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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 04.09.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189409040
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18940904
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18940904
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1894
-
Monat
1894-09
- Tag 1894-09-04
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Monat
1894-09
-
Jahr
1894
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sätze wenigstens zwischen einem Theile der bürgerlichen Parteien noch immer jo überwiegend, daß ein Zusammenfassen aller dieser widerstrebenden Elemente gegenüber dem gemeinsamen Feinde sich meist als eine vergebliche Arbeit erweist. Ist es doch erst wieder bei den letzten Reichstagsersatzwahlen vorge kommen, daß nicht wenige Wähler aus den bürgerlichen Reihen bei der Stichwahl für den sozialdemokratischen Candidaten stimmten, weil er ihnen noch immer als das „kleinere Uebel" im Vergleich mit seinem Gegenkandidaten erschien, so lange aber solche politische Antipathien im Wahlkampfe ausschlag gebend sind, so lange kann auch von einem allgemeinen Zu sammengehen der bürgerlichen Parteien gegen die sozialdemo kratische Partei nicht die Rede sein. Jedenfalls läßt sich auf dem Wege bloßer Zeitungser örterungen ein solches Cartell mit antisozialistischer Spitze schwerlich schaffen, eS wird vielmehr immer aus den Reihen der Wähler schaft selbst heraus entstehen müssen. Wo nun den bürgerlichen Parteien daö Feuer sozusagen auf die Nägel brennt, wo es von vornherein klar ist, daß sie nur durch festes gemeinschaft liches Vorgehen und Handeln den Sieg über die Umsturzpartei davontragen können, da formt sich ein Wahlbündniß zwischen ihnen gewissermaßen wohl von selbst. Es giebt indessen auch nicht wenige Fälle, in denen ein Sieg oder aber eine Nieder lage der sozialdemokratischen Partei im Voraus nicht zu be rechnen ist. Dann ist es an den bürgerlichen Parteien, sich über ihr gegenseitiges Verhältniß zu verständigen, das Trennende zu vergessen, das Einigende zu betonen. Leider treten jedoch derartigen Bestrebungen die Zänkereien und Stänkereien zwischen den leitenden Blättern des Bürgerthums ost geradezu direkt entgegen und helfen so die alte Verstimmung und Verbitterung nur noch vermehren und verschärfen, anstatt sie abzuschwächen. Es muß daher als eine Hauptvoraussetzung für ein Zusam- mengehen der bürgerlichen Parteien gelten, daß sich die Wähler um die Parteipresse nicht weiter kümmern, sondern einander persönlich näher treten, durch persönlichen Gedankenaustausch die gegenseitige Annäherung und Verständigung suchen. Es hat dies wohl seine Schwierigkeiten, sie sind indessen keines wegs unüberwindlich, wenn sich nur die Wähler erst einmal daran gewöhnt haben werden, die fanatischen und einseitigen Preßpaukereien nicht weiter zu beachten, sondern über sie hinweg Verständigung und Fühlung mit einander gegenüber dem ge meinsamen Feinde zu suchen. Tagesgeschichte. Der Kais er wohnte am Sonnabend den Truppenübungen im Manövergelände des Gardecorps bei. Am Sonntag Vor mittag wohnte der Kaiser in Begleitung der Kaiserin, sowie der Prinzen und Prinzessinnen des Königshauses der Weihe der Sarkophage weiland Kaiser Wilhelms I. und der Kaiserin Au gusta im Mausoleum zu Charlottenburg bei. Die Frage der Nothwendigkeit neuer Steuern für das Reich ist in der Tagespresse unter Hinweis auf die jüngsten günstigen Abschlüsse über Zoll- und Verbrauchsabgaben vielfach verneint worden. Dieser Ansicht treten indessen die „Berl. Pol. Nachr." mit folgender anscheinend offiziösen Aus lastung entgegen: So freudig eine Steigerung der bisherigen Einnahmen des Reiches infolge der Belebung von Handel und Verkehr auch begrüßt werben muß, so ist doch nicht anzunehmen, daß die Entwickelung eine derartige sein wird, um die Er schließung neuer Einnahmequellen entbehren zu können, wenn auch nur daö Gleichgewicht zwischen Matrikularbeiträgen und Ueberweisungen erreicht werden soll. Die gegenwärtige Finanz lage erfordert gebieterisch, nicht unbedingt nothwendige Aus gaben bis auf Weiteres zurückzustellen; eine Finanzpolitik des absoluten Stillstandes ist aber mit der Entwickelung eines lebenskräftigen Staatswesens unvereinbar. — Trotzdem scheint man es aber mit der Erschließung neuer Einnahmequellen für das Reich in den leitenden Berliner Kreisen noch nicht so eilig zu haben, wenigstens, wenn es richtig ist, daß die verbündeten Re gierungen in der nächsten Reichstagsfession mit keinen neuen Steuervorlagen kommen, sondern nur mit der Tabaksteuer-Vor lage usw. wieder aufwarten wollen. Der Reichsinvalidenfonds ist in der letzten Zeit der Gegenstand mannigfacher Wünsche aus den Kreisen Derer ge wesen, welche an den letzten Feldzügen theilgenommen haben. So sympathisch wir den Bestrebungen gegenüberstehen, welche auf eine bessere Versorgung unserer Kriegsinvaliden, auf eine Ausgleichung der jetzt noch bestehenden Unterschiede in den Pen sionsbezügen, auf eine gerechtfertigte Ausdehnung des Kreises der Penstonsberechtigten und auf eine größere Fürsorge für die Hin terbliebenen der Invaliden abzielen, so möchten wir doch davor warnen, die Wünsche und Ansprüche ins Ungemessene auszu dehnen. Es gilt dies namentlich von der immer wieder auf tauchenden Jvee einer Veteranenpension, einer Art Ehrensold für Alle, welche einen Feldzug mitgemacht haben. Anlaß zu diesem Gedanken hat bekanntlich die Erinnerung an den Ehren sold gegeben, welcher den Veteranen aus den Kriegen von 1813 bis 1815 gewährt wurde. Unter Zugrundelegung der Höhe dieses Soldes mit 240 M. und unter der auf zuverlässige Be rechnungen gestützten Annahme, daß noch etwa eine halbe Mil lionen ehemaliger Soldaten leben, die an den letzten Feldzügen theilgenommen haben, würde die Ausführung des Gedankens eine jährliche Ausgabe von 120 Millionen M. erfordern. Zur Deckung dieser Ausgabe ließe sich der Jnvalidenfonds, aus dessen Erträgen jetzt den Kriegsinvaliden jährlich 22 Millionen M. zufließen, nur zu einem verschwindend kleinen Betrage heran- zichen, so daß fast die ganze Summe durch neue Steuern auf gebracht werden müßte. Schon diese Feststellung genügt, um die Undurchführbarkeit der Idee klarzustellen, welche auch durch allerlei Vergleiche mit absolut anders gelagerten Verhältnissen, z. B. mit den nordamerikanischen Jnvalidenpensionen um nichts gebessert wird. Im Interesse der Nächstbetheiligten selbst, d. h. der Invaliden liegt es, daß die bisherige Grundlage der Pen siongewährung nicht verlassen wird. Zu der viel erörterten „Angelegenheit von Kotze" schreibt jetzt die „Köln. Volksztg." Folgendes: „Man wird sich noch erinnern, daß während der Untersuchungshaft des Zeremo nienmeisters die Familie desselben eine Belohnung auf die Ent deckung des Verfassers der schmuzigen Briefe an Mitglieder der Hofgesellschaft gesetzt hatte, worauf aus Paris sich Jemand mel dete mit dem Anerbieten, gegen Aushändigung von 100000 Mark den Verfasser verrathen zu wollen. Diese Person aus Paris — die ehemalige Freundin eines hocharistokratischen Ber liner Herrn — hat für die Preisgebung ihres Geheimnisses die verlangte Summe wirklich erhalten! Seitdem herrscht in allen Wipfeln Ruh'. Die Nachforschungen sind eingestellt." — Eine zuverlässige Bestätigung dieser Angaben muß jedenfalls noch ab gewartet werden. Wenigstens können wir unmöglich glauben, daß eine Angelegenheit, welche so viel Staub aufgewirbelt hat, nun spurlos im Sande verlaufen soll. Der „Reichsanzeiger" erklärt die von einzelnen Blättern über die Heeresergänzung im Jahre 1893 gemachten Angaben, daß in dem genannten Jahre ca. 11000 Mann mehr einge stellt seien, als bei Berathung des Gesetzes, betreffend die Frie denspräsenzstärke vom 3. August 1893, als Rekrutenbedarf in Aussicht genommen war, für zutreffend. Die Untersuchung der Berliner Anarchisten-Affaire hat es jetzt als zweifellos ergeben, daß die ursprünglichen Mel dungen über die Bedeutung der ganzen Sache sehr übertrieben worden sind. Es liegt kein Anlaß vor, gegen die allein noch in Haft befindlichen in die Angelegenheit verwickelten Personen, Schäme und Dräger wegen anarchistischer Umtriebe vorzugehen. Es sollte gegen sie vielmehr wegen Widerstandes wider die Staatsgewalt, Körperverletzung und groben Unfuges verhan delt werden. Berlin. Aus Berlin wird der „Köln. Ztg." gemeldet: Ein regelmäßiger Polizeibericht der sozialdemokratischen Bier schnüffler wird jetzt täglich im „Vorwärts" veröffentlicht. Danach hat ein daselbst genannter Wirth Biermogeleien betrieben, indem er ein Plakat der lozialdemokratischev Zwölferkommission aushängte und nach Beschaffung desselben trotzdem Bier aus den Schultheißschen Brauerei bezog. Ein anderer ebenfalls ge nannter Wirth hat am Montag voriger Woche sechs Viertel tonnen Unionsbier erhalten. Bei der kurz darauf abgehaltmen Kontrole wurden die Fässer in einem dem Gastwirth nicht ge hörenden Nebenkeller gefunden. Obgleich der Wirth leugnete, daß das Bier ihm gehöre, waren die Fässer am nächsten Tag leer. Es ist daher wohl dec Verdacht begründet, daß der Wirth, falls er das Bier nicht selbst verbraucht, an andere Wirthe ab gegeben hat. Alle Unbefangenen erhalten hier einen Vorge schmack davon, wie es im sozialdemokratischen Zukunftsstaate zu gehen wird. Kennzeichnend sind auch folgende Mahnungen des „Vorwärts": „Kein anständiger Mensch darf Waldschlößchen- bier in Dresden trinken." Daraufhin fragt die „Freis. Ztg.": Was würde der „Vorwärts" sagen, wenn die Presse der übrigen Parteien verkündigte, daß kein anständiger Mensch einem Sozial demokraten Arbeitsaufträge geben darf? Im „Sozialist" lesen wir: „Die „ungesetzliche" Ermordung Carnots ist von der Bourgeoisie am Donnerstag, den 16. v. M., mit der „gesetzlichen" Ermordung Caserio's vergolten worden . . Als das Haupt dessen fiel, welcher mit seiner Aufopferung der Menschheit einen Dienst zu leisten suchte, erschollen aus den Reihen des umstehenden Kapital- und Beamtengestndels Bravo rufe. Sie waren ihrer würdig. Das böse Gewissen der in letzter Zeit so vielfach in Schrecken gesetzte Kapitalsbestie läßt sie erleichtert aufathmen, wenn ein Haupt in den Sand rollt, daö nur daran dachte, ihre Herrschaft zu brechen. Am Morgen nach der Hinrichtung flatterte auf dem Grabe Caserio's die rothe Fahne und verkündigte stolz, daß ein Freiheitskämpfer ge fallen ist, aber derFreiheitökampf fortdaucrt." ^^leichen darf heutzutage nur noch in Deutschland gedruckt ^zo.hflos ver breitet werden. In Italien soll es nunmehr Ernst werden mit den schon so oft angekündigten und doch noch immer nicht durchgeführten Ersparnissen für das Staatssäckel. Am vergangeneu Freitag fand in Rom großer Kronrath statt, in welchem die einzelnen Minister die Entwürfe der in ihren Ressorts durchzuführenden organischen Reformen vorlegten. Dem Vernehmen nach würden die durch letztere zu erzielenden jährlichen Ersparnisse 22 Mil lionen Lire betragen, was immerhin ein annehmbares Sümm chen wäre. — Der vorwiegend radikale Gemeinderath der Stadt Mailand ist, weil er angeblich anarchistischen Tendenzen zuneigt, laut königlicher Verordnung aufgelöst worden. Zugleich wurde Staatsrath Bonast auf drei Monate zum Stadtverwalter er nannt. Ueber das Befinden des Grafen von Paris besagt eine Depesche aus Buckingham (England) vom 31. August Folgendes: „In dem Zustande des Grafen von Paris ist keine Aenderung eingetreten. Derselbe ist fortdauernd bei klarem Be wußtsein. Heute wurden ihm in Anwesenheit der Familienmit glieder die Sterbesakramente gereicht. König Alexander von Serbien wünscht am Berliner Hof seine persönliche Aufwartung zu machen, gegen den 20. Ok tober gedenkt er daselbst einzutreffen. Eine besondere politische Bedeutung kann man dem angekündigten Besuche des jungen Serbenfürsten am Hofe des deutschen Kaisers schwerlich beilegen, immerhin zeugt das signalisirte Ereigniß von dem Wachsen des Ansehen und des Einflusses Deutschlands in Belgrad. Ein franzö fisch-chin es isch er Zwi sch enfall wird von der tonkinesischen Grenze gemeldet. Der Zollkontrol leur Chaillet in Monsai wurde in der Nacht vom 26. zum 27. August von Chinesen überfallen und ermordet, die Frau und die sechsjährige Tochter Chaillet's wurden von den Schurken fortgelchleppt. Die von einer französischen Truppenabtheilung ins Werk gesetzte Verfolgung der schuldigen Chinesen blieb leider erfolglos. Der französische Gesandte in Peking ist von seiner Regierung bereits ermächtigt worden, Vorstellungen bei der chi nesischen Regierung zu erheben und darf man wohl um so eher erwarten, daß das Pekinger auswärtige Amt den Genugthuungs- forderungen Frankreichs wegen der Affairc von Monsai statt- giebt, als den Chinesen eine etwaige neue Verwickelung mit Frankreich in Hinblick auf ihren Krieg mit Japan doch gewiß nicht erwünscht sein könnte. Auf dem ostasiatischen Kriegschauplatze ist japanischer- seits eine neue größere Action ins Werk gesetzt worden. Die japanische Flotte landete Truppen bei Port Arthur, welche als bald zum Angriff auf diesen wichtigen Platz vergingen, während die Flotte die Forts und die Docks bombardirte. Port Arthur ist bekanntlich die eine der beiden starken chinesischen Seefest ungen am Eingänge der Meeresbucht von Petschili, es beherrscht den nördlichen Zugang, das ihm schräg'gegenüberliegende Wei- Hai-Wei den südlichen Eingang. Sollte den Japanern die von ihnen schon einmal versuchte Einnahme von Port Arthur diesmal gelingen, so wäre für sie der Weg nach Tientsin, der ! Hafenstadt für Peking, frei. In Korea dagegen sind die Ja paner von den Chinesen aus ihren Stellungen im Norden her ¬ ausgeworfen und in der Richtung nach Seul zurückgedrängt worden; hier, bei der koreanischen Hauptstadt wird wohl auch die Entscheidungsschlacht zwischen den in Korea eingedrungenen Heeren Chinas und Japans stattfinden. Die Billings. Original-Roman von Em. Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Frau Mathilde fühlte sich plötzlich selber verwirrt, konnte der Assessor Erdmann nicht am Ende recht haben? — Und wenn dieser Verwundete auch wirklich Detlev Billing war, konnte sie für die Ehrenhaftigkeit seines Charakters bürgen? In welche Hände war der Knabe einst gerathen und welchen Fonds von guten Eigenschaften hätte er besitzen müssen, um vrüben in dem amerikanischen Leben ein früheres Selbst sich unversehrt zu bewahren? Wenn diese beiden Erben diese Reise übers Weltmeer zusammen gemacht, um der Testamentseröffnung beizuwohnen und ihr Recht geltend zu machen, weshalb sollte Detlev alsdann nicht schon früher den Miterben beseitigt, wes halb denn bis angesichts der alten Heimath damit gezögert und sich vielleicht selber den Strick dadurch gedreht haben? „Ja so," lieh sie schließlich ihrer Gedankenfolge unbewußt lauten Ausdruck, „darüber könnte der Schönlindner Wirth em sicheres Zeugniß ausstellen." „Weshalb denn gerade der?" fragte Hertha, das verwirrte Gesicht der Mutter verwundernd betrachtend, erstaunt. „Ach, dummes Zeug," rief die alte Dame ärgerlich, „man wird von all' dem Geträsch ganz verwirrt. Wenn's Detlev Billing auch wirklich wäre, Kind, Du hast ja doch kein Inte resse für den Selbstmörder." „O, Mama!" Hertha blickte sie so traurig vorwurfsvoll an, daß Frau Mathilde nicht länger widerstehen konnte, sondern sie in ihre Arme zog und leise sagte: „Ich habe ihn gesehen, mein Kind, und glaube, daß er es ist, fürchte aber, daß er das treue Kna- benher; nicht wieder zurückgebracht hat." „Und weshalb nicht, Mama?" fragte Hertha, sie angstvoll anblickend, was hat er verbrochen, um diesen Vorwurf zurecht fertigen ?" „Lieber Himmel, Du selbst hältst ihn doch für einen Selbstmörder —" „Nein, nein, Mama!" unterbrach Hertha sie eifrig, „wes halb sollte er, so nahe am Ziel, ein solches Verbrechen an sich selber begangen haben?" „Nun, das war ja von vornherein Papas und auch meine Ueberzeugung, Du kleine Windfahne," sagte Frau Mathilde mit gutmüthigem Spott, „ein Detlev Billing kann natürlich nur ein Mustermensch sein, doch lassen wir seine Fehler und Tugenden einstweilen auf sich beruhen, nur eins, liebe Hertha, möchte ich Dir anheimgeben, knüpfe keine überspannten Hoff nungen an dieses Wiedersehen. Ein Mann, der zwanzig Jahre fern von der Heimath, welche er im knabenhaften Trotz heimlich verlassen, bleiben konnte, ohne ein einziges Mal von sich hören zu lassen, ohne der armen Mutter, welcher er das Herz gebrochen, dem unglücklichen Vater oder irgend einem sonstigen, befreundeten Wesen ein Wort der Liebe zu senden, ein solcher Mann besitzt kein Herz, da er nur jetzt zurückgekehrt, jetzt, wo er vielleicht darauf hoffen kann, ein reiches Erbe an sich zu nehmen, Hertha! Kind! leuchtet Dir das nicht ein? — Könnte dieser Mann, selbst wenn er Dir von Liebe sprechen sollte, mir die Bürgschaft geben für Dein Glück?" Das junge Mädchen war todtenblaß geworden und zitternd auf einen Stuhl niedergesunken. Die unbarmherzigen Folger ungen der guten Pflegemutter, der plötzlich Alles klar zu werden schien, hatten sie wie Keulenschläge getroffen und ein Idol zer trümmert, daß sie die langen Jahre hindurch treu in ihrem Herzen gehegt und gepflegt hatte. Frau Mathilde, welche das innigste Mitleid mit ihr em pfand, wollte doch jetzt ihren Vortheil verfolgen und die nutz lose Schwärmerei für diesen mindestens zweideutigen Menschen wie ein Unkraut aus ihrem Herzen reißen, besser jetzt eine kleine Wunde, als spärer unabsehbares Unglück. „Sei mir nicht böse, liebes Kind!" fuhr sie rasch fort, „ich meine es ja herzlich gut mit Dir und möchte Dich so gern recht glücklich sehen. Das ich den Knaben Detlev sehr lieb hatte, ist gewiß, und ich verurtheilte damals seinen Oheim auch am stärksten, welcher mehr als gewissenlos an ihm und den unglück lichen Eltern handelte. Können wir aber jetzt seinen Worten Glauben schenken, es wissen, ob er drüben in dem weiten Amerika nicht Weib und Kinder, oder Gott weiß welche licht scheue Geheimnisse zurückgelassen hat? Ich werde mich hüten, Fremden gegenüber dergleichen zu äußern oder seiner Person nur Erwähnung zu thun und bitte Dich nur, ebenfalls darüber zu schweigen, da ich seine Persönlichkeit nicht beschwören könnte, wünsche auch von Herzen, daß er sein rechtmäßiges Erbe un verkürzt erhalten möge, aber dann auch ebenso aufrichtig seine schnellste Rückkehr nach Amerika, wohin er jedenfalls doch am besten gehört." Hertha, welche sich mittlerweile wieder gefaßt hatte, schüt telte traurig lächelnd den Kopf. „Seit wann ist meine stets so gerechte Mutter von einer so feindseligen Voreingenommenheit gegen einen hülslosen Kran ken erfüllt worden?" fragte sie sanft. „Du nahmst doch kürzlich noch seine Partei. Wußtest Du damals es nicht, wer der Unglückliche war? Frau Mathilde schwieg betroffen. Dieredegewandte Dame fand auf diese Frage nicht gleich die rechte Antwort. „Du meinst, daß sein Name meine Meinung über ihn verändert habe?" erwiderte sie langsam. „Das ist ein Jrr- thum, liebe Hertha, im Gegentheil, ich bin erst in dieser Stunde über ihn im Klaren und hätte noch gestern, ja noch heute früh jeden Verdacht gegen ihn entrüstet zurückgewiesen." „Verdacht?" fragte Hertha, sie erschreckt anblickend, „wessen beschuldigt man ihn denn? — Des Selbstmordeversuchs? Em anderes Verbrechen kann doch der Arme nicht begangen haben." Wieder schwieg die alte Dame überlegend, ob es wohl klug oder nur gerathen sei, ihr Alles zu sagen. Nein, schweigen war hier jedenfalls besser. „Wir wollen uns darüber nicht mehr erregen," erwiderte sie kurz, „die Geschichte wirbelt mehr Staub und Aerger auf, als nöthig ist. Herr Axel Billing hätte wohl daran gethan,
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