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MchMIt für W druff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne / Nummem 10 Pf. Thmndt, Kliffen, Menlehn md die Umgegenden. Imssblult Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. «1. Dienstag, de« 31. Juli 1894. Bekanntmachung. Laut anher erstatteter Anzeige sind folgende, bei hiesiger städtischen Sparkasse ausgestellte Einlagebücher als: Nr. 24868, 26464, 26894, 31733, 31734, 34533 und 35669 den Inhabern abhanden gekommen. Unter Hinweis auf § 18 des für die städtische Sparkasse hierselbst geltenden Regulativs wird der etwaige Inhaber dieser Einlagebücher hiermit aufgefordert, seinen Anspruch an dieselben, wenn er solchen zu haben vermeint, bei Verlust desselben, binnen drei Monaten vom Tage dieser Bekanntmachung ab gerechnet, bei uns anzuzeigen. Wilsdruff, am 27. Juli 1894. Der Stadt rat h. In Stellvertretung: Funke. Für den gefährdeten Mittelstand tritt heute das Organ der sächsischen Conservativen „Das Vater land" mit folgendem Leitartikel energisch ein: Daß es nicht mehr lange so weiter gehen könne, daß die Entwickelung unserer wirthschaftlichen Verhältnisse in der bisherigen Art und nach der jetzt herrschenden Richtung zu einer Katastrophe führen müsse, ist den Einsichtigen längst klar geworden. Hüben und drüben, im Lager der Umstürzler und im Lager ihrer entschiedensten Gegner, herrscht in diesem Punkte Uebel einstimmung. Nur wenige sind's, die das Endziel der Entwickelung nicht sehen können oder nicht sehen wollen. Da hin gehören zunächst die, die ein unmittelbares Interesse daran haben, daß diese Entwickelung, die ihren Weizen blühen läßt, nicht gestört werde. Daß die Leute, denen unser heutiges Wirthschaftssystem mühelose Jobbergewinne in den Schooß wirft, die das Fett abschöpfen und ohne Arbeit von der Arbeit Anderer leben, mit allen Mitteln den Boom so erhalten wollen, daß Schmarotzerpflanzen gedeihen, wer kann sich darüber wundern ? Aber es giebt noch Andere, die von der Vortrefflichkeit unserer Verhältnisse durchaus überzeugt sind. Das sind jene unklaren Idealisten, die sich von allem großartig Scheinenden imponiren lassen, die unsere industrielle Entwickelung anstaunen und vor lauter Bewunderung des scheinbaren Fortschritts die unheim liche Kehrseite dieses Fortschritts nicht zu sehen vermögen. Und das sind endlich jene weichen, schlaffen Naturen, die am liebsten aus dem ausgefahrenen Geleise nicht hinaus wollen, die um jeden Preis „fortwurschteln" und alle trüben Gedanken und alle Einwände mit dem lendenlahmen Tröste zurückzuweisen meinen, daß es nicht so schlimm sei. Sie taumeln weiter, ohne zu merken, daß der Abgrund immer näher und näher kommt. Jst's denn so schlimm? Und was ist denn so schlimm,? so fragen auch wohl manche unserer Leser. Nicht darin besteht die höchste Gefahr, daß die Anarchisten kecker als je ihr Ver brecherhaupt erheben und mit ihren Frevellhaten die Menschheit bedrohen. Wenn das Volk noch gesund ist, dann wird es mit dieser Mördersippe fertig. Freilich die lahme Humanitätsduselei die in dem schurkischen Verbrecher nur den bemitleidenswerthen Kranken sieht, muß aufhören. Die Strafe muß wieder schrecken, und das Schwert muß scharf werden. Auch in der Zunahme der sozialdemokratischen Mitläufer besteht die Gefahr nicht. Diese Mitläufer sind zum Theil ganz gute Leute, die die ganze sozialistische Wirthschaft als Mumpitz bezeichnen und nur mit laufen, weil sie das Bedürfniß haben, ihre berechtigte Unzu friedenheit möglichst scharf zum Ausdrucke zu bringen. Und milden eigentlichen „Genossen", den Zielbewußten, den Machern und den Gemachten, werden wir auch noch fertig. Man zeige nur den geschäftsmäßigen Hetzern den geziemenden Ernst, man lasse sic nicht mit dem Feuer spielen, bis eine Feuersbrunst ent standen ist, sondern sperre sie ein, wenn sie der Autorität des Staates offen entgegen treten, man lasse das Volk erkennen, daß die Obrigkeit das Schwert nicht umsonst hat, man bereite der Zucht wieder eine Heimstadt im Hause und in der Schule; dann wird die Zahl der unbewußten und halbbewußten Mit läufer schon geringer werden. Von diesen droht keine Gefahr, dieselbe liegt vielmehr da rin, daß sich der gute, tüchtige Kern unseres Volkes, daß sich der fleißige, ruhige Mittelstand in Land und Stadt von allen Tagesgeschichte. Eine zwar beklagenswerthe, aber von der tiefen Beun ruhigung, welche unserem ganzen Erwerbsleben aus dem sozial demokratischen Boykottunfuge erwächst, unzertrennbare Begleit erscheinung ist die Arbeitslosigkeit, die sich jetzt ungleich stärker! bemerklich macht, als sonst um diese Zeit. Jede Lähmung der^ industriellen und gewerblichen Betriebe gelangt in einer ent-! sprechenden Verringerung der Arbeitsgelegenheit und damit auch des Arbeitsverdienstes zum Ausoruck, ganz einerlei, ob der Sieg ! in den seitens der sczialdemokratischen Hetzer muthwillig vom! Zaune gebrochenen Boykottkonflikten den Arbeitgebern oder den Arbeitern zufällt. Bei dem engen Zusammenhänge aller Theile des nationalen Arbeitsorganismus unter einander erstrecken sich die verderblichen Wirkungen der Boykott-Attentate auf den Stand des Erwerbslebens über weit umfangreichere Kreise, als sich die Mehrzahl der „Genossen" träumen läßt. Wenn es von einigen Organen der Tagespresse sehr bezeichnend gefunden wird, daß erst dieser Tage in Hamburg und Leipzig stark be suchte Arbeitslosen-Versammlungen abgehalten werden konnten, und wenn daran die Vorhersagung geknüpft wird, daß der nächste Winter in dieser Beziehung überaus trübe zu werden drohe, so läßt sich dem leider nicht widersprechen. Es ist aber Es geht ein Jammer der Hoffnungslosigkeit, ein Schrei der Verzweiflung durch unseren tüchtigen Mittelstand. Wer ihn hören will, hört ihn; und binnen Kurzem werden ihn auch die hören müssen, die ihn nicht hören wollen. Will man denn die Zeichen der Zeit nicht verstehen? Woher der erschreckende Ab fall der Kreise, die sonst zu den entschiedensten Verfechtern ein s gesunden Conservatismus gehörten, zu den demagogischen Parteien? Woher der frenetische Beifall, den notorische Lumpen und Lügner finden, wenn sie nur der Unzufriedenheit die rechten Worte verleihen ? Woher das ungestüme Verlangen nach einer kräftigen Tonart, nach einem entschiedenen und energischen Vorgehen? Wer sich bedroht fühlt, wer den Untergang vor Augen fleht, der bittet nicht, der schreit. Man komme nicht mit dem Hin weise auf die Einkommensteuer-Statistik! Wer im Leben steht, der weiß, wie trügerisch diese Ergebnisse sind. Wie Viele zahlen aus Rücksicht auf ihren Credit weit mehr, als sie zahlen müßten! , Und wie Viele werden überschätzt! Man kommt auch nicht mit der fatalistischen Redensart, daß das nun einmal eine Be gleiterscheinung der modernen Entwicklung sei, die sich ohne Gefahr für diese Entwickelung nicht beseitigen lasse! Geht unser Mittelstand zu Grunde, dann ist es aus mit unserem Volksthume, aus mit unserer Wirthschaftsordnung, aus mit unserem Staatsleben. Giebt man zu, — und wer die Geschichte nur einigermaßen kennt, muß es zugeben,,, er mag wollen oder nicht —, nun so giebt es nur ein Entweder — oder! Entweder man läßt der Entwickelung ihren Lauf und läßt den Mittelstand zu Grunde gehen. Dann thäte man ! allerdings gut daran, sich immer schon mit dem sozialdemo kratischen Zukunftsstaate oder der anarchistischen Zukunftsgesell- j schäft auseinander zu setzen. Oberman macht sich daran, den Kapitalismus zu beschneiden und damit dem Sozialismus den Boden zu entziehen, man sucht den Mittelstand zu retten und zu schützen mit allen Mitteln, unbekümmert um das Gezeter^ der Trabanten und Schildträger des Capitalismus! Willman das aber thun, dann ist's die höchste Zeit. Seiten bedroht steht, so heftig bedroht, daß Vielen schon der Untergang unvermeidlich erscheint. Auf der einen Seite droht wichtig, schon jetzt festzustellen, wen die wirkliche und alleinige der internationale Großkapitalismus, der die wirthschaftliche Selbst- Schuld für alles den Arbeitern drohende Mißgeschick trifft, ständigkeit der Einzelnen vernichtet, der die kleinen Existenzen nämlich die Urheber und Protektoren des sozialdemokratischen aufzehrt, der die väterliche Scholle belastet, der den Handwerker Boykottunfugs, damit, wenn später die Arbeiterhetzpresse ge- und den Bauer in seine grausame Frohn zwingt; auf der anderen ! wohnheitsmäßig den Versuch macht, die Verantwortung für das Seite droht der internationale Sozialismus, der mit den brutalsten ! Arbeitslosenelend der bestehenden Gesellschaftsordnung aufzu- Gewaltmitteln den selbstständigen kleinen Mann in seine Gefolg-! bürden, man die sozialdemokratischen Parteiführer auf ihre schäft bannt, der mit dem Boykott ihm das Brod vom Munde eigenen Thaten festnageln kann. nimmt, der, wenn nichts Anderes hilft, mit den Mitteln des j Ein gründlicher Kenner Frankreichs und der Franzosen, Capitalismus und der Genossenschaft seine Existenz untergräbt. Barthe-lemy St. Hilaire, dec noch im Ministerium Ferry 1880 das Ressort des Aeußeren inne hatte, stellte im „Figaro" den Beziehungen Deutschlands und Frankreichs in der nächsten Zukunft folgende Diagnose, die wohl jeder Unbe fangene als richtig anerkennen wird: „Ich bin mein ganzes Leben lang Optimist gewesen, ich habe den Eindruck, als ob diese Art der Anschauung sogar stärker geworden sei mit meinen Jahren — nächsten Monat, so Gott will, trete ich ins neun zigste — und ich preise den Schöpfer aller Dinge. Aber über die nächste Zukunft bin ich trotz alledem im Unklaren. Es giebt keinen Franzosen den nicht die Achtungs- und Theilnahme- beweise bei der erschütternden Katastrophe, die hinter uns liegt, tief gerührt hätten, besonders jene Kundgebungen, die von unseren Gegnern kamen. So hat kein Kondolenzakt soNebhaft gewirkt, wie der des Kaisers Wilhelm, weniger durch seine Form, die ja gewiß schön gewesen, als durch den Schwung und den Adel der Empfindung, die dort zu Tage traten. Das kostbare Resultat solcher Kundgebungen liegt in der Thatsache, daß sie uns ob der Gesittung in dec Zukunft die Sorge nehmen; man wird mit der größten Erbitterung auf den Schlachtfeldern kämpfen und darf gleichwohl hoffen, daß unter den Völkern das Gefühl für d'e Menschlichkeit nicht ersterbe; mitten in die Wirren des sozialen Kampfes, in die Entfesselung wildester Leidenschaften, welche die Wiederkehr der Barbarei androhen, tritt ein solches Schauspiel sympatischer Wechselbeziehungen. Dieser allgemeine Zug der Theilnahme schafft eine Pause in den Vorbereitungen zum Kampfe, der Friede scheint mir wenigstens für dieses und das nächste Jahr gesichert. Lange Hoffnung lst nicht gestattet; das Vertrauen ist zu lange unterwühlt und die Fortschritte der Bewaffnung bilden an sich schon eine stetige Quelle für den Gedanken an den Krieg, der durch irgend einen Zufall, einen Grenzstreit kleinlichster Natur ganz unvermuthet cintreten kann. Der Krieg wird so lange nicht aus der Welt geschafft werden, als nicht die menschliche Natur sich von Grund aus verkehrt — die anarchistische Gefahr wird den Krieg aber einige Zeit in den Hintergrund drängen, weil sie verschiedene Staaten zwingt, zunächst im Innern sich selbst zu schützen." Angesichts der in letzter Zeit im Auslande vorgekommenen größeren Gruben-Unglücksfälle hat der preußische Handelsminister für jeden der fünf Oberbergamtsbezirke die Bildung von be sonderen bergtechnischen Commissionen angeordnet, welche die sämmtlichen Steinkohlengruben einer eingehenden Untersuchung unterziehen sollen. Namentlich auf das Vorhandensein von Schlagwettern und gefährlichem Kohlenstaub, sowie auf die Vorrichtungen zur Abwendung der Gefahren sollen sich diese Untersuchungen erstrecken. Bei einer Flotten Übung auf der Nordsee stießen bei einem Nachtangriff der Aviso „Pfeil" und das Torpedoboot „D 4" zusammen. Beide Schiffe sind verletzt, konnten aber nach WilhelmShafen gebracht werden. Wie aus Hamburg gemeldet wird, wurde dort ein Flug blatt confiscirt, deren Verbreiter die Anklage wegen Hochverraths zu gewärtigen haben werden. Man vermuthet, daß die Flug schrift anarchistischen Ursprungs ist. Einige der Vertheiler sind bereits verhaftet; die Polizei fahndet noch auf die übrigen. Wien, 27. Juli. Die große Ortschaft Jllnitz beiOeden- burg ist von einer großen Feuersbrunst heimgesucht worden. Ueber dreihundert Wohnhäuser wurden eingeäschert. Zur Feier der silbernen Hochzeit des Kronprinzen und der Kronprinzessin von Dänemark sind der König von Schweden, der Großfürst Thronfolger von Rußland, der Prinz Heinrich von Preußen und andere hohe Gäste in Kopenhagen eingetroffen. Mit großer Auszeichnung wurde zumal auch der Prinz Heinrich als Vertreter des deutschen Kaisers in Kopen hagen empfangen. Der König von Dänemark, die Prinzen Waldemar, Hans und Julius sowie der deutsche Gesandte Freiherr von den Brincken begrüßten den Prinzen Heinrich am 27. Juli am Bord des Kriegsschiffes „Sachsen", auf welchem der Prinz nach Kopenhagen gefahren war, und geleiteten ihn darauf in das Schloß.