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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 8. Dienstag, den 1. Jekruar 1870 Bekanntmachung Nach Z 21 des mit dem 1. Januar 1870 in Kraft getretenen Bundesgesetzes, betreffend die Wechselstempelsteucr im Norddeutschen Bunde, vom 10. Juni 1869 (Bundesgesetzblatt vom Jahre 1869, S. 193 fg.) haben die Notare und andere Beamte, welche Wechselproteste ausfertigen, die Verpflichtung, die Versteuerung der bei ihnen verkommenden Wecbsel und Anweisungen von Amtswegen zu prüfen und die zu ihrer Kenntnis; kommenden Zuwiderhandlungen gegen das gedachte Bundesgesetz bei der nach 8 18 desselben zuständigen Behörde zur Anzeige zu bringen, auch sowohl in dein Proteste, als in dem über die Protestatio» etwa aufzunehmenden Protokolle ausdrücklich zu be- merken, mit welchem Stempel die protestirte Urkunde versehen, oder daß sie mit einem Bundesstempel nicht versehen ist. Indem die Notare und Gerichtsbehörden Hierauf noch j besonders aufmerksam gemacht und dabei auf die in Nr. 1 des Dresdner Journals von diesem Jahre, sowie in der Leipziger Zeitung und in allen Amtsblättern abgedruckte, den Bundeswechselstempel betreffende Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 28. December vorigen Jahres verwiesen werden, und erwartet, daß dieselben der ihnen nach der erwähnten bundesgesetzlichen Bestimmung obliegenden Verpflichtung gebührend nachgehen werden. Etwaige Zuwiderhandlungen sind bei den Äppellationsgerichten, als den, den Untergewichten und Notaren in ihren Bezirken zunächst vorgesetzten Aufsichtsbehörden zur Anzeige zu bringen. Dresden, am 11. Januar 1870. M i n i st e r i u m der In st i z. I-r Rosenberg. Tag esgeschichte. Uebcr den Antrag auf 'Abrüstung in der nordd. Bundesarmee gabs in der ersten Kammer in Dresden lebhafte Verhandlungen. Mehrere Redner sprachen für Präsenzverminderurg. I)r. Heinze: Die Armee befinde sich auf Friedensfuß; wie könnte man abrüsten, da nicht aufgerüstet sei? Mair müsse mit dem Anträge warten bis 1871, wo der eiserne Etat ablaufe. Er sei der entschiedenste Gegner des Einheitsstaates oder eines GroßpreußenS, aber kein Opfer sei ihm groß genug, den nordd. Bund zu erhalten und zum deutschen Bunde zu erweitern. Von allen Staaten Europas liege kein ein ziger so vcrthcidigungslos da, als Deutschland, dessen Grenzen von allen Seiten offen stehen, v. Zehmen: Die einfache Wahrheit sei, daß der MilitärismuS schwer auf Deutschland laste. Warum solle man das nicht sagen? Jedenfalls sei die Politik falsch, welche ein Land schon im Frieden finanziell ruinire. Von einer preußenfeind lichen Demonstration sei nicht die Rede; denn wenn mich Jemand auf dm Fuß tritt und ich sage: Erlauben Sie, das thut Weh! so ist dies kein Angriff. Kriegsminister v. Fabrice: Bis 1871 sei man un bedingt an die jetzige Militäreinrichtung gebunden. Ohne Mißach tung der Wehrhaftigkeit und Machtstellung Norddeutschlands lasse sich an den Einrichtungen nichts ändern, die Abrüstung werde einem Um sturz des Wehrsystems und einer Wehrlosmachung Deutschlands gleich- kommen. Die Armee habe auch den Kampf gegen Revolution und die Ausschreitungen des Socialismus aufzunehmen, die Ausgaben dafür seien daher nicht unproductiv. Seinen Antrag auf Verkauf der StaatZeisenbahnen hat der Ab geordnete Schnorr aus Leipzig zwar nicht weiter verfolgt, aber doch der Regierung in so weit empfohlen, daß er bat, wenn eine Kaufs offerte an ste gelancn sollte, dieselbe nicht aus principiellen Gründen zurückzuweisen. Der Finanzminister sprach sich über diesen Punkt da hin aus: Was die Frage wegen des Verkaufs der StaatZeisenbahnen anlangt, so will ick nicht näher darauf eingehen, ich will auch die mannichfachen volkswirthschaftlicken Rücksichten, die dabei zu nehmen sind, hier nicht näher auseinandcrsetzen, sondern ich will nur vom finanziellen Standpunkt aus bemerken, daß natürlich, wie mir scheint, bei jedem Verkaufe eine der ersten Bedingungen die sein muß, daß dw Staatscasse diejenigen Einnahmen, die sie jetzt aus den Eisen bahnen zieht und auf die sie mit ziemlicher Sicherheit für die Zukunft rechnen kann, behält, damit nicht etwa die Steuerpflichtigen infolge eines solchen Verkaufs genölhigt werden, aus ihrer Tasche das dann in der Staatskasse Fehlende aufzubringen. Ob cs jemals gelingen wird, eine solche Offerte zu erhalten, lasse ich dahingestellt; bis jetzt ist der Staatsregiernng eine solche noch nicht gemacht, und die Offer ten, die ihr bis jetzt vorgelegen haben, waren alle nicht von der Art, um vom finanziellen S:andpunk:e aus Berücksichtigung finden zu können. Nach einer Ministerial-Verordnnng soll In Berücksichtigung eines ständischen Antrages künftighin das Zwangsmittel der militärischen Erccution gegen säumige Wegebaupflichtige in der Regel nur erst dann angewendet werden, wenn die Androhung einer Geldstrafe ohne Wirkung geblieben ist. Es mag hervorgehvben sein, daß unter den Prälaten, welche die neulich mitgetheilte Rauscher'sche Denkschrift, die Jnfallibilität des Papstes betreffend, unterzeichnet haben, sich auch der apostolische Vicar im Königreich Sachsen, Ludwig Forwerk, Bischof von Leonto- polis i. x., befindet. Zur Förderung und Verbreitung des rationellen Hufbeschlags hat der landwirthschaftliche Kreisverein zu Dresden sechs Ehrenpreise von je zehn Thalern für Schmiede ausgesetzt, welche sich im Laufe des Jahres einer Prüfung im Hufbeschlage bei der Thierarzneischule unterziehen und solche gut bestehen. Die Gewerbevereine zu Lauenstein und zu Bärenstein haben die Einrichtung getroffen, daß zu Anfang jeder Versammlung erst Unterricht in der Decimalrechnung zur Einführung in das neue'Maß- und Gewichtssystem ertheilt wird. (Nachahmungswerth!) Am 23. Jan. erfolgte die Beerdigung des verstorbenen Kriegs- rescrvisten Jähne in Niederoderwitz, welcher als Mitglied dcmda- sigen Militairverein angehörte, und zwar, da derselbe 1866 dem Feld zuge in Oesterreich beigewohnt hatte, mit den üblichen militairischen Ehrenbezeigungen. Bei dem Ehrenfeuer von bewaffneter Abtheilung hatten jedoch einige Gewehre den Schuß versagt und waren daher von vcn Inhabern geladen mit zur Kirche genommen worden, wo selbst für den Dahingeschiedenen besonderer Gottesdienst stattfand. Ein solches geladenes Gewehr mit aufgespanntcm Hahn wird von dem Besitzer einem seiner Kameraden mit den Worten entgegen ge halten: „Wart, jetzt werd ich Dich schießen!" und in dem Augen blicke, als der kirchliche Segen gesprochen werden soll, entladet sich das Gewehr und der vom Schuß im Gesicht schwer Verletzte sinkt zusammen. Die dicssallsige Untersuchung ist eingeleitet. Den Chemn. Nachr. wird aus Stollberg vom 28. Jan. be richtet: „Wie wir hören, fand man gestern in der obern Strecke der Fundgrube bei Lugau, deren Schacht jetzt wieder geteuft wird, die ersten 6 Leichen der vor mehrern Jahren über 100 Manu verun glückten Bergleute. Die Häupter der national!iberaten Partei in Berlin haben an alle namhaften Parteigenossen in Norddeutschland Einla dungsschreiben zu einer Versammlung in Berlin am ü. Febr. erlassen. Zweck der Versammlung: Berathung und Beschlußfassung über eine feste Parteiorganisation in ganz Demschland. Die Einladung ist er lassen von Benningsen, Forkenbeck, Hennig, Lasker, Miguöl, Oetker, Twesten und Unruh. Der Strike in Waldenburg ist aus, die Bergleute sind nach langem Hader zur Arbeit znrückgekehrt. Der alte Hartort, ein Volks- maun von ächtem Schrot und Korn, gibt Beiden, den Führern in Berlin und den Arbeitern in Waldenburg, eine goldne Lehre. Jeneir sagt er: „Die plötzliche Niederlegung der Arbeit war ein schlechtes Recept des Berliner Doctors. Wer 6000 Arbeitern räth zu feiern, der muß für jeden Tag 2000 Thlr. in Kaffe haben, um Brod für ne an-