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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sievenleyn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dienstag, den 18. Februar 1873. Etwas über Dienstbücher, An- und Abmeldung, Kündigung des Gesindes. In neuester Zeit begegnet man namentlich auf dem Lande sehr oft der Ansicht, daß die Führung der Gesindebücher nicht mehr noth wendig sei. Ist eS nun auch wohl möglich, daß vielleicht in Zukunft das gegenseitige Verhältniß der Dienstherrschaft und des Gesindes von einem anderen rechtlichen Gesichtspunkte aus als jetzt zu betrachten ist und es dann der Führung von Gesindebüchern nicht mehr bedarf, so ist doch, wenigstens zur Zeit noch, die gedachte Ansicht eine irrige, da gegenwärtig die Verordnung — die nach Vorschrift der Gesindeordnung über die Dienstboten zu führende Aufsicht betr., vom 10. Januar 1835 — noch in Kraft ist. Diese Verord nung schreibt aber unter Anderem vor, daß zu besserer Ucbersicht und Bcisammenhaltung der Legitimationen des Gesindes „Gesinde zeugnißbücher zu führen sind, sowie daß jedem innerhalb Sachsens wohnhaften Gesinde, welches zum ersten Male in Dienst tritt, ein solches Buch von der Polizeibehörde seines Wohnortes auszufertigen ist. Jedenfalls liegt der obenerwähnten Ansicht eine Verwechselung der Gcsindezeugnißbücher mit den Arbeitsbüchern zu Grunde, welche früher jeder Arbeiter und Gehilfe eines nach den Vorschriften deS Gewerbegesctzes vom 15. October 1861 zu beurtheilenden selbststän digen Gewerbtreibxnden zu führen hatte, welche aber an dergleichen Personen nach der Verordnung, die Ausführung der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund betr., vom 16. Sept. 1869, nicht weiter auszustellen sind. Was nun die Anmeldung eines angenommenen, sowie die Ab meldung eines entlassenen Gesindes anlangt, so bestimmt die angc- zogene Verordnung vom Jahre 1835 hierüber, daß die Dienstherr schaften das anziehende Gesinde ebenso wie dessen Entlassung aus dem Dienste sofort bei ihrem Ortsrichter, welcher in der Regel das Ge- sindczcugniß führt, zu melden haben und setzt auf Unterlassung dieser An- und bez. Abmeldung» sowie auch auf Annahme der Dienst boten ohne Gesindebuch Geldstrafe von —- 25 Ngr. —- bis zu 5 Thaler oder verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe. Nicht selten glaubt endlich das landwirthschaftliche Gesinde das Recht zu haben, wenn es nur vier Wochen zuvor aufgekündigt hat, innerhalb des Dienstjahres den Dienst verlassen zu können. Auch diese Ansicht ist nach der gegenwärtig »och geltenden Ge- sindcordnung nicht richtig. Die Mielhzeit beim landwirtbschaftlichen Gesinde dauert gesetzlich ein Jahr, wenn nicht Anderes über die Dauer derselben verabredet worden ist, und hat daher das landwirth schaftliche Gesinde, wenn es nicht einen gesetzlichen Grund zum so fortigen Verlassen des Dienstes hat, das Jahr auszudienen. Eine vierwöchentliche Kündigung Seiten des Gesindes kann nur dann stattsindcn, a, wenn ein weiblicher Dienstbote zur Verhcirathung ge- langt, oder d, wenn ein männlicher Dicnstbote zu Anstellung einer eige nen Wirtbschaft vortheilhafte Gelegenheit erhält, die er durch Ausdaueruug der Miethzeit versäumen würde. Doch auch in diesen Fällen muß der Dienstbotc das laufende Vierteljahr aushaltcn, und darf erst von da an den Dienst, wenn er solchen der Dienstherrschaft vier Wochen zuvor gekündigt hat, noch vor Ablauf der gesetz- oder vertragsmäßigen Zeit verlassen, so jedoch daß er verpflichtet ist, die Herrschaft für das höhere Lohn, welches dem an seine Stelle gcmietycten Gesinde gegeben werden muß, zu entschädigen. In allen sonstigen Fällen kann das landwirthschaftliche Gesinde nur kündigen und zwar drei Monate vor Ablauf des Dienftjahres, wenn es im folgenden Jahre nicht fortdienen will. Zur Arbeiterfrage. (Der Lohn.) Der Lohn, d. h. die Vergütung für die Arbeit, ist der eigent liche Angelpunkt der Arbeiterfrage. H^r kreuzt sich das Interesse des Arbeiters mit dem des Arbeitgebers; denn der Arbeiter sucht natür lich seine Arbeit so gut als möglich zu verwerthen, der Arbeitgeber dagegen möglichst viele und gute Arbeit möglichst billig zu bekommen. Ließe sich nun das Verhältniß des Lohnes zur Arbeit ein für alle Mal zur Zufriedenheit beider Theile festsetzen, so wären die wider- streitenden Interessen versöhnt und die Arbeiterfrage mit einem Schlage aus der Welt geschafft. Dies ist ist aber geradeso unmög lich, wie das xerpetuum mobile oder die Quadratur des Zirkels; denn auf sozialem Gebiete herrscht, wie in der Natur, das Gesetz beständigen Wechsels und es durchbrechen zu wollen, ist nicht klüger, als gegen eine Mauer springen. Bestimmend ist für die Höhe des Lohnes in erster Linie das Ver- hältniß von Angebot und Nachfrage. Ist das Angebot von Arbeitern größer als die Nachfrage, d. h. bieten sich mehr Arbeiter an, als man braucht, so sinkt der Lohn, da man die besten und billigsten auswählen kann; ist dagegen die Nachfrage größer, so steigt der Lohn weil der Arbeiter dahin gehen wird, wo man ihm am meisten bieten wird; sind endlich Angebot und Nachfrage gleich, so bleibt der Lohn auf seiner bisherigen Höhe. So oft sich also das Verhältniß von Angebot und Nachfrage verändert, müssen Lohnschwankungen cin- treten. Aber diese Schwankungen haben ihre bestimmten Grenzen. Der tiefste Punkt, bis auf welchen der Lohn sinken kann, wird durch die Preise der nothwendigsten Lebensbedürfnisse bedingt. Ver dient der Arbeiter nicht mehr so viel, um für sich und seine Familie Nahrung, Kleidung, Wohnung rc. zu beschaffen, so geht er entweder zu einer lohnenderen Beschäftigung über, oder er wandert aus, da hin, wo der Lohn höher oder das Leben billiger ist, oder — er ver kommt. In jedem dieser Fälle verringert sich das Augcbol von Ar beitern und dies wird so lange dauern, bis in Folge des Arbeiter mangels die Löhne wieder hoch genug sind, um die Bedürfnisse der Arbcitcrbcvölkcrung zu decken. Der höchste Punkt, auf welchen der Lohn steigen kann, hängt von dem Gewinn der Arbeitgeber ab. Ist dieser Gewinn groß, so können die Löhne steigen, die Production wird dennoch fortgehen, wird er aber durch das stete Steigen der Löhne, die Vertheucrung des Rohmaterials und das gleichzeitige Stehcnblciben oder gar Sinken der Waarenpreise zu gering oder verschwindet ganz, so wird die thcuere Handarbeit durch Maschinen arbeit ersetzt, oder die Production wird eingestellt. Denn nur selten wird es vorkommen, daß ein Arbeitgeber mit Verlust weiter arbeiten läßt, und wo es geschieht, kann es nie lange dauern. Ob nun durch Maschinen oder durch Einstellung der Production Arbeitskräfte frei werden, die Folge kann immer nur die sein, daß die Arbeiter, die doch eben so wenig als andere Leute von der Luft leben können, sich zu niederen Lohnsätzen bequemen müssen. Das Einstellen der Production hat immer wenigstens den Ver lust der Zinsen vom Anlage- oder Grundkapital zur Folge; wir kön nen also Allen, welche unter dem gegenwärtigen Arbeitermangcl mit hohen Löhnen leiden, namentlich aber den Landwirthen, nur rathen, die fehlenden Hände durch Maschinen zu ersetzen. (H. Drf.-Ztg.) Tagesgeschichte. Wilsdruff, 17. Februar 1873. Während aus allen Theilen unseres Vaterlandes unserer Negier ung und dem Landtag eine wahre Fluth von Gesuchen um Ertheil- ung zu Conccssionen von Eiscnbahnbauten zugeheu, und die Regier ung und Landtag gleichzeitig bemüht sind, gerechtfertigten Wünschen nachzukommen, hört man von unserm Project Dresden-Wilsdruff- Altenburg jetzt so gut wie gar nichts! Woran liegt das? Steht es