Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 28.01.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-01-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192101282
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19210128
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19210128
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-01
- Tag 1921-01-28
-
Monat
1921-01
-
Jahr
1921
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 28.01.1921
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
erkennen an, sagte die Ncbnenn, daß Fehlurteile Vorkommen, erleben aber deswegen nicht wie die Kommunisten den Vor wurf der dauernden Rechtsbeugung. Wir Frauen halten die Verfassung nicht für eine Sammlung schöner Sentenzen, son dern wir sind so naiv, sie wortwörtlich zu nehmen. Darum müssen wir verlangen, daß die Frauen ganz gleichberechtigt mit den Männern als Schöffen und Geschworene zugclassen werden. Wir verlangen weiter, daß bei der Auswahl der Schössen und Geschworenen alle Bevöltcrungsschichten berücksichtigt werden. Die Rednerin begründet einen Antrag der weiblichen Abgeordneten sämtlicher Parteien für Zulassung von Frauen zum Nichteramt. Alle juristischen Prüfungen sollen den Frauen zugänglich sein, auch die Stellung als Staatsanwalt und Rechtsanwalt. Weiter betonte die Rednerin, daß eine zeitgemäße Reform des Fd- milienrcchtes notwendig sei. Das Scheidungsverfahren sei eine unerträgliche Prozedur geworden. Ferner seien besser zu schützen die Rechte der Ehefrau. Bei allen Fragen der Rechts pflege darf nie vergessen werden, daß es zweierlei Geschlechter gibt. Reichsjustizminister Heinze erklärte sich jederzeit bereit, über die Kriegsverbrecher mündlich Auskunft zu geben. Zu den Frauenanträgen bemerkte er, daß die geplanten Änderun gen hinsichtlich der unehelichen .Kinder dem Hause demnächst zu gehen würden. Familienrccht und Frauengüterrecht würde seinerzeit bei der Revision des Bürgerlichen Gesetzbuches mit erledigt werden. WaS die Zuziehung der Frauen zum juristi schen Beruf anlange, so seien sie schon jetzt zur ersten Prüfung -»gelassen. Die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau werden die weiteren Wege Weisen. Die übrigen Fragen werden r ei dem Jugendgesetz herangczogen werden. Die Frage der Zulassung der Frauen zu den Richterstellungen müsse'ange sichts der großen Bedenken mancher Volkskreise erst reiflich er wogen werden. Eine Überstürzung würde hier nur Schaden stiften. Abg. Sauerbrey (U. Soz.) hielt an der Auffassung fest, daß die Arbeiter anders behandelt würden, wie z. B. der Fürst Eulenburg. Manches habe sich ja in der Rechtspflege ge bessert, aber im allgemeinen liege sie noch sehr im argen. Der Redner beklagte sich über die schlechte Verpflegung und Behand lung der Untersuchungsgefangenen und forderte, daß dis Ge- sängnisarbeiter dem freien Arbeiter keine Konkurrenz machen dürfen. Die Justiz habe stets den Kapitalismus geschützt, was aus der Stellungnahme des Reichsgerichtes zum Streik her vorgehe. Weiter ging der Redner auf verschiedene Einzelfälle ein. Dabei kam er auch auf das Geständnis des Jägers Runge in der Mordsache Liebknecht—Rosa Luxemburg zu sprechen. Weiter behandelte der Redner das Vorgeben der Justiz gegen Krupp und den General Ludendorff. Die deshalb gegen die Justiz gerichteten Angriffe wurden vom Reichsjustizminister Heinze zurückgcwiesen. Die Unter suchung gegen den General von Ludendorff habe ergeben, daß nichts Belastendes gegen diesen vorliege. Hier ries man von der Linken her: „Eine Krähe hackt der anderen nicht die Augen aus!" Und gegen Kapp sei alles geschehen, was geschehen konnte. Reichsjustizminister Heinze, in seiner Rede fortfahrend, wandte sich dann noch mit besonderer Schärfe gegen den Vor redner, der u. a. gesagt hatte, wenn die Arbeiter nicht ihr Recht erhielten, dann würden sie es sich mit Gewalt holen, Der Minister warnte die Arbeiter entschieden vor einem solchen Vorgehen, denn ihrer Gewaltanwendung würde mit der gan zen Reichsgcwalt entgegengetreten werden. Daraus sprach der Abg. Levi (Komm.). Er versuchte dar zulegen, daß die Arbeiter bei dem Amncstiegesetz schlecht wea- lommen, was er durch Einzelbeispiele zu beweisen suchte. Die Verhandlungen zogen sich noch geraume Zeit hin. Hilfe für Österreich! „Ein ganz unerträglicher Zustand« Die in Paris versammelten Ententeminister beschäftig ten sich auch mit der traurigen Lage Österreichs. Der Franzose Seydoux erklärte, Österreich brauche zunächst 81) Millionen Dollar. Dafür sollen Lebensmittel und Roh stoffe gekauft werden. Ferner brauche Österreicher die nächsten Jahre weitere 170 Millionen Dollar. Seydoux machte dann verschiedene Vorschläge, wie diese Kredite zu stande kommen könnten. Lloyd George unterbrach ihn hier und sagte, das fei alles recht gut und schön, man wisse nur nicht, wer diese Niesensumme zur Verfügung stellen werde. Auch Briand und Graf Sforza griffen in die Debatte eln. Letzterer erklärte, es sei ein ganz unhaltbarer Zu stand, daß Österreich von einem Tage zum anderen sein Leben fristen müsse. Graf Sforza schlug dann vor, Öster reich die 8 Millionen Pfund zur Verfügung zu stellen, die sich noch in den Händen des amerikanischen Hilfskomitees für Österreich befänden. Auch müßten Österreich die un geheuren Kosten erlassen werden, die der Aufwand der ver schiedenen interalliierten Kommissionen in Wien verursache. Als Graf Sforza erklärte, daß die Alliierten in der Hauptsache selbst dia gegenwärtige zerrüttete Lage des österreichischen Staates verschuldet hätten, erklärte Llovd s George, das sei Nicht der Fall; Österreich habe selbst schuld an feinem verzweifelten Zustand, und zum Beweise hier- f für sag^e er, eine Kugel, die den Soldaten schwer verletze, , sei nicht schuld an dieser Verletzung, sondern die Schuld t trage der Soldat selbst, der in den Krieg gezogen sei. Ein Aufruf dcS Papstes. Der Papst hat an den Kardrnalfekretär Gasparri ein Schreiben gerichtet, in dem er die gegenwärtig so traurige und vollkommen unhaltbare Lage Österreichs beklagt, die dem österreichischen Volke die Möglichkeit nehme, sich die Mittel zum Lebensunterhalt zu verschaffen. Der Papst erklärt, daß er nicht die Absicht habe, eine Lösung dieser (Mi-politischen Frage vorzuschlagen, die den Negierungen Vorbehalten bleibe, dagegen den Kardinalstaatssckretär aufsordere, die Aufmerksamkeit der beim Heiligen Stuhl beglaubigten Diplomaten auf die schwerwiegende Tatsache zu lenken. Ter Papst sagt weiter in seinem Schreiben, daß Wien ein Körper ohne Kopf sei, der mit dem Elend und der Verzweiflung kämpfe. Einige Regierungen hätten wohl Hilse zugesagt. Selbst wenn diese aber bald käme, könne sie doch nicht wirksam sein; denn Österreich fehlten die Möglichkeiten zu einem eigenen Leben. Der Bries schließt mit dem Wunsche, daß die Negierungen sich von den hohen Grundsätzen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit leiten lassen und die Mittel ins Äuge fassen werden, um sie zu verwirklichen. Dr. Simons und Obsrschlssien. ZuversichtderNeichsregierung. In einer Unterredung mit einem Pressevertreter sprach sich der Reichsautzenminister Dr. Simons sehr zu versichtlich über die Abstimmung in Oberschlesien aus. Er sagte u. a.: überall herrscht die Überzeugung, daß bei einer dem Friedensycrtrage entsprechenden, also einer freien, gehei men und unbeeinflußten Abstimmung der gesunde Sinn der Bevölkerung diese zum Votum für Deutschland führen wird Allerdings fordert Dr. Simons, dah die Interalliierte Kommission endlich ihre Pflicht tue und für Ruhe und Ordnung sorge. Es liegen Anzeichen dafür vor, datz die mit schärferen Maßnahmen vorgehen wird, deren Erfolg nicht ausbleiben kann. Die große Zahl der Anmeldungen auswärtiger Stimmberechtigter zeigt schon jetzt, in welch hohem Maße die Heimattreuen Oberschlesier sich dessen be wußt sind, daß niemand bei der Abstimmung fehlen darf, und daß es auf jede Stimme ankommt, um einen Sieg zu erringen, der keine andere Entscheidung als das Verbleiben Oberschlcsiens bei Deutschland zuläßt. Aussichten Deutscher Auswanderer. (Nach amtlichen Angaben.) Litauen — Schweden — Finnland — Portugal — England — .Uüaine — Ungarn — Argentinien — Brasilien — Colum- ' bien — Venezuela. über die Aussichten, die auswanderungslustige Deut sche gegenwärtig im Auslande haben, werden noch immer soviel falsche Angaben gemacht, datz es dringend notwendig erscheint, der Öffentlichkeit auf Grund amtlichen Materials ein ungefärbtes Bild der tatsächlichen Verhältnisse zu geben. Was die einzelnen Länder, die als Äuswanderungs- ziel in Frage kommen könnten, betrifft, jo sind sür alle, die v den festen Willen haben, sich in unermüdlicher Arbeit im ^Auslände eine Heimstätte zu schassen, die Arbeitsaussichten in außerdeutschen europäischen Ländern zurzeit recht schlecht. Dringend gewarnt werden muß vor der Aus wanderung nach Litauen, für die von gewissen gewissen losen Agenten augenblicklich mit besonders grotzem Eiser geworben wird. Es ist wiederholt vorgekommen, datz in Litauen Einwanderer kurz nach ihrer Ankunft festge nommen, radikal ausgeplündert und in Konzentrations lagern untergebracht worden sind. Auch zur Auswanderung nach Schweden, das den Deutschen im übrigen sehr freundlich gesinnt ist, kann nicht geraten werden, da die Arbeitslosigkeit im Lande autzer- ordentlich grotz ist und die Arbeiterorganisationen die Ein wanderung mit allen Mitteln zu verhindern suchen. In dem Schweden einigermaßen verwandten Finnland gibt es zwar mehr Arbeit, aber Auswanderungslustige sollten sich beim Abschluß von Arbeilsverträgen sehr vorsehen, da Lohe Gehattsangebote wegen der in Finnland herrschen- Mn ungewöhnlich großen Teuerung nicht allzuviel be deuten. In Portugal und den portugiesischen Kolonien be stehen für deutsche Arbeiter und Handwerker nicht die ge ringsten Aussichten. Nicht viel anders verhält es sich mtt England. Obwohl jetzt die Rückwanderung von Deutschen, die schon früher in den englischen Besitzungen ansässig waren, gestattet worden ist, ist diese Rückwanderung dock, nicht anzuraten, da im britischen Reiche eine säst noch größere Arbeitslosigkeit herrscht als bei uns. Die Ukraine, wo noch immer Klein- und Banden kriege geführt werden, scheidet vorläufig als Auswande rungsziel völlig aus. Auch in Ungarn bestehen keinerlei Siedelungsmöglichkeiten, ganz abgesehen davon, daß die derzeitigen politischen Verhältnisse dieses Landes eine Auswanderung dorthin nicht besonders empfehlenswert erscheinen lassen würden. Was das nicht europäische Ausland angeht, so ist vor allem daraus hinzuweisen, datz das jetzt über den grünen Klee gepriesene Argentinien durchaus kein Schla raffenland ist. Besonders der Landarbeiter hat es schwer. Die Wohnverhältnisse sind mehr als schlecht, und die Schlafgelegenheiten sind äutzerst primitiv. Wer sich an siedeln will, mutz mindestens etwa 4000—5000 Pesos (nach Frtedessvaluta ungefähr 16 000 bis 20 000 deutsche Mark, nach jetzigem Stande über 100 000 Mark) haben. Man kann sich dieses Kapital als Landarbeiter nur mühsam erwerben und hat infolgedessen erst nach jahrelanger schwerer Arbeit Aussicht aus ein besseres Leben. Gut sind die Arbeitsmöglichkeiten in Argentinien für Techniker, Mechaniker, Handwerker und Landarbeiter, besonders gut sür Ehepaare, die sich der Garten- oder Hausarbeit wid men wollen, sehr schlecht dagegen sür kaufmännische An gestellte. Wesentlich ungünstiger als in Argentinien liegen die Verhältnisse in Brasilien, dessen Klima die Arbeit oft zu einer Plage macht. Der Klimawechsel hat besonders für kleine Kinder oft sehr schädliche Folgen. Zu warnen ist vor planlosen Reisen nach Columbien, wo es an Arbeits- wöglichkeit ganz und gar fehlt. Wie es mit Venezuela ist, läßt sich vorläufig noch nicht übersehen. Es werden von der Regierung Einwanderern zwar mancherlei Er leichterungen in Aussicht gestellt, aber es mutz abgewartet werden, ob das nicht bloß inhaltlose Worte sind. Wett- und Volkswirtschaft. Der Stand der Mark. Die nachstehende Tabelle besagt, wieviel Mark für 100 Gplben, 100 dänische, schwedische, norwegische, österreichische, ungarische oder tschechische Kronen, tOO schweizerische, belgische und französische Frank, 100 italienische Lire, sowie sür 1 Dollar und 1 Pfund Sterling gezahlt wurden. („Brief" — angeboten; „Geld" — gesucht.) Börsenplätze 2« Geld . 1. Brief 25 Geld L. Brief Stand 1.8. S4 Holland . . . Gulden l893,I0 1896,10 1863,10 1866,90 170 Mk. Dänemark . . Kronen l 118,80 1121,15 1143,85 1146,15 118 . Schweden . . Kronen 1223,75 <226,25 1211,25 1213,75 112 . Norwegen . . Kronen 1066,40 1068,60 1088,90 1091,10 112 . Schweiz . . . Frank — — 884, lO 885,90 72 . Amerika . . . Dollar 56,94 57,02 56,56 V- 56,68V- 4,40„ England . . . Viund 215,25 215,75 213,00 213,50 20,20. Frankreich . . Frank 405,55 406,45 420,55 421,45 80 , Belgien.... Frank 425,55 426,45 438,55 439,45 80 . Italien .... Lire 213,75 214,25 212,75 2l3,25 80 . Dt.-Österreich Kronen 17,23 17,27 16,48 16,52 85 . Ungarn.... Kronen 11,73 11,77 11,60V- 11,64 V- 85 . Tschechien . . . Kronen 78,02V- 78.22V- 76.90 77.10 85 . * Starkes Anwachsen der Erwerbslosen. Das Reichsarbeits- ministerium teilt mit: Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen ist in der Zeit vom 15. Dez. bis 1. Jan. um 43 000 auf rund 409 000 gestiegen, und zwar hat die Zahl der männlichen sich von 292 000 auf 333 000, die der weiblichen von 74 000 aus 76000 erhöht. Der besonderen Steigerung der männlichen Er werbslosen entspricht die starke Zunahme der Familienange hörigen von 381000 auf 454 000. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die unterstützten Erwerbslosen mtt ihren Angehörigen nur einen Bruchteil der wirklich Erwerbslosen bilden. Tatsächlich dürste die Zahl der Erwerbslosen und ihrer mitbetroffenen An gehörigen das Doppelte der vorgenannten Ziffern überschreiten, wozu noch die sehr große Zahl der sogenannten „Kurzarbeiter" tritt. Wenn trotz der Arbeitsstreckung und trotz der Maß nahmen der produktiven Erwerbslosensürsorae, durch die mehr als 200 000 Arbeitern Beschäftigung verschafft worden ist, die Erwerbslosigkeit jetzt so gewaltig anschwillt, so zeigen sich damit nicht zuletzt die Folgen des Kohlenabkommens von Spaa, dessen erdrosselnde Wirkungen aus die deutsche Industrie mehr und mehr in Erscheinung treten. * Unterzeichnung des deutsch-holländischen Abkommens. Wie verlautet, sind die Vorschläge bezüglich des Statuts und der Zusammensetzung der TreuhandgescZ'chaft, die laut dem nieder- ländiick-deutickcn Kreditabkommen gegründet werden soll, um Gräfin Pia Roman von H. Court Hs. Ma hier. 4». Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Wenn du dich aber mm tauschest, Tante Maria — wenn ich mich dumm und ungeschickt anstelle — wirst du dann sehr böse sein?" fragte Pia noch immer ängstlich. Die Gräfin lachte und zog sie zu sich heran, um sie auf Sie Wange zu küssen. Dies kleine Komteßchen war zu süß in ihrer Verzagtheit. Tante Maria hatte ihr Pflegetöchterchen Längst ins Herz geschloffen. Und je mehr sie Pias innere «nd äußere Vorzüge erkannte, je mehr tat es ihr leid, daß sie Don Hans nicht so geliebt wurde, wie sie es verdient hätte. Sie war von dem Wunsche beseelt, daß ihr Neffe Pia sein (ganzes Herz zuwenden und mit ihr glücklich werden möge. Was an ihr lag, Pias Aeußeres liebenswert zu gestalten, das sollte gewiß geschehen. Wie viel oft sür eine Frau davon abhängt, vorteilhaft auszusehen, wußte die Gräfin als erfahrene Frau. Bisher hatte die kleine Komteß mit einer wahren Virtuosität all ihre Reize ängstlich versteckt und hatte Hans Ried, den Ver wöhnten, kaum durch ihr Aeußeres fesseln können. Jetzt sollte sie nun lernen, ihre Reize zu entfalten. Daß Pia von Natur durchaus nicht stiefmütterlich ausgestattet war, hatte die Grässn längst herausgefunden. Sie sagte nun gütig: „Liebe kleine Pia, ich werde dir-ganz sicher Nicht böse sein — auch wenn du, wie du fürchtest, eine Dummheit machen solltest. Aber das sollst du gar nicht fürchten — nur nicht verzagen. Phantasiere dich nicht in eine törichte Angst hinein, damit machst du dich nur unsicher. Und jetzt wollen wir nun gleich einmal eine Kostümprobe abhalten, ob auch alles Gelieferte tadellos ausgefallen ist." Die Damen erhoben sich vom Frühstückstisch, und die Gräfin klingelte, dem Diener, damit er das Geschirr hinaus- räumte. , Als sie wieder allein waren, sagte die Gräfin, die Pia eine ganze Weile wie prüfend betrachtet hatte: „Komm einmal her zu mir, Pia. Setze dich hier auf diesen Sessel und halt ein Weilchen still." Pia tat, wie ihr geheißen wurde. „Was willst du tun, Tante Maria?" „Ich will nur einmal dein Haar auslösen und sehen, ob du dich nicht kleidsamer frisieren lassen kannst." „Ach nein, es hält nur so auf dem Kopfe fest. Ich muß es ganz fest einzwängen." Ruhig zog die.Gräfin die Nadeln aus dem Haar und begann die Flechten aufzulösen. „Das ist ein Irrtum, Kind. Man kann auch starkes Haar lockerer flechten und aufstecken, und es doch ganz fest halten. Das mußt du dir nachher einmal von Rosa ordnen lassen nach meinen Angaben. Mein Gott! — Welch eine Fülle steckt in diesen steifgeflochtenen Zöpfen. Kind, du weißt wohl gar nicht, daß der liebe Gott der Frau das Haar zum Schmuck gegeben hat? Und dich hat er in wahrhaft ver schwenderischer Fülle mit dem herrlichsten Haar ausgestattet. Wer vermutet solche Pracht in deinen barbarisch ein gezwängten Zöpfen! Du kleines, törichtes Komteßchen — was hast du für wundervolles Haar." Pia errötete jäh. Sie dachte an jene Stunde, da sich Hans Ried zur Belohnung für seine Hilfe bei ihrem Unfall in der Burgruine ihre Mütze ausgebeten hatte, damit sie nicht mehr ihr Haar verdecken sollte. Ob es Hans wirklich so gut gefallen hatte, ihr Haar? Pia erwiderte: „Ist es denn wirklich schön, mein Haar, Tante Maria?" Die Gräfin ließ es bewundernd durch ihre Finger gleiten. „Ich habe noch nie schöneres gesehen. Und dieser satte, warme Goldton ist herrlich. Er kommt bei deinen steifen Zöpfen so wenig zur Geltung, wie die weiche, lockige Fülle. Auf vielen Frauenköpfen wächst eine solche Pracht nicht. Nein, meine kleine Pia — es wäre eine Sünde, ließe ich dich weiter so herumlausen. Komm, wir gehen in dein Zimmer hinüber. Rosa soll dich gleich zur Probe einmal ander frisieren. Und dann probieren wir die neuen Kleider en " Willig ließ sich Pia foriführen. Rosa wurde gerufen und machte sich mit sichtlicher Ee nugtuung ans Werk. Sie hatte schon immer bedauert, das Komteß auf die „schauderhafte" Fisur bestand. Die Gräfüin setzte sich Pia gegenüber und gab ihre Am ordnungen. „Keine kunstvolle Frisur, Rosa. Das Haar der Kom teffe ist zu schön und zu reich, als daß es sich dazu eignete Teilen Sie vorn einen Scheitel, ganz zwanglos und weick muß das Scheitelhaar fallen — so ist es recht. — Und nur das ganze übrige Haar in zwei gleiche Flechten. Nicht gw zu locker flechten, sonst bergen wir die Fülle nicht. So ist « gut. Jetzt stecken Sie die Flechten zu einem großen Nest, ft daß es den ganzen Kopf bis zum Ansatz des Scheitels gleißt mäßig bedeckt." So gebot die Gräfin, und Rosa folgte eifrig und geschiL ihren Befehlen. Man sah, es machte ihr selbst Vergnügeft die Komtesse zu frisieren. Die bereits engagierte Zofe fid Pia sollte erst in den nächsten Tagen antreten. Gräfin Mari« hatte eine sehr sorgsame Wahl getroffen. Schnell war nun die neue Frisur beendet. Pia sah ganz verwundert in den Spiegel. Wie ffelb som verändert sie durch diese hübsche, ungezwungene Frism aussah. » „Jetzt schaue ich wirklich wie eine Dame aus, Tanck Maria, nicht mehr wie ein kleines dummes Mädel vom Lande. Sehr hübsch hat Rosa das gemacht." Sie lachte in sich hinein und sah sich von allen Sei Ki an. Und sie konnte sich auch wohl freuen über das reizend« goldbraune Köpfchen, über das die Helle Märzsonne golden« Lichter streute. „Also bist du zufrieden?" fragte die Gräfin lächelnd. Pia nickte und dann bewegte sie energisch den Kopf hin und her. / (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)