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54 figer Gegend auf frischer Thal zu ertappen und in sichern Gewahr sam zu bringen. Der 64 alte Gemeindevorstand und Ortsrichter Joh. Valentin aus Schwarznaußlitz hat sich in der Nacht vom 5. zum 6. Februar auf dem Nachhausewege von Bautzen verirrt und vermuthlich beim Ausruhen den Tod durch Erfrieren auf einer Wiese zwischenSchwarz- naußlitz und Dretschen erlitten, woselbst er erst am 13. d. M. ge funden worden ist. Ein sehr bedauerlicher Unfall hat sich um II. Februar in der Mühle zu Karlsfeld bei Eibenstock ereignet. Als nämlich der Müllergeselle Gläser mit dem Einschmieren des Mühlengetriebes be schäftigt gewesen ist, wird er von der Stellringschraube an denKlei- dern erfaßt und so ins Getriebe hineingedreht. Dabei ist ihm der Unterleib aufgerissen worden und die Gedärme nebst Fetzen von Klei dungsstücken sind mehrfach um das Mühleisen geschlungen gewesen, von welchem sie nur mit großer Mühe wieder haben gelöst werden können. Auch dessen Rückgrat hat man an einigen Stellen gebrochen gefunden. Er war verheirathet und Vater von 3 Kindern. Als am 7. d. M. der Weber und Hausbesitzer Oettler in My lau mit seiner Ehefrau im Keller damit beschäftigt gewesen, Solaröl aus einein Ballon in ein Blechgefäß zu gießen, ist eine Explosion er folgt, wodurch die Oettlerschen Eheleute nicht nur im Gesicht und an den Händen, sondern, weil auch die Kleider Feuer gefangen, am Körper bedeutende Brandwunden erlitten haben, denen die verehl. Oettler noch in derselben Nacht erlegen ist. Jedenfalls ist man mit dem Lichte dem Ballon zu nahe gekommen. Der Hauptsitz der Spielwaarenindustrie des sächsischen jErzge- birges ist der Saidaer Gerichtsamtsbezirk. In zu diesem Bezirk gehörenden 18 Ortschaften beschäftigen sich unter einer Bevölkerung von 12,850 Einwohner 4468 Männer, Frauen und Kinder mit der Verfertigung hölzerner Spielwaaren und zwar 793 Familienväter, 1000 Familienmütter, 825 erwachsene Söhne und Töchter, 1688 Kinder unter 14 Jahren, 104 Dienstboten und 58 Personen mit ei genem Haushalte. In 34 Drehwerken mit 410 Drehstellen find 624 Dreher thätig, während mit der weiteren Bearbeitung des Schnitzens 945 Bewohner, 821 Kinder, davon 652 Kinder von 8—14 Jahren und 169 Kinder unter 8 Jahren, sowie 864 Anstreicher und Mal mädchen beschäftigt sind. Berlin, 14. Februar. Die Thronrede, mit welcher heute der Reichstag des Norddeutschen Bundes eröffnet wurde, kündigt zunächst als Vorlagen vornehmlich die eines Strafgesetzbuches sowie Gesetz entwürfe, betreffend den Autorenschutz, die Bunvesangehörigkeit und Unterstützungswohnsitz an. Die Rede betont stark das Verhältniß zu Süddeutschland und hebt die Verständigung über die nationale Ver bindung des Norddeutschen Bundes mit den Südstaaten hervor, sie sei Gegenstand der unausgesetzten Aufmerksamkeit; das Gefühl der Zusammengehörigkeit, der die Allianzenverträge ihr Dasein verdanken, das Wort deutscher Fürsten und die Gemeinsamkeit der höchsten va terländischen Interessen verleihen den Beziehungen zp Süddeutschland eine von den Wogen der politischen Leidenschaft unabhängige Festig keit. Der König constatirte die ungestörte Fortdauer des Friedens und hebt die allseitig fortschreitende Ueberzeugung hervor, daß jedem Staatswesen die unabhängige Pflege der Wohlfahrt, der Freiheit und der Gerechtigkeit im eigenen Hause zustehe, daß die Wehrkraft jedes Landes zum Schutz der eigenen, nicht zur Beeinträchtigung fremder Unabhängigkeit berufen sei. In Bayern spitzen sich die Dinge nach der Krone zu. Das Mißtrauensvotum der Ncichsräthe hat der König nicht angenommen, das Votum der 2. Kammer wird er doch annehmen müssen. Die Patrioten haben ihre Adresse mlt 78 gegen 62 Stimmen Wort für Wort durchgesetzt. Ein einziges Wörtlein fiel: „erfahrungsgemäß." „Erfahrungsgemäß sind die Verträge mit Preußen der Deutung fähig." Fürst Hohenlohe verließ die Kammer nach der Abstimmung und wiederholte sein Entlassungsgesuch. — Die vorläufige Zoller hebung der Steuern wurde von der Kammer bewilligt. Aus den Straßen in Paris hat sich der Kampf in die Kammer gezogen und die aufständischen Geister sind schwerer zu bewältigen, als die Leiber auf den Barrikaden. Eine bittere Frucht des 18jährigen persönlichen Willkürregiments ist die Verbitterung und Verwilderung der Geister, von denen viele die Achtung vor dem Gesetze und den Glaube» an die Ehrlichkeit der regierenden Männer verloren haben. Sie erhoben den schweren Vorwurf, daß die Justiz nicht mehr un befangen und unparteiisch urtheile, sie habe es verlernt. Die Re publikaner Ferry, Gambetta, Palletan, Garnier-Pages secundiren in der Kammer den Rocheforts, Flourens rc. auf den Straßen und schleudern gegen Ollivier, der die Ordnung mit der Freiheit versöh nen will, die bittersten Angriffe. Vergeblich verweist er auf die Ge setze und die Richler, die Antwort ist: sie sind verdorben, sie verdie nen keinen Respect! Die Glocke und der Ordnungsruf des Präsiden ten haben unermüdlich zu thun. Ollivier spricht zum Schluß ein treffendes Wort zu den Schwarmgeistern: Wir (Minister) sind in ei ner seltsamen Lage. Jeden Augenblick verlangt man von uns ge wissenhafte Achtung der Gesetze, und wenn wir sie anrufen, sprechen Sie Ihre Verachtung gegen dieselben aus. Bei solchem Krieg kann Niemand gewinnen. Wir kämpfen nicht blos für die Ordnung, son dern auch für die Freiheit, die zweierlei Gegner hat, die Anhänger des Absolutismus oben und die Anhänger des noch gefährlicheren Absolutismus von unten. Die goldene Hochzeit. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Der Fleischer kam also zur großen Herzenserlelchtcrung der al ten Röstet augenblicklich herüber, steuerte gerade ans sein Ziel los und den Freund derb bei den Achseln schüttelnd, daß dieser wie ein ichenmesser vollends zusammenknicktc, fragte er lachend: „He, bist ja geputzt wie ein Pfingstochse^ siehst ordentlich ganz statiös aus; ich glaube, wenn Deine Alte stirbt, nimmst Du die Freiersfüße noch einmal auf den Rücken." „Möchts können, die Füße auf den Rücken nehmen," antwortete dieser, „auf dem Erdboden wollen sie so nicht mehr fort." Und wie magst Du erst heute früh unter den Blumen ausge sehen haben? Wie eine gebackene Birne am Christbaum! Das hat Dir doch gefallen, wie sie alle um Dich 'rumgesprungen mit Blumen und zur goldenen Hochzeit gratulirt haben." „So, zur Hochzeit? Wer macht denn Hochzeit?" „Du alter Friede, stell' Dich nur nicht so dumm an, hast Du denn schon wieder Alles vergessen? Heut' mußt Du mit zur Kirche, da wäscht dich kein Regen ab!" „Ja, ja! jetzt füllt mirs ein, Lob," — der alte Röstel kürzte stets den Vornamen seines Freundes „Gottlob" in dieser bequemen Weise ab, — „sie redeten davon; aber," wandte er sich geheimnißvoll an seinen Freund — „ich gehe nicht mit, ich thu's nicht," kicherte der alte gebrechliche Mann ganz vergnügt. „Ach, mach' keine Geschichten!" beschwichtigte der Fleischermeister, „das wirst Du uns nicht anthun. „Nein, nein, ich geh' nicht mit," wiederholte mit kindischer Lu stigkeil der alte Röstel und versank dann wieder in sein gewohntes Hinbrüten. Der Fleischer merkte wohl, daß so mit seinem alten Freunde nichts anzufangen sei, er mußte ihn auf ein anderes Capitel bringen, ihn von der Vergangenheit sprechen lassen, um ihn dadurch aus sei nem kindischen Zustande herauszureißen. Man schrieb den 13. September 1859. Der rüstige Jubilar konnte daher int Recht auf ein anderes Thema überspringen und wandte sich jetzt wieder "an seinen hinbrütenden Freund: „He, Ehrenfried, 's ist richtig, wie ich Dir gestern sagte, die Franzosen haben wieder gewonnen, das sind doch wirklich ganz verdammte Kerle." „Haben die Franzosen gewonnen?" fragte der alte Röstel halb gedankenlos, denn sein Freund mußte ihm erst immer den Kopf zu recht setzen. „Ja wohl, haben sie gewonnen, Friede, und nun sitzen die Oesterreicher in der Tinte." „Da werden sie bald zu uns kommen," entgegnete dieser. „Wer? Die Oesterreicher?" brauste der Fleischer auf. „Die Franzosen," entgegnete der Bäcker ruhig, „wenn sie ein mal über den Rhein sind, dann ist's vorbei." „Ach, was verstehst Du denn? Mengst Du wieder Kraut und Rüben durcheinander?" erwiederte der Fleischer ärgerlich, „ich rede von Italien." /,Ja, ja, es ist schlimm, wenn sie schon drüben," bemerkte der Bäcker, der in seine gewohnten Träumereien versunken war, zu Zei ten aber wirklich schlecht hörte. „Ich rede jetzt vom italienischen Kriege, Friede! Mach' mich nickt ärgerlich," entgegnete der Fleischer mit gehobener Stimme und sein ohnehin frisches Gesicht röthete sich noch mehr vor Zorn. „O, mögen sie immer kommen, die Franzosen ! Wir Habens Fran zösisch noch nicht verlernt, nicht wahr, Lob?" fragte der alle Röstel. „Du wirst wohl nicht mehr viel wissen," entgegnete stolz der Fleischer, „aber ich! Schambohnen, das sind Stinken, — Viehan, das ist Fleisch. Ich hätte dem ersten Franzos' bald eine Ohrfeige gegeben, wie er von Viehan redete, aber da kam der Dollmetsch und sagte das heiße Fleisch — nun das mochte auch der Teufel wissen. „Ja, da haben wir springen müssen," meinte der alte Ehren fried ausgemuntert, „die Beine thun mir heute noch weh, wenn ich daran denke. „Und gut wars, daß wir schon 1809 unsere Weiber genommen," bemerkte der Fleischer, init einer kühnen Schwenkung auf sein eigent liches Ziel lossteuernd, „sonst wären wir noch lange nicht bei der goldenen Hochzeit." „Aber das auf die Heirath gehen war das Schönste," entgeg nete Ehrenfried Röstel ablenkend, der von dem Gespräch wieder ganz munter geworden war, „wie wir beide zu ein und demselben Mädel gingen. „Und wie ich.es Dir abspänstig machte," ergänzte der Andere lachend ; „aber 's war Dein Glück, ja, ja, Frau Gevatterin," wandte er sich an die alte Röstel, .die jetzt eben in das Zimmer trat, in ge spannter Erwartung, ob der alte Sauer bereits seinen Freund be kehrt habe. „Sie hätten sehen sollen, wie die Beiden mit einander dumm gethan, statt sich zu hätscheln. Gut waren sie sich, aber keines redete ein Wörtchen, und die säßen heute noch beisammen und guckten sich an, wie satte Katzen, wenn ich sie nicht glücklicherweise auseinander gebracht." Der Fleischer hatte die Geschichte schon hundertmal erzählt und aufgewärmt, aber die alte Röstel fragte heute doch wieder, um den Gajl bei guter Laune zu erhalten: „Nun, wie war denn eigentlich die Geschichte?" „Sehen Sie, Frau Gevatterin," begann der Fleischer filbstge- fällig, „ich hatte nun einmal auch ein Auge auf Kellerwirths Mar garethe geworfen, denn hübsch war sie, alla Bonhör, und die Ju gend, die Jugend! Frau Gevatterin, die sieht immer nur auf die hübsche Larve. Ehrenfried und ich waren wohl dicke Freunde und ich hielt ihm überall garstig die Stange, aber in Liebessachen hörte früher wie jetzt in Geldsachen, Lie Gemächlichkeit auf. Ich merkte wohl, daß Ehrenfried bei der schönen Kellerwirths Tochter einen Stein im Brett hatte, daß sie sich einander zunickten und lächelten, aber die Courage hab' ich nie verloren. Dummheiten, Frau Ge vatterin, die schüttelte ich damals so aus dem Aermel, wie heut zu Tage meine guten Rachschläge." Der alte Sauer stieß ein herzliches Gelächter aus und fuhr dann in behaglicher, redseliger Laune fort: (Forts, folgt.)