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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentchn und die Nmgcgcndc». Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den StadLrath daselbst. 23. Jienstag den 22. März 1870. Tagesgesch.ichte. Dresden. Das Leibgrenadierregiment, welches im kommenden Monat sein 2O0jähriges Bestehen feiern wird, hieß 1670 Leibrcgi- ment, 1692 Leibgarde zü Fuß, 1696 Garde zu Fuß, 1697 sächsische Garde, 1701 deutsche Garde, 1702 Leibgarde zu Fuß, 1706 Gardes, 1707 Garderegimcnt, 1712 erste Gar^e, 1748 Garde zu Fuß, 1756, nach der Katastrophe bei Pirna, wurde es der preußischen Armee cinvcrleibt und nach Magdeburg verlegt, aber schon 1757 in Ungarn meist aus Reverlenten neu sormirt. 1778 hieß das Regiment Kur fürst, 1806 König, 1813 wurde mit aus den Trümmern dieses Re giments das Lcibgrenadierregiment gebildet, aus welchem 1820 die Gardeinfantericdivision (aufgelöst 1. Januar 1849) und das Leibin- sanlcricregiment hcrvorging, letzteres wurde 1849 zur Leibbrigade und diese 1867 (hauptsächlich ihr 13. und 14. Bataillon) zum Leib- grenadierrcgimcnt Rr. 10Ö umgcschafsen. An Feldzügen hat das Re giment fast allen beigewohut, welche die Sachsen mitgemacht haben. Es hat gegen Franzosen, Türken, Schweden, Polen, Russen-Preu ßen und Oestreicher gekämpft, 1683 am Entsatz von Wien, 1686 an der Belagerung von Ofen theilgenommcn, in den schlesischen Kriegen zeichnete es sich bei Slriegau besonders aus, weshalb es das Vor recht erhielt, den Grenadiermarsch schlagen zu dürfen. 1806 und 1809 zeichnete es sich ebenfalls aus, 1812 gerieth es aber bei Kob- rie, zur Brigade Klengel gehörig,' zum großen Theil in Gefangen schaft. 1849 focht das Regiment in Dresden und 1866, wie bekannt, in Böhmen. Die „Dr. N." vom 16. März schreiben: „Professor Semper ist, wie wir aus guter Quelle vernehmen, mit den besten Eindrücken von Dresden geschieden. Er hat die beiden überhaupt bei dem Hof theaterbau in Frage kommenden Plätze, das Zwingerpromenadenpro- ject und den alten Platz, nur etwas zurückgerückt, besichtigt und sich für den letzteren erklärt. Auf der Stelle des alten Theaters das neue zü errichten, hat er für ganz unthunlich befunden und sich schon deshalb dagegen ausgesprochen, weil dasselbe das Museum in seiner Totalwirkung beeinträchtige. Das Museum ist bekanntlich erst nach dem Theater gebaut worden; hätte es zur Zeit der Theatererbauung gestanden, so würde Semper sein Theater nicht auf dem Platz, wo es stand, errichtet haben. Ucbrigens gedenkt Semper den Rundbo- gensticl bei dem neuen Theater nicht anzuwenden, wenigstens nur mit erheblichen Modifieationen. Er hat erklärt, daß der Theaterbaustiel, wie er seit 30 Jahren sich entwickelt habe, von dem Ruudbogenbau in der Ausdehnung, wie er am Theater «»gewendet worden ist, ab- sehc." Wie die ernstesten Momente des Lebens durch ungeschickten Zu fall gestört werden können, wird den Dr. N. aus einem unserer va- vaterländischen Prvvinzialstüdtchen berichtet, dessen Name nichts zur Sache thut. Es sollte eben die Beerdigung eines sehr geachteten Lehrers vor sich gehen. Es läßt sich denken, daß in so ernster Stunde, wo die Familie, die Verwandten, die Freunde und Bekann ten um den Sarg stehen, um Abschied zu nehmen auf immer und mit dem Priester der Kirche die Gnade des Himmels herabzuflehen, die Stimmung eine ernste, feierliche, erhabene ist. So auch hier, um so mehr, als der anwesende Geistliche eine gediegene Ansprache hielt, als plötzlich die in einem Gebauer befindlichen zwei Gimpel mit der ihnen angelernten Schnabelvirtuosität die Rede des Herrn Geistlichen unterbrachen, indem der eine: „'s gibt nur a Kaiserstadt, 's gibt nur « Wien," der andere: „Und der Ranzmann war weg!" hineinpfiff. Der Leser erläßt uns wohl, die Scene in der Trauerstube zu be schreiben, die eine solche Situation hervorbringen mußte. An der sächsischen Grenze in der Gegend von Elster cxistirt eilte ausgedehnte Falschmünzerbande, von der schon 40 Mann gefänglich eingczogen worden sind. So ist auch aus Elster der Pächter einer Schankwirthschaft ein Hotelbesitzer und ein Bäckermeister gefänglich cingezogen worden. Gleich nach Ostern, vielleicht am 21. April, soll das deutsche Zollparlament nach Berlin einberufen werden. Die norddeutsche Staatskuust geht darauf aus, Europa an die Nothwendigkeit der deutschen Einheit zu gewöhnen, und das geht nicht von heute auf morgen. Preußen hat nirgends einen zuver lässigen Bundesgenossen; die leidlich freundliche Stimmung, welche, Dank der seitherigen Mäßigung, heute in Wien, Paris und Peters burg herrscht, kann durch einen unbedachten Schritt zerstört werden. Unterschätze man nicht die Energie des leicht mißleiteten National stolzes der Franzosen. Die erste preußische Schildwache auf der Keh ler Brücke genügt vollkommen, um, wenn Kaiser Napoleon will, ei nen Taumel kriegerischer Wuth in Frankreich zu erregen. Gewiß darf nnd soll Deutschland der Gefahr eines europäischen Krieges trotzen, wenn die Stunde kommt, den deutschen Staat fertig zu ma chen; aber so Großes wagt man nur für eine große Entscheidung. Der Eisenbahnkönig vr. Strousberg stierte am 13. d. M. seine silberne Hochzeit in seinem Palais zu Berlin im Kreist seiner sieben Kinder und vieler Freunde. Die Hochzeitsgeschenke, die eingingen, waren großartig. Darunter ein Eisenbahn-Salonwagen, der 14,000 Thlr. kostete; aus Rumänien 16 Pferde der edelsten Race; ein großer silberner Tafelaufsatz, eine silberne Toilette, ein kostbares, von Edelsteinen fast erdrücktes Schmuckkästchen, eine enorme silberne Säule, ans deren Spitze Hymen steht, die on roliob gearbeitete sil berne Kirche, in welcher das Jubelpaar 1845 zu London getraut wurde und viele andere prächtige Sachen. Die Geschenke repräsen- tiren nach einer oberflächlichen Abschätzung seiner näheren Bekannten einen Werth von 150,000 Thlr. Berliner Kinder sind Glückskinder. Seit einiger Zeit hört man, daß unerwartet große Erbschaften über Berlin sich "ergießen. Es legt sich Mancher in großen Sorgen Abends nieder und am Morgen ist er Millionär. Wenigstens ging das in diesen Tagen dem alten, ar men Feldwächter Lehmannn so. Der bekam eines Morgens die Nachricht, daß ein Anverwandter in London gestorben sei und ihm sein ungeheures Vermögen vermacht habe. Er ist mit einem Com- missionär, der englisch sprechen kann, dahin abgereist, um die Erb schaft zu heben. Wie viele Lehrer zählen wir? fragte Napoleon den Unterrichts minister, der ihm eine Deputation von Elementarlehrern vorstellte.— Sire, 45,000. — Das ist eine Armee, die friedliche Armee von Frankreich. In den Kasernen in Paris flnd nun ebenfalls die Blattern ausgebrochen und es sind bereits 80 Soldaten in wenigen Tagen an dieser furchtbaren Krankheit gestorben. Die Exkönigin Isabel von Spanien hat gegen ihren Gemahl einen Prozeß angestrengt. Sie will ihn zwingen, mit ihr Güterge meinschaft zu machen. Er hat das Seine zu Nathe gehalten und viel Geld sich erspart. Sie ist bald mit ihrem Hab und Gute fertig und möchte nun ein Recht haben, das ihres Mannes auch noch durch- zuschlagcn. Vom Coneil. Es hat wirklich den Anschein, als ob der Papst Pius IX. die alten heidnischen Kaiser an Hochmuth und Verblendung übertreffen wolle. Diese stellten sich den Göttern gleich, die aber doch auch noch menschliche Schwächen und Gebrechen an sich trugen. Der Papst aber hört auf das alte Wort der Schlange im Paradies: Ihr werdet sein wie Gott, wenn ihr von der verbotenen Frucht esset, und wer sind die Leute, die diese Sprache führen? GZ sind die Je suiten, die noch nie der Welt Segen gebracht haben. Am 25. März, dem Tage Mariä Verkündigung, soll der Welt das neueste Dogma verkündigt werden: Der Papst ist unfehlbar wie Gott. NE" Der Glaubenssatz der Unfehlbarkeit ist dem Concilin folgender Fassung vorgelegt worden: „Wir lehren mit Zustimmung des heiligen Cvncils und dcfiniren es als ein Dogma des Glaubens, daß kraft des göttlichen Beistandes der Römische Papst, von dem in der Person des heiligen Petrus gleichfalls von unserm Herrn Jesu Christo gesagt ist: „Ich habe für dich gebetet u. s. w.", "nicht irren könne, wenn er als höchster Lehrer aller Christen auftretend mit seiner Autorität definirt, was in Sachen des Glaubens und der Moral vm der ganzen Kirche zu halten sei, und daß diese Prärogative der Irr - thumslosigkeit oder Unfehlbarkeit des Römischen Papstes sich auf den selben Bereich erstrecke, welchen die Unfehlbarkeit der Kirche umfaßt. Wenn aber Jemand, was Gott abwenden möge, dieser unserer De finition zu widersprechen sich anmaßen sollte, so wisse er, daß er von der Wahrheit des Glaubens abfällt." Auch der Graf Beust hat in der letzten Stunde noch eine Note , nach Nom abgehen lassen und dringend gewarnt, nicht einen so ge-