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Wilsdruffer Tageblatt Fernsprecher WU-druff Nr. 6 Wochenblüli fÜl WUdkUss UNd ^MgegMd Postscheckkonto Leipzig 286^4 Dieses Blakt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des ZorstrentamtS Tharandt Verleger mck Drucker: Arthur Zschuuke iu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 46. Donnerstag den 24. Februar 1921. 8V. Jahrgang. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Reparationskomm'ssion hat in einer Note an die deutsche Regierung die Fristen für die bis zum 1. Mai zu er ledigend? Festsetzung der Entschädigungssumme festgesetzt. * Gemäß einem Beschluß der Londoner Konferenz soll die Abstimmung in Oberschlesien am 20. März stattfinden. * Nach den bisherigen, fast lückenlosen Wahlergebnissen wird der preußische Landtag aus 421 Abgeordneten bestehen. Er tritt am 10. März zusammen. * Die Montenegriner haben den Serben den Krieg erklärt und die Feindseligkeiten eröffnet. Gemeinsame Abstimmung Gerade wenn man es am wenigsten erwartet, kommt zuweilen eine gute Botschaft, auf die man gar nicht mehr gerechnet hatte. So hören wir jetzt plötzlich aus London, daß die dort versammelte Entcntekonserenz beschlossen habe, dieoberschlesischenLandeseinwohner und die auswärts wohnenden Abstim mungsberechtigten an einem Tage oder, wie es in der amtlichen Meldung heißt, zu gleicher Zeit ab stimmen zu lassen. Eine Selbstverständlichkeit, wenn man sich der Bestimmungen erinnert, die der Versailler Frie densverlrag über die Zukunft Oberschlesiens getroffen hat. Ein Akt der Gerechtigkeit jedoch, wenn man sich die wüten den Agitationen ins Gedächtnis zurückruft, mit denen die Polen die getrennte Abstimmung jener zwei Gruppen von Oberschlesien durchzusetzcn versuchten. Es ist wenig, blut wenig, was mit dem Londoner Beschluß erreicht worden ist, aber es ist doch etwas. Wenn es nach den Polen gegangen wäre, Hütten die aus Oberschlesien ausgewanderten Stimmberechtigten überhaupt nicht an der Entscheidung über das Schicksal ihrer Heimat mehr teilnehmen dürfen. Sie sprachen und sprechen wohl auch jetzt noch von „Emigranten", als han delte es sich um Leute, die, des Lebens am Ort ihrer Ge burt überdrüssig, den Staub ihrer Kindheit, ihrer Jugend von den Schuhen geschüttelt hätten und in fremde Länder gezogen wären, um dort ihr Glück zu versuchen. So sollte bei denjenigen, die ein Wort bei der Sache mitzureden haben, mit aller Gewalt die Vorstellung erzwungen wer den, als handle es sich bei Oberschlesien wirklich um ein eigenes Land, ein eigenes Staatswesen, das nur von der harten Barbarenfaust der Deutschen seiner Selbstbestim mung wider Recht und Moral entzogen würde. Diese „Emigranten" hatten in Wirklichkeit nur ihren Wohnsitz nach anderen Teilen des Reiches verlegt, weil sie so im Mutterschoße der deutschen Kulturgemeinschaft verbleiben konnten, und sie hingen mit um so treuerer Liebe an ihrer Heimat fest, als sie durch hundert Fäden mit ihr verbunden blieben. Aber den Polen waren sie ein Greuel, und sie fetzten alle Hebel in Bewegung, um sie von der Abstim mung fernzuhalten. In Paris fanden sie damit nur zu williges Gehör. Man beglückte uns von dort aus mit Noten» in denen uns die Wahl gelassen wurde, ob wir die auswärt^wohnenden Abstimmungsberechtigten vielleicht nach Köln verfrachten wollten, damit sie dort unter wohl bestallter Entente-Aufsicht ihr Wahlrecht ausübten, oder ob wir zwei verschiedenen Abstimmungsterminen den Vorzug geben wollten. Mit Entrüstung lehnte die deutsche Regie rung den einen wie den andren Vorschlag ab und bestand aus den verbrieften Zusicherungen des Friedensvcrtragcs. Seitdem ließ der amtliche Mund des Obersten Rates in dieser Sache nichts mehr von sich hören. Unverbindlich wurde aber die Sache so behandelt, als wäre die An setzung getrennter Abstimmungstage fest beschlossen und unabänderlich. Inzwischen ließ man der Interalliierten Kommission in Oppeln freie Hand zur Vorbereitung des Abstim mungswerkes — und diese schenkte allerdings den polni schen Einflüsterungen so gründlich Gehör, daß den Herren in Paris und London nach dieser Seite hin Wohl kaum noch etwas Wesentliches zu tun übrig blieb. Schon ihre allgemeinen Bestimmungen räumten mit den abgewander ten Oberschlesiern gehörig auf; überdies wurden die sor- mellen Vorschriften für die Anmeldung und Eintragung in die Abstimmungslistcn mit einer solchen Fülle von Fall stricken ausgestattet, daß es fast schwer, wenn nicht un möglich war, ihnen zu entgehen. Danach glaubt man vielleicht endlich den Polen auch einmal einen Wunsch ver sagen zu dürfen, im Vertrauen darauf, daß diese „Ver tragstreue", diese „Gerechtigkeit" den lieben Freunden in Warschau und Lemberg nichts mehr schaden werde. Der britische Ministerpräsident hat allerdings kürzlich in seiner Unterhausrede eine Bemerkung eingcflochten, die wie ein leiser Tadel gegen die unbegrenzte Ländergier der Polen sich ausnahm. Er sprach davon, daß es unmöglich angehe, Gebiete, die vor 500 Jahren vielleicht einmal einer ande- ren Staatshoheit unterstanden, jetzt wieder aus imperiali stischen Beweggründen von ihrer gegenwärtigen Staats- und Kulturgemeinschaft loszureißen. Aber bei Lloyd Ge orge kann man nie wissen, ob oder wie weit es ihm ernst ist mit dem, was er sagt. Jedenfalls sind in Ober schlesien die Dinge so weit gediehen, auch dank der Schreckensherrschaft, die Herrn Korfanty auszuüben seit Monaten erlaubt wurde, daß die Deutschen nur noch mit Aufbietung äußerster Krastanstrengungen hoffen können, ru ihrem Rechte zu aelanaen An diesen Krastanstrengungen werden sie es nicht feh len lassen, weil sie wissen, daß für Oberschlesien, für das Deutsche Reich Leben und Sterben von der Ent scheidung des Abstimmungstages abhängt. -ü Abstimmung am 20. März. Die Londoner Meldung über die gleichzeitige Ab stimmung in Oberschlesten wurde auch von Paris aus bestätigt. Weitere Einzelheiten liest man in den Pariser Blättern. Die Londoner Konferenz hat danach beschlossen, die ausgewanderten Oberschlesier an demselben Tage wie die Einheimischen abstimmen zu lassen und den Abstim mungstermin aus den 20. März fest zufetzen. Falls dieses Datum aus irgendeinem Grunde nicht sollte eingehalten werden können, dann sollte die Abstimmung an einem dem 20. März nahekommenden Tage erfolgen. Die englische Regierung habe sich verpflichtet, der inter alliierten Kommission in Oberschlesien zur Ausrechtcrhal- tung der Ordnung während der Abstimmung vier englische Bataillone zur Verfügung zu stellen. * Lloyd George gegen Briand. Im „Echo de Paris" erscheint eine Darstellung der Londoner Verhandlungen, nach denen es zwischen Lloyd George und Briand zu lebhaften Auseinandersetzungen wegen der oberschlesischen Frage gekommen sei. Briand habe sich auf den Standpunkt gestellt, die von dem Obersten Rat getroffenen Maßnahmen müßten aufrechterhalten und die gefaßten Beschlüsse dürften nicht rückgängig gemacht werden. Er erinnerte Lloyd George daran, daß dieser der französischen Regierung den Vorwurf gemacht habe, sie wolle die Abmachungen von Boulogne nicht einhalten, und jetzt wolle er selbst den von den Alliierten gefaßten Be schluß umfloßen. Frankreich habe die größte Verantwor tung, da es die meisten Truppen in Oberschlesien bereitge- stell« habe, während England nicht einen einzigen Mann stelle. General Le Nond habe erklärt, daß eine Gefahr für Oberschlesien darin bestehe, wenn die außerhalb Ober- schlesiens Wohnenden mit den dort Ansässigen zur selben Zeit abstimmcn würden. Lloyd George ließ sich dadurch nicht überzeugen, sondern sagte nunmehr, er werde aber vier Bataillone nach Oberschlesien entsenden. Die Unter redung, sagt „Echo de Paris", sei äußerst unangenehm ge wesen und habe zwei Stunden gedauert, danach habe Briand sich entschlossen, sich zu unterwerfen. Es sei mög lich, daß der gefaßte Beschluß unangenehme Folgen haben werde. Die Nerchsiagsnachwahlen. Schleswig-Holstein und Ostpreußen. Bei der Reichstagsnachwahl in Schleswig-Holstein erhielten Mandate die: Deutschnationalen 2, Deutsche Volks partei 2, Demokraten 1 und Mehrheitssozialisten 4. In Ostpreußen stehen noch zwei Bezirke aus. An Stimmen erhielten bisher: Mehrheitssozialisten 214 647 Zentrum 87 696 Demokraten 50 083 Deutschnationale Volkspartei 277 590 Unabhängige 51746 Deutsche Volkspartei 136 987 Kommunisten «7 562 Mittelstandspartei 9 565 Polen 11623 Danach würden Mandate erhalten: Sozialdemo kraten 4, Zentrum 1, Demokraten 1, Deutschnati-onale 5, Un abhängige 1, Deutsche Volkspartei 2. Kommunisten 1. Der neue preußische Landtag 421 Abgeordnete. Das vorläufige Gesamtergebnis der preußischen Land tagswahlen hat nicht eine Verminderung, wie man zu nächst annahm, sondern eine Vermehrung der Abgeord netensitze gebracht. Am 26. Januar 1919 zogen 402 Ab geordnete in die Preußische Landesversammlung ein, jetzt werden 421 Vertreter des Volkswillens im neuen Land tag vorhanden sein. Die wechselnde Anzahl erklärt sich aus der Bestimmung, daß auf 40 000 abgegebene Stimmen ein Abgeordneter kommt, überschießende Wahlstimmen werden auf die Landeswahlvorschläge ungerechnet, aus denen sich dann neue Mandate ergeben. Bei dieser Wahl waren cs 35, die sich auf die verschiedenen Parteien verteilen. Die endgültige Zusammensetzung. Gewählt sind am 20. Februar nach den letzten Fest stellungen, an denen sich durch die noch vorzunehmende amtliche Überprüfung kaum etwas ändern dürfte, 399 Ab geordnete. Dazu treten die bisherigen 22 Landesver- jammlungsabgeordnete des Wahlkreises 9 (Ober- schlcsien), wo nicht gewählt wurde, Gesamtzahl also 421. Sie verteilen sich wie folgt auf die einzeluen Par ¬ teien. Die zweite Ziffer gibt die Partcistärkc in der Lan desversammlung von 1919 an. 1921 1919 Mehrheitssozialisten 113 (145> Zentrum (cinschl. Welfen) 90 ( 94) Deutschuationale Bolksp. 73 ( 48) Dentschc Vollspartci 57 ( 231 Bereinigte Kommunisten 30 ( -) Unabhängige 28 ( 24) Demokraten 26 ( 65) Wirtschaftspakte? 4 ( -) Schleswig Holsteiner — - ( D Welfen — ( 2) zusammen 421 (402) Für Obcrschlesien gehen 22 Mitglieder der früheren Landesversammlung mit in den neuen Landtag, und zwar elf Zentrumsmiiglicder, sieben Mehrheitssozialisten, zwei Unabhängige, ein Deutschnationaler und ein Demokrat. 4 171 286 2 964 602 2 892 000 2 26« 587 1 207 695 1055 023 977 463 187 345 Der Rest der insgesamt abgegebenen 15 951 338 Stim men entfällt auf die polnische und die fraktionslose Partei, Wie auf zersplitterte Stimmen. * Sozialdemokraten Zentrum Teutschnatiou-ale Deutsche Volksvartci Kommunisten Unabhängige Dcutschdcmokraten Wirtschaftspartei 15 951338 abgegebene Stimmen. Tie Zahlen der ans die einzelnen Parteien entfallcm den Stimmen sind folgende: . Ltmbrldung der preußischen Negierung? Berlin, 22. Februar. Nach amtlicher Veröffentlichung fand heute eine Dc- sprechnug zwischen den in der Rcichsrrgierung vertretenen Parteien über die durch die preußischen Wahlen geschaffene Lage statt. ES bestand volle Einmütigkeit darüber, daß ans eine Lösung hingcwrrkt werden müsse, bei der die RegierungenimN eiche undinP re utzcnvon dcrselbenParteikoalitiongetragen werden. Es wurde vereinbart, daß von diesem Gesichtspunkt aus ein einheitliches Vorgehen der in der Reichsregierung ver tretenen Parteien bei der Neubilduna der preußischen Rs- gicrnng angestrebt werden soll. * Die angestrebte Einheitsfront. k. Berlin, 22. Februar. Welchen Einfluß der Ausfall der Landtagswahlen auf die Zusammensetzung der preußischen Regierung haben wird, steht noch nicht sest. Von mehreren Seiten wird die, wenn auch nicht durch Mandatszuwachs, so doch durch die veränderte Sachlage gestärkte Steülmg des Zentrums hervorgehoben, die sich bei dem Eintritt neuer Männer in das Ministerium bemerkbar machen werde. Diese neuen Männer würden bestimmt kommen, wenn auch das jetzige Kabinett am Ruder bleiben dürfte, da ja noch immer eine Mehrheit sür die bisherige Koali tionsregierung vorhanden sei, die sich unter Umständen durch die Heranziehung derDeutschenVolkspartei verbreitern könnte. Die Mehrheitssozialdemo krat l e , als die stärkste Partei, soll geneigt sein, gegebe nenfalls dem Zentrum den Ministerpräsidenten zu über lassen, dafür aber die beiden wichtigsten Ämter, das des Innern und der Landwirtschaft, für sich bean spruchen. Falls die Deutsche Volkspartei in die preußische Regierung eintreten sollte, verlangten die Mehrheitssozia listen Teilnahme an der Reichsregierung in gleichem Maß stabe. Das Zentrum soll mit dieser übereinstimmenden Ordnung der Dinge im Reiche und in Preußen einver standen sein. Für dieVerhandlungenin London sei die Schaffung einer Einheitsfront bei preußischer und Reichsregierung sehr wünschenswert RuhrgebLei sder Mamlims. Französische Pläne. In der französischen Presse tauchen immer wieder neue Kombinationen aus iu bezug aus die militärischen Maßregeln, die gegen Deuschland ausgcfühn werden sollen, falls in Loudon ein Einverständnis über die Ent- schädigungssrage nicht zustande kommen würde. Die über triebenen Nachrichten, die die nationalistische Presse von der Besetzung des Ruhrgebietes zu melden wußte, sind von der Regierung dementiert worden; venn sie hatten die Wirkung, das französische Publikum in stärkerem Maße zu beunruhigen als das deutsche, weil die Durchführung derartiger Pläne die seit zwei Jahren versprochene Herab setzung der Militärdienstzeit von neuem hinausschieben würde. Das Gcwerkschaftsblart „Le Peuple" glaubt ver sichern zu können, daß die Regierung Briand überhaupt nicht mehr an die Besetzung des Ruhrgebiets denke, weil diese mit Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Folgen eine sehr