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Wilsdruffer Tageblatt : 12.11.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192111126
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19211112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19211112
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-11
- Tag 1921-11-12
-
Monat
1921-11
-
Jahr
1921
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 12.11.1921
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Deutschen Werke. Die Entente hätte seinerzeit, so machte der Redner u. a. geltend, sich damit einverstanden erklärt, das; die für Kriegszwecke beschafften Rohstoffe und Fertigprodukte im Interesse einer Beschäftigung der Arbeiterschaft für Friedens zwecke umgearbeitet werden dürsten. So sind in insgesamt 14 Fabriken nunmehr 36 OM Arbeiter beschäftigt. Jetzt mit einem Male greift die Entente von neuem ein, obwohl jeder Verstoß gegen den Friedensvertrag tunlichst vermieden wor den ist. Große bauliche Umwälzungen haben wir srcilich nicht vornehmen können. Wenn aber jetzt unter diesem Vorwande die Entente in Hanau die Vernichtung der Schießbaumwoll vorräte verlangt, die zu Filmrollen verarbeitet werden sollen, so geht diese Forderung zu weit. Die Zerstörungsarbeiten, die überhaupt schon auf Veranlassung der Interalliierten Mili tärkontrollkommission ausgesührt wurden, haben allein 57 Mil lionen an Arbeitslohn erfordert, ohne die zerstörten Werke selbst cinzurechnen. Ähnlich ist es mit den Werken in Hasel borst und Erfurt, ferner mit den Werken in Spandau. Die Eingriffe, die hier verlangt werden, sind durch keinen Vertrag zu rechtfertigen. Es ist eine unerhörte Vergewaltigung, aus der der Gewalthaber nur seinen eigenen Vorteil ziehen will. Alle Parteien haben die Pflicht, dagegen zu protestieren und eine Einh^tsfront in der Abwehr zu bilden. Deutschland steht am Ende seiner wirtschaftlichen Kraft, das rufen wir der ganzen Welt zu. Durch solche Eingriffe wird dieses Ende noch beschleunigt. Reichsschatzminister Bauer, der die Interpellation beant wortete, schilderte das Zustandekommen der Deutschen Werke, die gemäß einer Entscheidung der Botscbasterkonferenz ins Leben traten und die Militärbetriebe zu Privatbetrieben um- gcstaltete. Damals dachte kein Mensch daran, daß die Mächte jemals einen entgegengesetzten Standpunkt einnehmen könnten. Jeder Verstoß gegen irgendwelche Verordnung der En tente ist peinlich vermieden worden. Es scheint danach, als ob ein gewisser Haudelsneid für das plötzliche ungerechtfertigt« Verlangen in Rechnung zu stellen sei. Der Wert der zu zer störenden Maschinen betrüg! rund zehn Millionen Mark. Diese Forderung geht über alles Blaß des Zulässigen hinaus. Begründet ist sie nicht, sie ist geradezu ungerecht. Dazu kommt die neue Gefahr der Arbeitslosigkeit von Tausenden von Arbeiterfamilien. Die Gemeinden werden in Mitleidenschaft gezogen. Ml einem Wort: es ist »ns unverständlich, wie vernünftig denkende Menschen zu so unbilligen Forderungen kommen können. Die Regierung steht seit drei Jahren in schwerem Ringen mit der Kontrollkommission. Es ist ihr in einzelnen Punkten gelungen, Linderung zu erlangen. In diesem Falle haben wir auf der Botschasterkonferenz mündliche Vorstellungen erhoben. Die Arbeiterschaft hat uns rundweg erklärt: wir rühren keinen Finger für die Zerstörung. Angesichts der Tatsache, daß die Deutschen Werke gerade mit Genehmigung der Entente ins Leben getreten sind, trifft die Entente selbst die moralische Schuld dafür, daß dieses klare Recht der Deutschen Werke zu einer Katastrophe verdreht worden ist. Abg. Ersing (Zentrum) nimmt Len Appell des Abg. Hoch, in dieser Frage die Parteiunterschiede zurücktretcn zu lassen, freudig auf. Was die Kontrollkommission hier geleistet habe, sei das größte Theater, was seit Friedensschlnß vorgetommen. Zweifellos ist es ein Akt der Rache und des Hasses, und Rach sucht und Hatz treibt das alte Europa in die Katastrophe. Wir schließen uns dem Protest unserer Reichsregierung an und bitten das Haus, den geschloffenen festen Willen des deutschen Volkes zu beweisen. Abg. Hartwig (Deutschn.) bedauerte, daß die Partei des Interpellanten selbst den Boden dafür vorbereitet habe, daß unser Protest unbeachtet blieb. Verantwortlich seien auch die Unterzeichner des Ultimatums. Die Wurzeln des ganzen Leides liegen darin, daß die Sozialdemokratie unser Volk da mit vergiftete, daß sie ihm einimpfte, wir hätten die Pflicht, um gutes Wetter zu bitten. Die Verhandlungen gehen schon auf den Juni zurück. Da hätte die Regierung Zeit genug gehabt, Maßnahmen zu treffen, denn schon damals waren die Werke der Ansicht, daß die Forderung der Entente eine Katastrophe bedeute. Der Kamps Frankreichs geht gegen das deutsche Ka pital, aber ebenso und besonders gegen die deutsche Arbeiter schaft. Aba. BrüninghauS (D. Volksp.) erklärte, die Mitglieder der Kontrollkommission scheinen diese Anordnung nur erlassen zu haben, um ihre Existenzberechtigung zu erweisen. Die sachlichen Ausführungen des Abg. Hoch billigen wir. Die Regierung muß mehr tun, um die Schuld Deutschlands am Kriege zu wider legen. In der Frage der deutschen Werke sollte ein kräftiger, einmütiger Protest gegen die Entente erhoben werden. UWMWSSSW!«SSWSSW»»»»«WWMSWS^ Der dritte Schuß. Kriminalroman, einer wirklichen Begebenheit nacherzählt von H. A. v o n B y e r n. „Darüber, das heißt über die angebliche Verstauchung, er laube ich mir, meine eigene Meinung zu haben, Herr Staats anwalt," bemerkte Stork gelaßen; „es kann ja sein, daß Sie Recht behalten, vorläufig will ich die aufgenommene Spur erst bis zum Ende weiter verfolgen, dann ist es schließlich immer noch Zeit zu neuen Vermutungen." „Es geht aber auch viel Zeit verloren," meinte Sarto rius gereizt. „Schwerlich; ehe nicht der Arzt hier war, läßt sich Näheres überhaupt nicht sagen." „Und was sollte nach Ihrer Meinung den Förster über haupt bewogen haben, das Mädchen zu töten?" „Ja, Herr Staatsanwalt, das frage ich mich auch, ich suche eben die Lösung dieses psychologischen Rätsels; vielleicht hätte ich sie schon gefunden, wenn Herr Leutnant Ramminger nicht durch sein Wort gebunden wäre, über einen gewissen Punkt in Jansens Vergangenheit Stillschweigen zu bewahren. Und nun noch eins, meine Herren: Sie sind beide Jäger, halten Sie es da für wahrscheinlich, daß Hunde, die ein Reh gerissen haben, am anderen Tage imstande sind, diese Stelle wiederzusinden?" „Aller Voraussicht nach, ja, da doch das Erdreich mit Schweiß getränkt sein muß," entgegnete Ramminger. „Aber, Herr Kommissar, Sie verzeihen, was veranlaßt Sie zu dieser von unserem Thema doch etwas sehr weit abweichenden Frage?" Stork erhob sich lächelnd: „Morgen, Herr Leutnant, morgen! — Jetzt wollen wir noch ein paar Stündchen 'rum- fchlafen, um für die uns bevorstehenden Anstrengungen und Ueberraschungen des kommenden Tages recht frisch zu sein. Herr Staatsanwalt, Sie sind wohl so freundlich, mir das Zim mer zu zeigen, der Kutscher sagte mir wenigstens, daß Frau von der Lehe liebenswürdigerweise angeordnet habe, eine Fremden stube für mich in Stand zu setzen. — Und nun, Gute Nacht. Herr Leutnant, immer Kopf hoch! Wir werden die Sache schon deichseln!" Noch ein kräftiger, fast herzlicher Händedruck, dann war Ramminger allein. Bald erlosch ein Licht nach dem anderen, Schloß Dobra versank in Dunkelheit. — Nur hinter den Vorhängen der Zim mer, die Ramminger bewohnte, glomm ein matter Schein hin aus. — Angekleidet warf sich der Leutnant aufs Bett. — In die Stille, die ihn lastend umgab, drang das Raunen der nahen Bäume, bald schwächer, bald stärker, aber niemals verstummte es ganz, brandend und wogend wie das ferne Wellenrauschen des Meeres, eine einförmige Melodie: „Scheiden! — Scheiden!" Abg. Gothein (Dem.) erklärte, gegenüber den Verfügungen Nollets kann man nur sagen: Ist es auch Wahnsinn, hat es doch System. Uns bleibt nur die Flucht in die Öffentlichkeit. In dem Protest gegen das Unrecht sollten wir uns alle ver einen. Abg. Brandes (U.-Soz.). Die Empörung über die Ver fügungen der Entente ist berechtigt; selbst im Auslande hat man schon das Gefühl, daß auf diese Weise Europas Gesun dung nicht gefördert wird. Wenn aber die Entente noch immer militärische Bedenken ins Feld führt, so trägt allein die Agi tation der reaktionären Parteien die Schuld. Der Fall der „Brüder vom Stein" hat das wieder klar bewiesen. Abg. Schirmer (Bayer. Volksp.) schloß sich dem Protest gegen die Gewalttätigkeit der Entente an. Die Regierung müsse den Franzosen sagen: „Bis hierher und nicht weiter." Abg. Malzahn (Komm.) wandte sich ebenfalls gegen die Gewalttat der Entente. Es dürfe aber kein nationalistisches Getue dabei mitspielen. Damit war die Besprechung erledigt. Zu dem Nachtrag zur Beamtenbesoldungsord- nung erhoben die Abgeordneten Lüb bring (Soz.), Hoesle (Zentr.) und Vogel (Deutschn.), Morath (D. Volksp.), Frau Zietz (U.-Soz.) und andere verschiedene Ein wände. Dann wurde die Vorlage einem Ausschutz überwiesen und die Sitzung schlotz. politische Rundschau. Deutsches Keich. 33 französische Generale in Deutschland! Uber die ungeheuerliche Verschwendung beim fran zösischen Besatzungsheer geben folgende Notizen eines Pa riser Blattes Aufschluß: Die Kosten der Rheinarmee sind mit 460 Millionen Frank in das Budget für 1922 gestellt. 90 414 Offiziere und Soldaten halten die „Wacht am Rhein", die zahlenmäßig wie folgt verteilt sind: 33 Gene rale (!), 610 Offiziere höheren Grades, 2822 Offiziere ge ringeren Grades, 7931 Unteroffiziere, 10 350 Korporale und Gefreite, 68 678 Soldaten, d. h. für 86 950 Mann sind nicht weniger als 3460 Offiziere nötig, also ein Offizier für 25 Unteroffiziere und Soldaten. Und nach dem Bud get soll die Zahl der Generale anscheinend noch vermehrt werden, natürlich auf Kosten Deutschlands! Kein Einspruch gegen die Beamtenbesoldung. Von zuständiger Stelle wird mitgeteilt, daß die Re- yarationskommission keinen Einspruch gegen die neue Re gelung der Beamtenbcsoldung erhoben hat und daß die Nachricht Ler Blätter, Lieser Einspruch sei erst nach län geren Verhandlungen zurückgezogen worden, unzutref fend ist. Rohstoffe und Lebensmittel aus Amerika? Der deutsche Staatssekretär Bergmann, der sich gegen wärtig in den Vereinigten Staaten befindet, soll dort nach aus Washington kommenden Meldungen mit den maß gebenden Finanzkreisen über einen kleinen Kredit, einen von 30 bis 40 Millionen Dollar, verhandelt haben. Für diese Summe wolle Deutschland Rohstoffe und Lebens mittel einkaufcn. Entfernung belgischer Kinder aus deutschen Schulen. Amtlich ist festgestellt worden, daß ein Verbot der Auf nahme von Schülern deutscher Nationalität für die belgi schen Schulen besteht. Im Einverständnis mit dem Reichs minister des Innern hat der preußische Minister für Volks bildung bestimmt, daß Schüler belgischer Nationalität so lange nicht in deutsche Schulen ausgenommen werden, als gleiches Verbot für deutsche Kinder in Belgien nicht aufge hoben ist. Die deutsche Bestimmung gilt jedoch nicht flir das besetzte Gebiet. Ztatten. X Generalstreik infolge politischer Kämpfe. In Rom wurde der Generalstreik ausgerufen im Anschluß an meh rere heftige Zusammenstöße zwischen Eisenbahnarbeitern und den Faszisten (Nationalisten). Die Kämpfe entwickel ten sich mit Heftigkeit trotz des kürzlichen Friedensschlusses zwischen Faszisten und Sozialisten! Ein Eisenbahnarbei- ter wurde erschossen. Ein mit Faszisten von Mailand kommender Eisenbahnzug mußte wegen des Eisenbahner streiks auf dem Bahnhof Portonaccio liegen bleiben. Eine Gruppe der Faszisten begab sich in die Stadt und wurde bei ihrer Ankunft in der Vorstadt San Lorenzo mit Revol verschüssen empfangen, durch die ein Faszist getötet und drei verwundet wurden. Norwegen. X Eine Volksabstimmung für und gegen den Alkohol. Bei den vor kurzem abgehaltenen Wahlen zum norwegi schen Parlament spielte auch die Frage des Alkoholverbots als Wahlparole eine wichtige Rolle. Im September hatten die Regierungsparteien mit einer Stimme Mehrheit be schlossen, daß das provisorische Verbot einer beschränkten Alkoholerzeugung und Einfuhr dauernd aufrecht bleiben solle. Frankreich, Spanien und Portugal haben darauf mit einer Erschwerung der Einfuhr norwegischer Fische nach ihren Märkten geantwortet, weil durch das norwegi sche Verbot die Weinbauern dieser drei Länder geschädigt werden. Bei den Wahlen hat die Opposition keine Mehr heit gegen die antialkoholische Politik zustande gebracht, jedoch ist es möglich, daß sich die Regierung für eine Volksabstimmung über das jetzige beschränkte Alkobolver- bot entschließt. Ein Sparsamkeiisprogramm? Einschränkung derBesatzungsko st en. Es ist noch nicht so weit, aber man denkt wenigstens daran, einen Versuch zu machen. Diese Einschränkung muß man mehr oder minder bei allen Unternehmungen vorausschicken, die von der Entente zur Besserung unserer Lage geplant werden. So auch bei den Bestrebungen auf Herabsetzung der Okkupationskosten und der Unterhal tungskosten der verschiedenen Zivilverwaltungen im be setzten Gebiet. Bis jetzt liegt nur ein Kommissionsbericht vor, der die Höhe der Ausgaben für das Besatzungsheer festgestellt hat. Dabei ist man zu dem Ergebnis gekommen, daß die Kosten für das Jahr 1922 um 22 Millionen ge ringer sind als für die vergangenen Jahre. Man hat nun ein Programm ausgestellt, in dem allerdings nicht die zu erzielende Herabsetzung der Ausgaben beziffert ist, das aber betont, daß durch gemeinsame Anstrengungen ein Er folg zugunsten der Reparationen erzielt werden müßte. Die überflüssigen Kommissionen. Man hat ferner festgestellt, daß außer der interalliier ten Oberkommission für die Rheinlande, deren Tätigkeit mit der Okkupation aufhört, die meisten vom Friedensver trag vorgesehenen Kommissionen, deren Lasten Deutschland zufallen, ganz oder teilweife demnächst ihreArb eit be endet haben werden. Man will nun dem Obersten Rat Vorschlägen, die rheinische Oberkommission zu ersuchen, in eine ernstliche Prüfung der Maßnahmen einzutreten, die die Herabsetzung der Kosten aller Kategorien von Aus gaben herbeiführen könnten, damit sie auf ein mit ihrer Mission im Einklang stehendes Minimum zurückgesührt werden könnten. — Es wäre dringend zu wünschen, daß der Abbau der überflüssigen Milliardenkosten für Besatzung und Kommissionen nun auch möglichst bald in die Tat um gesetzt würde, denn gerade diese tragen in stärkstem Maße zu unserem Finanzelend bei. Äber den Parteien. Die Aufgabe der Demokratie. Ein führender Demokrat, der seinerzeit als Sachver ständiger im Untersuchungsausschuß besonders hervorge tretene Professor Bonn veröffentlicht in einem Berliner Blatt einige grundsätzliche Bettachtungen über das Wesen und die Aufgaben feiner eigenen Partei, wobei er zunächst zu der interessanten Folgerung kommt, daß die Demokra- Auch Ruth von der Lehe fand keinen Schlaf in dieser Nacht; mit heißen, brennenden Augen starrte sie hinaus in das Dunkel der Herbstnacht. * * -i- Im Osten kündete ein opalartiger Schein den nahenden Morgen. Ramminger stand am weitgeöffneten Fenster. „Guten Morgen, Herr Leutnant! Nach einer geruhsamen Nacht srage ich nicht erst; man pflegt solch ein Abenteuer wie das gestrige nicht so schnell zu verwinden!" Ramminger war bei dem Klange der Stimme gerade unter seinem Fenster nervös zusammengefahren. „Guten Morgen, Herr Kommissar! Sie können doch un möglich schon ausgeschlafen haben?" „Ja, wissen Sie, wenn ich im Berufe bin und gerade mal einen recht interessanten Fall habe, dann ermüde ich nicht so leicht; 's ist komisch, aber in diesem Zustande fühle ich mich am wohlsten. Die Untätigkeit, das alltägliche Einerlei des Klein dienstes sällt mir viel mehr auf die Nerven. — Uebrigens, Herr Leutnant, hoffentlich stört es doch niemanden, wenn wir uns hier zu so früher Morgenstunde unterhalten." „Die Damen schlafen nach der anderen Seite heraus, höchstens Doktor Sartorius!" „Der ist auch schon längst wach, mein lieber Werner," er tönte die Stimme des Staatsanwalts aus dem daneben ge legenen Fenster, „aber zum Donnerwetter, Herr Kommissar, weshalb krauchen Sie denn in aller Herrgottsfrühe schon hier draußen herum?" „O, ich habe meine kleine Entdeckungsreise von gestern abend noch ein bißchen sortgesetzt und dabei allerhand Inter essantes gefunden, vor allem: hier auf dem Kiesweg die Spur mit dem merkwürdigen Absatz, dessen Abdruck wir auf den Blättern fanden. Sehen Sie dort die große, einzelne Blut buche? — Ja, dort hat also unser großer Unbekannter den Weg verlassen und ist quer über die Wiese nach dem hohen Lichen- bestände gegangen, dort hatte es natürlich keinen Zweck, noch weiter nach der Fährte zu suchen. Wohin kann übrigens der Mann in dieser Richtung seinen Weg fortgesetzt haben, Herr Leutnant?" „An dieser Stelle geht der Park allmählich in den eigent lichen Wald über." „Aha! Wo mag von hier aus etwa die Försterei liegen?" „Genau in derselben Richtung, ich habe, um abzuschneiden, oft selbst diesen Weg benutzt." Stork hatte sich umgewandt und blickte aufmerksam nach dem Waldrande. „Wenn ich nicht erst die Sektion abwarten wollte, würde ich mich am liebsten gleich auf den Kriegspfad begeben, aber erst muß ich doch wissen, was es mit dem Ende des Mädchens auf sich hat. — Wann könnte wohl der Gerichtsarzt eintreffen, Herr Staatsanwalt?" „Eigentlich hatten wir Dr. Abresch schon gestern erwartet, und ich hosste, daß er in demselben Wagen mit Ihnen zugleich ankommen würde. Suckow, der Kutscher berichtete mir aber, daß ihm der Doktor aufgetragen habe, zu bestellen, es sei ihm, da er unbedingt noch einige Schwerkranke besuchen müsse, ganz unmöglich, meiner Bitte sofort Folge zu leisten, er wolle aber heute so früh wie möglich hier eintreffen. Schließlich hat der Mann recht, er braucht auch mal Ruhe und kann nicht Tag und Nacht draußen Herumjockeln. So'n Landarzt ist wirklich nicht zu beneiden, und helfen konnte er in diesem Falle doch nicht mehr, die Obduktion kommt immer noch rechtzeitig." „Ja, freilich," bestätigte der Kommissar. „Inzwischen habe ich Inspektor Lankwitz gebeten, sich ins Gemeindehaus zu be geben, wo die Tote liegt, damit wir dann alles bereit finden. Ich will nun selbst noch mal hinübergehen, um zu sehen, ob der Stiefelabdruck und der Spitzenrest zu meiner Vermutung passen. Guten Morgen, meine Herren!" Als Stork auf den Schloßhof trat, um von dort aus auf die Dorfstraße, die nach dem Gemeindehaus sührte, zu ge langen, bemerkte er ein junges Mädchen, das in dem halb geöffneten Schloßportal stand und durch lebhaftes Winken offenbar seine Aufmerksamkeit zu erregen suchte. „Wünschen Sie mich zu sprechen?" fragte Stork näher tretend. Das Mädel zögerte einen Augenblick: „Sie sind doch der Herr aus der Stadt? Der von der Polizei meine ich?" „Ich bin sowohl aus der Stadt als auch von der Polizei," erwiderte der Kommissar, sichtlich belustigt. „Na, was gibt's denn so Wichtiges?" „Das gnädige Fräulein läßt den Herrn dringend bitten, falls es seine Zeit erlaubt, auf ein paar Minuten näherzutreten; das gnädige Fräulein erwartet den Herrn bereits!" „Bitte!" Die Zofe huschle schnell auf den Flur und Stork folgte ihr in ein großes, saalartiges, zu dieser frühen Stunde noch ziem lich düsteres Gemach, aber im Kamin prasselten schon ein paar klobige Buchenscheite und die rote Glut schuf ein warmes, Helles Plätzchen. Dort saß in einem tiefen Sessel eine schlanke Mädchen gestalt, die sich aber beim Eintritt des Kommissars rasch erhob und ihm entgegenschritt. „Ich danke Ihnen herzlich, daß Sie meine etwas seltsam erscheinende Zumutung so bereitwillig erfüllt haben, Herr —" Stork, ein ehemaliger Offizier, fand sich in dieser aller dings etwas ungewöhnlichen Lage sofort zurecht. (Fortsetzung folgt.)
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