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Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsökatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den StadLraH daselbst. T» 33. Freitag den 5. Mai 1871. Die Bekanntmachung des königlichen Gerichtsamtes zu Wilsdruff, den am 27. März d. I. in Neutanneberg verübten Diebstahl betr., hat sich durch Aufgreifung der dieses Diebstahls geständigen Auguste Wilhelmine Hempel erledigt. Meißen, am 2. Mai 1871. Der Untersuchungsrichter am königl. Bezirksgericht. Hecker. Tagesgeschichte. Dresden, 3. Mai. Das „Dresdner Journal" meldet: Sichern: Vernehmen nach haben die in Lvnn86lici8 beauftragten Herren Slaats- minister folgende Herren zu Mitgliedern der Synode bestimmt: Geistliche: Connstorialrath Hofprcdiger I)r. Nuling in Dresden, Superintendent Dr. Lecblcr in Leipzig, Kirchen- und Schulrath 1)r. Zapff in Zwickau, Consistorialrach vr. Otto in Glauchau und 1'n8tor prim. ^l. Würkert in Löbau. B. Laien: Se. Durchlaucht den Fürsten Otto Friedrich von Schönburg-Waldenburg, Oberbürgermeister Pfoten hauer in Dresden, Kammerherr von Erdmannsdorff auf Schönfeld, Kammerhcrr von Zehmcn auf Stauchitz und Bürgermeister Löhr in Bautzen. Meißen, 1. Mai. An: oberen Eingang zur Hauptprömcnadc im Siebeneichener Park hat der Besitzer des Schlosses Siebeneichen, Herr Obcrkammerherr von Miltitz, zum Andenken an den glorreich beendeten Krieg mit den Franzosen ein Siegesmonument in Gestalt einer auf einem Würfel stehendem steinernen Saule, auf welcher ein Adler mit auSgebreiteteu Schwingen sich nicderläßt, errichten lassen. Der obere Theil der Säule mit dein Adler ist von Metall. Die Aufstellung dieses Monumentes, einer Zierde des Parkes, an dessen Postament die Inschrift' „Dein siegreichen deutschen Heere gewidmet 1871" zu lesen ist, ward an: Sonnabend Nachmittag unter dem Donner der Schloßkanonen vollendet. Der große Kriegsrath in Berlin unter dem Vorsitz des Kaisers und die große Rede Bismarcks in: Reichstage bedeuten eine Wendung. Deutschland wird nicht länger den guten Mann spielen, sondern Herrn Thiers den Daumen aus's Auge drücken. Herr Thiers ge dachte milden französischen Soldaten, die Deutschland ihn: auslicserte, Paris zu nehmen und konnte ihrer nicht genug bekommen. Das hört auf. Kei» Mann wird mehr ansgelicfcrt, obgleich ihrer noch 200,000 in Deutschland liegen; die französische Flotte, die nach Glückstadt ge schwommen war, um 40,000 Mann heimzuführen, ist leer zurückge kehrt. Es wäre eine schöne Vescheerung, wenn die Versailler und Pariser sich plötzlich um den HnlS fielen, und Front gegen die Deut schen machten. Wir wollen nicht noch einen Krieg führen. Für die Verpflegung der deutschen Truppen wird kein Heller mehr ausgelegr; wenn Herr Thiers nicht sofort Geld schafft, wird reguirirt wie in: Kriege. Auch in Brüssel, ivo die französischen Diplomaten den Ab schluß des Friedens verschleppen, wird jetzt aus einer andern Tonart gesprochen werden. Wir müssen zum Ende kommen. Die Franzosen haben noch nicht einmal ihre Deutschen Gefangenen: alle ausge- liefert, es sollen ihrer noch 1400 in Rückstand sein. Auch darüber wird Bismarck ein ernstes Wort sprechen. Die Franzosen nehmen immer die ganze Hand, wenn ihnen der kleine Finger gereicht wird. Bei den Wahlprüfungen im Reichstage hat der Zufall, der ein arger Schalk ist, einen sehr heiteren Auftritt veranstaltet. Der Bürgermeister Fischer von Angsbnrg las als Beweis, wie in Bayern die Kanzeln zu Wahlumtrieben mißbraucht worden waren, Stellen aus einer Predigt des bekannten Pfarrer Mahr (in Franken) vor. Mahr warnte vor der Wahl des Fürsten Hohenlohe in Wendungen wie z. V.: „Die Beamten arbeiten für Hohenlohes Wahl, weil sie die Taschen voll preußischer Thaler haben. Hohenlohe ist nicht der Mann, der Bismarck entgegenzutrcten wagt; wenn Der etwas will, giebt er klein bei. Darum höret auf mich und wählet nicht Hohen lohe." Nun saßen sich aber zu großer Heiterkeit des Hauses in dem selben Augenblick Bismarck und Hohenlohe einander gegenüber: Bis marck an seinem gewöhnlichen Platz und Hohenlohe gerade gegenüber ! auf dein Präsidentenstuhl. — Posen, 29. April. Die „Ostd. Ztg." schreibt: Eine Bande geflüchtete Franzosen halt sich im Owinsler Walde auf und hat sich daselbst vollständig als Räuberbande organisirt, welche gewaltthätige Requisitionen vornimmt und vor der kein Fuhrwerk, kein Reisender, der den Wald passiren muß, sicher ist. Bei der hiesigen Comman- dantur liefen gestern und heute ganz schreckliche Berichte über das Treiben dieser Bande ein, so daß man es sofort für nvthwcndig er achtete, ein Detachement Soldaten, Infanterie und Cavallerie, Be hufs Absuchung des Waldes gestern zu entsenden. Die „Times" stellt einen Vergleich zwischen der Kriegführung der Franzosen in den: jetzigen Bürgerkampfe und der deutschen Kriegführung an und läßt dabei der Letzteren: volle Gerechtigkeit widerfahren. ,,Eine merkwürdige Phase der englischen Meinung während des letzten Krieges" — sagt das Blatt — „war die Bereit willigkeit, mit welcher Massen von Leuten von den: Augenblicke an, wo das Kriegsglüa sich gegen Frankreich wendete, die Angaben über die sogenannten „Preußischen Abscheulichkeiten" glaubten und nach- redeten. Derjenige Theil des Publikums, welcher seiue französischen Sympathien an: weitesten trieb, stellte die Deutschen sogar als Vor über voi: in der ncnercn Geschichte unerhörten Grausamkeiten dar. Der Krieg ist noch nicht zwei Monate vorüber, und schon stellt es sich heraus, daß mehrere der am umständlichsten berichteten Vorfälle bloße Erdichtungen sind. Vor drei Monaten protestirten die Fran zosen und ihre Freunde in der ganzen Welt gegen das deutsche Bombardement und ehrten die durch dasselbe getödteten oder beschä- .digten Personei: als Märtyrer. Nun erleben wir ein Bombardement von Paris Seitens der Franzosen, das mit einer rücksichtslosen Ver achtung von Leben und Eigenlhum geführt wird, die von den Preußen niemals übertroffen werden konnte: und wir wissen factisch, daß Nicht-Eombattanten durch die Granaten der sich bekämpfenden Par teien während des letzten Monats mehr gelitten haben als während der ganzen Zeit der preußischen Belagerung." Paris, 28. April. Die Pariser Ausgabe des „Temps" ver langt einen Waffenstillstand von 23 Tagen, die Wahl einer neuen Eommune nach den: von der Nationalversammlung votirten Gesetz, welche mit der Versailler Negierung auf der Basis der Erhaltung der Republik, der municipalen Freiheiten und einer vollständigen Amnestie unterhandeln soll. Nach dem militärischen Correspondenten des „Temps" liegt der Ausstand in den letzten Zügen. ES hängt von der Versailler Negierung ab, das Signal zur Befreiung der Haupt stadt von den Aufständischei: zu geben. Das linke Seineufer, die Forts und die befestigte Eneeinte stehen zur Disposition der Versailler Truppen. Die Truppen Thiers dringen langsam aber entschieden gegen Paris vor und die Dinge nahen sich der Entscheidung. Zwei Bri gaden stürmten am 30. April den Park, das Schloß und den Kirch hof voi: Jssy und nahmen die Pariser Geschütze. Der Fall des Forts selber (200 Meter entfernt) ist täglich zi: erwarten. In Paris bereitet man sich zum Entscheidungskampf vor. Die Freimaurer machen den letzten Versuch einer Versöhnung. In langem Zuge zogen sie durch die Stadt nach dem Thore von Maillot und entsandten unter dem feindlichen Feuer Abgesandte zu Thiers, um zu unter handeln, vier bis füns voi: ihnen fiele,:. Vorher hatten sie in Luft ballons Aufrufe der Logen in Paris an die Freimaurer in den Provinzen aufsteigcn lassen. Thiers scheint aber nicht mehr unter handeln zu wollen. Paris, 30. April. Fort Jssy wurde heute Morgen von seiner Bcsatzungsmannschast verlassen. Nachdem 30 Geschütze demontirt, die Kasematten geborsten, die Schießscharten zerstört und die Munition für die Mitrailleusen ausgegangen war, entstand eine unbeschreibliche Panik. Die Artilleristen verweigerten den: Kommandanten Megy den Gehorsam und vernagelten die Hälfte der Geschütze. Megy stellte sich den: Ceutralcomitö als Gefangener, ClusereH der Pariser Kriegs-