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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentch» und die Umgczcnden. Umlsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^7 81. Dienstag den 17. October 1871. Tagesgeschichte. In neuerer Zeit ist mehrfach die Frage erörtert worden, ob vom 1. Januar k. I. an, mit welchem die neue Maß- und Ge wichtsordnung in Kraft tritt, auch Schankgefäße, wie Bierseidel, Flaschen, rc. geaicht sein müssen. Die Frage ist bald bejaht, bald verneint worden. Bei dem allgemeinen Interesse, welches sie dar- bietct, möchte es nicht überflüssig sein, das Sachvcrhältniß kurz darzulegen. Die Maß- und Gcwichtsordnung enthält keine Vor schriften über Schankgefäße. Auch fallen dieselben nicht unter die Kategorie der nach Z 10 daselbst für aichungspflichtig erklärten Maße. Die Maß- und Gewichtsordnung hindert daher Niemand, wie bisher, Schankgefäße von beliebiger Form und Größe anzu- wendcu. In einigen deutschen Staaten sind allerdings durch die Landesgesctzgcbung oder durch Verordnung der Polizeibehörden Be stimmungen hierüber erlassen worden, welche im wesentlichen überein stimmend vorschreiben, daß Schankgefäße in ihrem Gehalt mit dem Liter und dessen Thcilungen im Einklänge stehen und durch eine die Normal-Füllung bezeichnende Marke, die übrigens nicht durch ein Aichungsamt angebracht zu werden braucht, versehen sein müssen. Für das Königreich Sachsen bestimmt eine, wegen der Beschaffenheit der Schankgläser unten» 12. August 1871 ergangene Verordnung des königlichen Ministeciums des Innern, daß es künftighin lediglich der örtlichen Negulirung überlassen bleiben soll, darüber Be stimmung zu treffen, ob und inwieweit Gefäße, welche für den Ausschank von Wein und Bier in Wirthschaftcn bestimmt sind, mit einem äußerlichen Kennzeichen ihres Maßinhalts versehen sein sollen. ES können demnach in denjenigen Orlen, wo ein dem entgegen stehender Beschluß der Gemeindevertretung nicht gefaßt wird, die zeither benutzten Schankgefäße ohne Weiteres fortgesührt werden. In neuerer Zeit sind auch falsche k. k. österreichische Einthaler- stücke vom Jahre 1866 zum ersten Male in Sachsen ausgctaucht. Die Art der Anfertigung derselben ist Guß und der Klang derselben ist bleiern. Der Guß zeigt einen Gußhöcker au der Nase deS kaiserlichen Brustbildes und mehrere Gnßpunkte. — In der im All gemeinen sehr unvollkommen hcrvortrclcndcn Umschrift des Randes sind die Buchstaben im Worte „Mit" und „V" in „vereinten" durch Gußvertiefungen besonders verunstaltet. Aus eine eigeüthümlichc, aber neue und praktische Idee ist der Kirchenvorstand der Stadt Dippoldiswalde gekommen, die jeden falls allgemeine Nachahmung verdient. Es betrifft dies die von Sei ten des Kirchenvorstandes beschlossene Anschaffung eines „Nothsalges", der ganz seltsam construirt ist. Der Zweck des Sarges ist der, die jenigen Leichname, die in der Behausung nicht gelassen werden können oder dürfen, bis zur Ucbersührung in den wirklichen Sarg in sich aufzunchmen. Diese Särge werden mit Roßhaaren gepolstert, mit glattem Leder, das sich abwaschen läßt, fest überspannt und mit einem ledernen Kopfkissen versehen, damit die Leiche die Lage gleich wie in dem wirklichen Sarge hat. Der Deckel ist nicht von Holz, sondern von feinem Drahtgeflecht gearbeitet. Auf diese Art braucht der Leichnam nicht in Tücher gehüllt zu werden, da durch das Draht geflecht Jnsecten dem Gesicht nicht ankommen können, und der sich etwa einstellrnde Leichengeruch kann sofort entweichen. Wie noth wendig ein solcher Sarg für jede Gemeinde oder Parochie ist, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. (Dr. N.) Der Thicrschutzverein zu Dresden machte seiner Zeit bekannt daß er den heimgekehrten sächsischen Kriegern, Unterosfizicren und Soldaten, welche die den Thiercn, namentlich den Pferden, aufer legten großen Strapazen thnnlichst zu erleichtern sich auszcichneten, seine Dankbarkeit zu erkennen geben werde. Gegenwärtig hat er dem hohen Gencral-Commando, welches ihm diese braven Soldaten und zugleich bewährten Thierfreunde namhaft gemacht hat, die Summe von 500 Thalern zur Vcrthcilung überwiese». DaS „L. T." berichtet ans Leipzig vom II. October: Ein junger 18jähriger Delitzscher Realschüler, welchem der von den Eltern erwählte künftige Lebensberuf nicht zusagte, verließ dieser Tage heim lich die elterliche Behausung und begab sich hierher nach Leipzig, um irgend eine andere Stelle für sich ausfindig zu machen. Der Vater reiste ihm nach und traf seinen Sohn heute Mittag auch an, als derselbe in einer Droschke vor dem Gasthause, wo er hier logirte, «»gefahren kam. In dem Augenblicke nun, da er seines Vaters an sichtig wurde, feuerte er in der Absicht, sich zu tödte», zwei Nevolver- schüsse auf sich ab. Ein glückliches Geschick lenkte aber die Gefahr ab, die Kugeln durchdrangen zwar die Kleidung auf der Brust, ver letzte» ihn selbst aber nur oberflächlich. In Bärenstein brannte am 9. d. M. das Müllersche Mühlen- gebäude nieder. Leider ist dabei der über der Schneidemühle woh nende Strumpfwirker Ferd. Muller, welcher Gegenstände retten wollte, in den Flammen umgekommem Seinen verkohlten Leichnam fand man später im Schutt. Er hinterläßt Gattin und 6 Kinder. Wie riesig der Verbrauch der Steinkohlen sich fortwährend steigert, geht aus der von der Güterexpcdition in Zwickau soeben veröffentlichten Ucberficbt hervor. Es sind danach während des Zeit raums vom 1. Januar bis 30. September d. I. von Zwickau 251,376 Wagenladungen ü 100 Centncr Steinkohlen versandt worden, d. i. 19,055 Wagenladungen mehr als in dem entsprechenden Zeit räume des Vorjahres. Bisher konnten nur denjenigen Zeitungs-Exemplaren, welche im Orte des Erscheinens durch besondere Bolen — nicht per Post — besorgt wurden, extraordinäre Beilagen hinzugefügt werden. Vom 15. October ab ist dies allgemein auch bezüglich aller, nach aus wärts gehenden und durch die Post besorgten Exemplare gestattet. Die Geschäftshäuser rc., welche ihre Circulare, Prospekte, Preis courante, Probebogcn, Zeichnungen, Empfehlungen n. s. w. auf diese Weise versenden wollen, haben sich mit dem Verleger der be treffenden Zeitung zu verständigen. Die Post erhebt 1 Pfennig pro Exemplar. Außer diesem billigen Satze ergiebt sich auch insofern ein Vonhcil für die Geschäftswelt, als die Verpackung unter Band und die Adressiruug der einzelnen Sendungen erspart wird, und man überdies, wenn man sich an die richtige Zeitung — je nach den verschiedenen Leserkreisen — wendet, mit ziemlicher Gewißheit an- »ehmen kann, daß die Offerten, Preiscourantc, Empfehlungen rc. an das entsprechende Publikum gelangen. Bei intelligenter Benutzung dieses Mittels können den GeschäftStreibenden aus dem neuen Ver fahren große Vortheile erwachsen. Die Geschichte wird jetzt in Berlin gemacht. Der französische Finanzmiiiister ist mit sechs Herren von der Regierung dort auge- kommcn, ebenso Graf Arnim, der in letzter Zeit ordentlich hat reisen müssen: von Roni nach Brüssel, daun nach Frankfurt, von da nach Versailles und Berlin. Mau glaubt, die Thronrede zur Eröffnung des Reichstages werde die Erledigung der schwebenden Fragen anzeigen könne». Das alternde Oesterreich setzt sich mit seinen Kindern ausein ander. Vor vier Jahren schon hat es den ersten Sohn selbstständig gemacht, nun folgt der andere und will auch sein Erblhcil heraus haben. Was bleibt da der alten Mutter Austria übrig? Als 1867 Ungarn seinen Ausgleich durchsetzte, da war cS, als würde dem gan zen Reiche ein Bein ampulirt; mit dein andern konnte es aber doch noch rüstig weiter gehen. Jetzt will auch dieses abgcschnilte» sein. Das Königreich Böhmen hat sich sein eigenes Grundgesetz gemacht, es will seine Angelegenheiten selbst verwalten, und nur das Auswär tige, das Kriegswesen und die Finanzen, soweit sie beiderseitige Aus lagen betreffen, bleiben mit Oesterreich gcmcmsam. WaS ist übrig? Ein Krüppel an Krücken, der sich nicht helfen kann. Die Ungarn sind mit dem böhmischen Ausgleich nicht zufrieden. Graf Andraffh wird deshalb, sobald die Krone den Inhalt der böh mischen LandlagSadrcsse als die geeignete Grundlage für die neue Gestaltung der westlichen Reichshälfte und ihrer Beziehungen zu Un garn augenommen hat, gegen diese neue Ordnung der Dinge Ver wahrung cinlegen. Aber die Böhmen werden wahrscheinlich den Un garn erwidern: Was du nicht willst, baß man dir thu', das füg' auch keinem Andern znl