergängliches Verdienst um ganz Europa erworben." Die Anarchisten in Frankreich scheinen sich jetzt längere Ruhe gönnen zu wollen. Die Polizei verliert sie deshalb nicht aus den Augen. Abgesehen davon, daß sämmtlicke Polizei kommissare und die Vorstände der Zollbehörden an den Grenzen ein Exemplar des sogenannten Anarchisten-Albums erhalten haben, worin die Genoffen in Wort und Bild, an der Hand der Anthrometrie bis ins kleinste Detail verzeichnet sind, werden sie auch sonst einer ihnen höchst unbequemen Kontrole unter worfen. In Paris und im Weichbilde der Stadt erhält jeder als Anarchist bekannte Arbeiter täglich theils in seiner Wohnung, theils dort, wo er arbeitet, den Besuch eines Schutzmannes, der sich im Laufe des Tages noch öfter wiederholt. Ist der Anarchist anwesend, so geht der Hüter befriedigt seiner Wege. Andernfalls wird er sofort gesucht und sein Verschwinden an alle Polize'staticnen der Landesgrenze telegraphirt. Diese pein liche Ueberwacbung soll zwar schon manchen Anhänger der Anarchie bckchrl haben; ob sie jedoch Attentate verhindert, ist doch fraglich. Der japanisch-chinesische Krieg hat viele an 1870 erinnernde Züge. Die Japaner fechten nach deutschem Muster, und die Chinesen prahlen nach französischem Vorbilde. Die chinesische Zeitung „Shen Pao" schreibt in ihrer Nummer vom 1. Sepiember: „Nach einem Londoner Telegramme sollen die Japaner erklärt haben, unter allen Umständen in Peking einziehen zu wollen. Angesichts der vielen Verluste, welche die japanischen Heere in Kvreg erlitten haben, können diese hoch trabenden Redensarten nur erheiternd wirken. Die Japaner erscheinen wie unartige Kinder, wenn sic von einem Erwachsenen geschlagen werden, da sie keinen Widerstand leisten können, ihrer ohnmächtigen Wuth durch Schimpfen Luft machen. Da die Japaner im Kriegswesen die Deutschen nachgeahmt haben und ganz dieselben Mützen, Stiefel und Hosen tragen, so glauben sie auch ebenso gute Soldaten zu sein und auf die ganze Welt mit Verachtung hcrabblicken zu können, obgleich sie von dem, was ihnen gelehrt, kaum die Hälfte ordentlich verstanden haben. Wenn sie absolut Peking sehen wollen und sich damit begnügen können, daß ihre abgeschlagenen Köpfe nach Peking gesandt werden, wie der ihres getödteten Generals Oshima, so mögen sie sich gedulden, bis Korea von den chinesischen Truppen wieder erobert ist und Tokio von idnen zerstört wird. Dann können Diejenigen, welche es so sehr nach Peking gelüstet, in Ketten dorthin geschleppt und zu ihrem Vergnügen auf den Straßen Pekings umher geführt werden." Vaterländisches. Wilsdruff, 24. Oktober. Gestern Abend feierte unsere „Freiwillige Feuerwehr" in denRäumen des Schützenhauses ihr 30 jähriges Stiftungsfest durch Festtafel und Ball, wozu sie mehrfache Einladung hatte ergehen lassen. Erschienen waren denn auch mehrere Stadtgemeinderathsmirglieder sowie der Di rektor und einige Ausschußmitglieder von der städtischen Pflicht feuerwehr; der Herr Bürgermeister Ficker entschuldigte sein Fernbleiben durch Unwohlsein und brachte seine Glückwünsche zum 30jährigen Stiftungsfeste schriftlich dar. Kurz nach Be ginn der Tafel brachte der Kommandant der freiw. Feuerwehr, Herr Schlossermstr. Geißler, den Trinkspruch auf Se. Majestät König Albert dem hohen Protektor der freiwilligen Feuerwehren in Sachsen aus, in welchen alle Anwesenden begeistert ein stimmten und stehend die Sachsenhymne sangen; im weiteren Verlaufe der Tafel wurde noch getoastet auf die Behörden und Gäste; seitens zweier Stadtgemeinderathsmitglieder wurden der freiw. Feuerwehr herzliche Dankesworte für ihr uneigennütziges und segensreiches Wirken während der verflossenen 30 Jahre ihres Bestehens zugerufen und gleich herzliche Wünsche für ihr ferneres Blühen und Gedeihen dargebracht. Zwei launige Tafel lieder und die gut ausgeführte Tafelmusik unserer Stadtkapelle trugen auch wesentlich zur Würze der Tafel bei. An die Tafel schloß sich ein munterer Ballan, dem dismeisten Festtheilnehmer bis in die späteren Nachtstunden huldigten. Wir schließen diesen kurzen Bericht mit dem Wunsche, daß es unserer freiwilligen Feuerwehr vergönnt sein möge, in 20 Jahren ei« recht fröhliches 50jähriges Jubelfest begehen zu können. — Zur Vertilgung des Frostspanmers. Bekanntlich werden bereits seit mehreren Jahren sowohl Blätter als auch junge Früchte unserer Kirschenbäume im April und Mai von einem hell- oder graugrünen Räupchen auf das Schlimmste angegriffen, sodaß die Bäume vielfach einen geringen oder gar keinen Ertrag geben und in ihrem Wachsthume empfindlich geschädigt werden. Wie mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte, gehört das Räupchen dem Frostnachtschmetterlinge, Cso- mstra brumata, der als blaßbraungelbe Motte mit den ersten Herbstfrösten erscheint und des Abends fliegt und schon längst als gefährlicher Feind der Apfelbäume bekannt und gefürchtet ist. (Auch auf Aprikosen-, Zwetschen- und Pflaumenbäumen findet sich der Frostnachtschmetterling.) Um unsere Kirschbäume von der Plage zu befreien, müssen wir bei ihnen dasselbe Mittel anwenden, mit dem bereits bei Apfelbäumen die günstigsten Erfolge erzielt wurden. Wie die Erfahrung lehrt, kann das spinnenähnliche Weibchen nicht fliegen; es ist vielmehr gezwungen, am Stamme empor zu kriechen, um seine zahlreichen Eier dicht an die Knospen legen zu können. Man bestreiche deshalb die Stämme in der Höhe von ca. 1 m über dem Boden 5 cm breit und V2 cm dick an einer geglätteten Stelle mit einem Klebmittel, dessen Klebrigkeit während der Flugzeit des Schmetter lings (also ungefähr 3—4 Wochen) andauert, so daß die empor- kriechenLen Weibchen kleben bleiben und so vor der Eierablagc zu Grunde gehen. Im Verfolg der Versuche empfiehlt sich der Raupenleim von Ludwig Polborn. Ein besonderer Papierstreifen, auf welchem der Leim aufzutragen wäre, ist bei dem Polborn'schen Mittel nicht erforderlich, da er die Rinde nicht angreift; auch genügt bei der lange andauerndv Klebrig keit des Stoffes ein einmaliges Aufstreichen. Da der Frost- Nachtschmetterling demnächst zu fliegen anfängt, ist die sofortige Anlegung der Kleberinge dringend geboten; die Mühe ist gering !und die Ausgabe bezahlt sich schon im nächste« Jahre. Die i Wirkung der Klebgürtel tritt schon nach den ersten Frostnächten