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Wochenblatt sm Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonncmentspreis - vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 ML 25 Pf. — Einzelne / Nummem 10 Pf. Tharandt, Mn, Ziebenlehn md die Umgegenden. —-r Imtsblntt Inserate werden MentagS und Donnerstag- biS Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionSpreiS 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Dienstag, den 13. Februar No. 13. 1894. Bekanntmachung. Das 1. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen vom Jahre 1894 enthält: No. 1. Dekret, die Bestätigung des I. Nachtrages zur Genosserschaftsordnung der Genossenschaft für Berichtigung des Heinersdorfer Baches II zu Beicha betr., vom 13. Dezember 1893. No. 2. Bekanntmachung, die Feststellung der Beiträge zur Deckung des Bedarfs des Landeskulturrathes betr., vom 3. Januar 1894; No. 3. Bekanntmachung, die Festsetzung des Betrags der für die Naturalverpflegung der Truppen im Jahre 1894 zu gewährenden Vergütung betr., vom 10. Januar 1894; No. 4. Verordnung, die Polizeiordnung für die Schifffahrt und Flößerei auf der Elbe betr., vom 8. Januar 1894; No. 5. Verordnung, ström- und schifffohrtspolizeiliche Vorschriften für die Schifffahrt und Flößerei auf der Elbe betr., vom 9. Januar 1894; No. 6. Verordnung, die Enteignung von Grundeigenthum zur Herstellung von Schneeschutzanlagen an den Bahnlinien Zwickau, Falkenstein und Herlasgrün-Oclsnitz betr., vom 11. Januar 1894; No. 7. Verordnung zu weiterer Ausführung des Gesetzes vom 20. Mai 1867, das Befugniß zur Aufnahme von Protokollen und zu Beglaubigungen bei Justiz- und Verwaltungsbehörden betr., vom 16. Januar 1894. Eingangs bezeichnetes Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes liegt zur Einsichtnahme auf hiesiger Rathsexpedition aus. Wilsdruff, am 12. Februar 1894. Der Stadtrath. Acker, Brgmstr. Bekanntmachung. Um vielseitig geäußerten Wünschen zu entsprechen, sollen die von Herrn Architekt Quentin für den Umbau der hiesigen Stadtkirche entworfenen Pläne nächsten Mittwoch den §4. Abruar von Vorm. zo Uhr bis Nachmittags 5 Uhr im Sitzungslokal des Stadtgemeinderaths öffentlich ausgestellt werden. Wilsdruff, am 12. Februar 1894. Der Kirchenvorstand. Pastor Acker, Vorsitzender. Tagesgeschichte. Am 20. d. M. reist Kaiser Wilhelm nach Wilhelmshafen und wird, wie nach der „Franks. Ztg." verlautet, auf der Heim reise den Fürsten Bismarck in Friedrichsruh besuchen. Im Brennpunkte des öffentlichen Interesses stehen augen blicklich der Abschluß der deutsch-russischen Handelsver trages und die sich hieranknüpsenden Vorgänge. Fast drei Jahre sind verflossen, seit von Petersburg aus die Anregung zur Wiederannäherung zwischen Rußland und Deutschland auf Handels- und wirthschaftspolitischem Gebiete erging. Aber die alsbald eingeleiteten Verhandlungen hierüber scheiterten bekannt lich schließlich an den hochgeschraubten Forderungen und die Folge war der zur Zeit noch andauernde Zollkrieg zwischen den beiden Nachbarreichen. Auch die im Herbst vorigen Jahres begonnenen neuen Unterhandlungen der beiderseitigen Regierungen drohten infolge der einseitigen Haltung Rußlands mehr als einmal resultatlos zu verlaufen, bis sie nun endlich durch gegen seitige Nachgiebigkeit beider Parteien doch zu einem positiven Ausgange geführt haben. Der veröffentlichte neue Tarif für die deutsche Waareneinfuhr nach Rußland zeigt, daß bei den nun abgeschlossenen zollpolitischen Verhandlungen für zahlreiche deutsche Industriezweige mehr oder weniger erhebliche Zoller mäßigungen und sonstige Vergünstigungen von Rußland erlangt worden sind; wenn hierbei nicht alle unsere industriellen Branchen berücksichtigt werden konnten, so liegt dies in den einmal gegebenen Verhältnissen. Von besonderem Werthe ist es noch, 'daß die Dauer des deutsch-russischen Vertrages auf zehn Jahre festgesetzt worden ist, ein Zeitraum, welcher genügend erscheint, um dem deutschen Handel mit Rußland die frühere Sicherheit und Stetigkeit und theilweise wenigstens auch den früheren Umfang wiederrugeben. Bei den russischerseits gemachten zollpolitischen Zugeständnissen ist die deutsche Landwirthschaft keineswegs leer ausgegangen, freilich muß sie andererseits das Hauptgewicht der Gegenkonzessionen Deutschlands in Gestalt der Ermäßigung der deutschen Getreidezölle gegenüber Rußland auf 3'/, Mk. tragen; dieses Opfer mußte aber deutscherseits gebracht werden, wollte man nicht das endgültige Scheitern der Verhandlungen mit dem russischen Nachbar unfehlbar bewirken. Was nun die Frage nach den parlamentarischen Aussichten des russischen Handelsvertrages anbelangt, so lassen sich dieselben gegenwärtig natürlich noch nicht mit Sicherheit abwägen. Jm- merhin macht sich schon jetzt die Anschauung geltend, daß die Sache dieses wichtigen Vertrages im Reichstage keineswegs so ungünstig steht, als bislang vielfach angenommen wurde; na mentlich lenkt man auf freikonservativer Seite, auf der bis lang mit die entschiedensten Gegner des russischen Vertrages zu finden waren, allmählich zu Gunsten desselben ein. Je denfalls haben die Vertreter der Reichsregierung bei den be vorstehenden parlamentarischen Kämpfen um den Vertrag von vornherein schon dadurch eine ungemein günstige Stellung, daß sich Kaiser Wilhelm in der parlamentarischen Soiree beim Reichskanzler so entschieden und klar für den Handelsvertrag mit Ruhland unter Betonung der hervorragenden wirthschaftlich und politischen Bedeutung desselben ausgesprochen hat. Na mentlich eindringlich sind hierbei von dem Monarchen die bedenklichen Folgen, welche eine eventuelle Ablehnung des Vertrages seilens des Reichstages für die Gestaltung der po litischen Beziehungen Deutschlands zu Rußland nach sich ziehen müßte, hervorgehoben worden, ein Moment allerdings, welches selbst die überze, gungstreuesten Gegner des Vertrages nicht ohne Weiteres übersehen dürfen. Ueber die Stellung des Fürsten Bismarck zum russischen Handelsvertrag schreibt eines der Blätter, welche während der letzten Jahre die Ansichten des Fürsten zu vertce'en beansprucht n, die „Westdeutsche Allg. Ztg.": Wir halten unsere jetzigen Tarifsätze für durchaus schlecht; wir würden aber, nach dem einmal diese Sätze mit Oesterreich-Ungarn, Italien, der Schweiz, Spanien gebunden sind, die Verwerfung der russischen Vertrages wirthschaftlich für nutzlos, politisch für einen groben Fehler halten. Das ist auch, soviel wir wissen, der private Standpunkt des Fürsten Bismarck in der Frage, die augenblick lich unsere ganze innere Lage beherrscht. Der Verein BerlinerKaufleuteundJndustrielle r versendet an die Abendzeitungen eine Erklärung, in welcher er Kaufleute und Industrielle aus allen Theilen Deutschlands zu einer imposanten Versammlung nach Berlin ladet, damit der Reichsregierung Dank ausgesprochen werden könne für den"Ab- schluß des russischen Handelsvertrages. — Dagegen ist die Generalversammlung des Bundes der Landwirthe nach dem „Feenpalast" in Berlin auf den 17. Februar einberufen. Einen scharfen Protest gegen die Art und Weise der Agitation einzelner Mitglieder des Bundes der Landwirthe wider den russischen Handelsvertrag haben eine Anzahl würt- tembergischer StandeSherren, an ihrer Spitze der Fürst zu Ho henlohe-Langenburg, Präsident der ersten Kammer, erlassen. Der Protest hebt hervor, eine solche Agitation diene dem An sehen der Landwirtbschaft schwerlich. Auch wird auf die ver letzende persönliche Spitze der Agitation gegen die höchsten Reichs beamten hingewiesen. Eine Versammlung von 2000 Arbeitslosen, welche am Freitag mMeidling bei Wien abgehalten wurde, ist in Folge maßloser Angriffe gegen die Regierung aufgelöst worden. 400 Theilnehmer an dieser Versammlung zogen nach dem Rathhause, um dort eine Demonstration zu veranstalten, sie wurden aber ohne Widerstand gegenüber dem deutschen Volkstheater zerstreut. In den östlichsten Gouvernements des europäischen Ruß lands ist bekanntlich der Verkauf des Branntweins versuchs weise von der Regierung übernommen worden, um dadurch die Möglichkeit zu haben, der Trunksucht entgegen zu wirken, die in jenen Gegenden in besonders verderblichem Grade sich entwickelt hatte. Die „Now. Sremja" meldet nun, einige Gouverne- ments-Direktoren des übrigen Rußlands hätten an den Finanz minister das Ersuchen gerichtet, jene Maßregel auch auf die von ihnen vertretenen Provinzen anszudehnen. Der Zar soll auf ärzrlichen Rath beschlossen haben, schon jetzt nach seiner bevorzugten Sommerresidenz Gatschina bei Pe tersburg überzusiedeln, um sich daselbst von seiner jüngsten Krankheit zu erholen. Der Plan eines Erholungsaufenthaltes des Zaren im Süden seines Reiches scheint wieder aufgegeben worden zu sein. Die „Voss. Ztg." meldet aus Petersburg: Unweit Votum erfolgte ein Zusammenstoß zwischen einem Personen zuge und mehreren vom Winde getriebenen Waggons. Gegen 30 Personen wurden verletzt. Nach einer späteren Draht meldung sind von den Verletzten vier Personen gestorben. Paris, 10. Februar. Breton, der Redakteur des „So zialiste" wurde zu 2 Jahren Gefängniß und 1000 Frcs. Geld strafe verurtheilt wegen der Bedrohung Carnots, wenn er Vaillant nicht begnadige. Man schreibt aus Paris, daß die französischen Militär-1 behörden beschlossen haben, das acht Millimeter Lebel-Gewehr, s welches kürzlich von einem Theil der französischen Presse ange ¬ griffen wurde, durch ein neues Magazingewehr von sechs Milli meter Kaliber zu ersetzen. Diese Waffe soll eine Anfangsge schwindigkeit von 850 Metern und eine verhältnißmäßig flache Flugbahn haben. Ein Hauptvortheil vom militärischen Stand punkte soll die Leichtigkeit des Schießbedarfes sein, so daß der Soldat 300 Patronen bei sich führen kann. Die französischen Behörden bewahren natürlich in dieser Angelegenheit selbstredend die größte Verschwiegenheit. Vaterländisches. Wilsdruff. Das 10jährige Stiftung-fest de- „landwirthschaftlichen Vereins zu Wilsdruff" wurde am 8. d. M. in den Räumen des „Hotels zum Adler" abge halten. Schon in den zeitigen Nachmittagsstunden rollten Wagen an Wagen in die Mauern unserer Stadt ein und Herren und Damen entstiegen in festlichem Schmuck denselben, um sich in voller Pünktlichkeit an der Nachm. 5 Uhr beginnenden Festlichkeit zu betheiligen. Das elektrische Licht und die ange brachte Dekoration, die aufgestellten 3 Bouquets mit elektrischen Glühlampen auf der mittelsten Tafel, sowie die in frischem Grün prangende Büste Sr. Maj. des Königs Albert gab dem Saale einen prächtigen Anstrich. Der Tafel voraus ging ein Festaktus, welcher durch die Prologouverture zu „Romeo und Julia" eröffnet wurde. Hierauf trug die Tochter des Herrn Rittergutspachter Seyffarth-Weistropp den von Herrn Pastor em. Seifert-Wilsdruff verfaßten und allgemeinen Beifall findenden Festprolog vor. Frl. Seyffarth aber verstand es hierbei, durch den Wohllaut ihrer Stimme und die beobachtende präzise Betonung den Worten des Dichters eine gewisse Aus zeichnung zu verleihen. Der Prolog selbst hatte folgenden Wortlaut: ^Araria. ^raria — o Bauernstand! In dem auch meine Wieg' sich fand, Wo ich das erste „Herr Gott walte", Das erste „Vater Unser" lallte — Wie lieb' ich dich, o Bauernstand, O du mein lieber Vaterstand! — o Bauernstand! Du bester, größter deutscher Stand In Sachsen, Preußen, Baiern, Schwaben — Fleiß, Einfachheit und andre Gaben Gab dir der Herr, lieb Bauernstand, Wie keinem andern deutschen Stand. ^Frarin — o Bauernstand! Wen schmückte je ein schöner Band — „Grün", das dich hin zur Hoffnung weiset, „Gelb", das den Erntesegen preiset — Wie Gott dir's um die Stirne wand, Als dich, mein lieber Vaterstand? ^ßrnriL — o Bauernstand! Wo Gleißnerei und Scheingewand Den deutschen Mann noch nicht entstellte — Und Trug an Biederkeit zerschellte — Dir will ich bis zum Grabesrand Verbleiben, lieber Vaterstand. — o Bauernstand! Wem wär' ein andrer Stand bekannt, Der eine solche lange Kette Von altberühmten Männern hätte