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320 Dem internationalen Hilfsvcrcin ist so viel Charpie zugegangen, daß derselbe vorläufig für weitere Lieferungen davon dankt. Berlin, 7. October. Die „Kreuzzeitung" vernimmt, es sei von der Einberufung des Reichstages im Monat November die Rede, welcher hiernach die Landtagssession wohl vorhergehen würde. Die Haftnahme des Ur. Joh. Jacobi in Königsberg findet sehr wenig Zustimmung. Jacobi hat sehr wenig politische Ge sinnungsgenossen gehabt, im Preuß. Landtage stand er zuletzt ganz allein und trat aus, seine Verhaftung muß ihm aber die Theilnahme auch Derer erwecken, die ihm früher ganz und gar fern standen; sie ist auch nicht zu billigen. Das große siegreiche Preußen sollte sich wahrlich nicht vor einem Philosophen fürchten. — Die militärische Polizei hat — so fürchten wir — das Schlimmste begangen, was sie. nach einem alten Sprüchworte begehen konnte, nämlich einen Fehler. Hoffentlich wird sich Graf Bismarck beeilen, den Fehler wieder gut zu machen. Die Stadt" Nürnberg hat sich wieder einmal als eine deutsche Stadt bewiesen. Sie hat beschlossen, ein Capital von 35,000 st. zur Victoria-J nva lidenstiftung in Berlin beizusteuern. Das sollte überall in ganz Deutschland geschehen, damit ordentlich sür die im Kriege verunglückten Invaliden gesorgt würde und nicht so viele ihr Leben auf die kümmerlichste Weise mit Drehorgeln fristen Müßten. Wir müßten uns alle tief schämen, wenn ein Invalide, geschmückt mit dem eisernen Kreuze auf diese Weise betteln gehen müßte. Da der Krieg gegen die Franzosen so ungemein große Opfer fordert und die Zahl der Invaliden sich nach jeder Schlacht häuft, so sollten auch die deutschen Feldherren im Voraus auf jede Dota tion Verzicht leisten oder das dafür bestimmte Geld zur Juvaliden- stiftung spenden. Alan sagt ja wohl, die Jnvaltoen zu versorgen, das ist Sache des Staats. Allein wo soll dieser die Mittel her nehmen, wenn in einem so großen Kriege, wie der jetzige ist, die Einnahmequellen geringer werden und das nicht einmal eingeht, was in Friedcnszeiten nöthig ist? Wenn jede deutsche Stadt und jedes deutsches Dorf nach Verhültniß wie Nürnberg opferwillig wäre, dann könnte ein eisernes Capital aufgebracht werden, von dessen Ertrag den deutschen Invaliden geholfen werden könnte. Nur keine Zer splitterung'der Kräfte; denn mit vereinigten Kräften kann viel aus gerichtet werden. Das wird ein Jubel werden, wenn unsere Brüder und Söhne sicggekrönt wieder heimwärts ziehen und im Vaterlande alles viel schöner und wohnlicher finden, als sie es verlassen haben. Während sie draußen im Felde stehen und vielleicht noch manchen harten Strauß gegen den Erbfeind zu bestehen haben, wird im Stillen an dem Ausbau eines geeinigten großen Deutschlands gearbeitet. Hatte der von den Franzosen heraufbeschworene Krieg den deutschen Norden mit dem deutschen Süden geeinigt, so denkt man jetzt daran, das große Bundeshaus fertig zu bauen, ehe unsere deutschen Krieger wiederkommen. Es ist seither viel darüber verhandelt worden. In dem neuen Bundeshause soll das deutsche Parlament beralhen und das deutsche Reichsoberhaupt soll Kaiser werden. Das Militär-, Post-, Lelegraphcnwcscn, sowie die gcsandlschastliche Vertretung soll dem Kaiser gehören, alles andere aber den einzelnen Bundes fürsten verbleiben, wie es seither auch war. In den Hauptpunkten scheint man einig und in einigen Nebenpunktcn wird man es wohl bald werden, so daß der Riß dem deutschen Volk vorgclegt und der Bau sofort in Angriff genommen werden kann. Wie die „Volksztg." hört, hat ein durch seine Hochherzigkeit be kannter Rheinländer für die deutsche Jnvalidenstiftung einen Beitrag von 100,000 Thalern cingesandt. Aus Mexico fit für dieselbe Stiftung eine erste Nate von 25,000 Thalern eingegangen. Man hat jetzt vielfach die Befürchtung ausgesprochen, die ver bündeten deutschen Fürsten, die mit Gottes Hülfe durch ihre Heere so herrliche und glorreiche Siege über den Erbfeind Deutschlands errungen haben, dächten daran, dem Decembermann behülflich zu sein, daß er wieder in die Tuilerien einziehen und den verlassenen Thron wieder besteigen könne. Die Allgemeine Zeitung bringt da rüber eine große Auseinandersetzung. Allein an so etwas ist nun und nimmermehr zu denken. Mag man auch gegen den gefangenen Kaiser noch so großmüthig sich beweisen, dazu wird man gewiß nicht die Hand bieten, ihn in sein Reich wieder einzusetzen. Weder die deutschen Fürsten noch das deutsche Volk werden etwas dagegen haben, wenn die Franzosen ihren entthronten Kaiser wieder haben wollen. Aber ausnölhigen werden sie ihnen den gestürzten Kaiser nicht. Darauf aber müssen sie halten, daß die Franzosen eine ge ordnete Regierung Herstellen, sei es eine republikanische oder eine monarchische, damit sie mit dieser endgültig pactiren können. Alles ist vorb ereitet, sagt die „Prov.- Corr.", um zum Angriff gegen die Forts und zum Bombardement von Paris zu schreiten. Das Belagerungsgeschütz ist von Me- aux trotz aller Schwierigkeit der Wege an Ort und Stelle geschafft. Nachdem die erste Periode der Belagerung, die Cernirung, so vollständige Resultate ergeben hat, daß in der That eine ganze Bevölkerung von zwei Millionen Menschen durchaus abgesperrt ist, verspricht auch die zweite Periode um so mehr Erfolg, als sie sofort mit äußerstem Nachdruck angefangen werden wird. Der Muth und die Opferfähigkeit der Pariser Bevölkerung werden erst jetzt ihre entscheidende Probe zu bestehen haben. Die Vorbereitungen für die Winterausrüstungen der Armee finden sich, wie die „V. Z." berichtet, in voller Ausführung begriffen und dürften noch selten Truppen sich so wohl für einen Winterfeld- zug vorgesehen gefunden haben, als mit denen des deutschen Heeres binnen wenigen Wochen der Fall sein wird. Die Erfahrungen des dänischen Feldzuges sind bei dieser Ausrüstung zu Anhaltspunkten genommen worden, während welches Krieges sich vor Allem die damals an die Truppen ausgegebeneu halbhohen Stiefeln mit festen Schäften bewährt haben. Dazu treten an wollenen Unterkleidern: wollene Hemden, Leibbinden, Socken und Unterhosen. Auch eben solche Handschuhe, ein Halstuch und Ohrenklappen werden nicht ver gessen werden. Vor Metz ist, obgleich die Uebergabe des Platzes sich wohl schwerlich bis in den Winter verziehen möchte, die Er richtung von Baracken soweit vorgeschritten, um demnächst der ge sicherten Unterkunft aller dort lagernden Truppen entgegen sehen zu können. Vor Paris bieten hingegen die vielen Ortschaften rings tim diese Stadt die ausreichenden Unterkunftsräume auch für eine doppelt so starke Armee, als die gegenwärtig im Unikreise dieser Stadt con- centrirten Streitkräfte. Jeder Mann der Ccrnirungsarmee erhielt außerdem noch eine wollene Decke und sind dieselben an die Truppen vor Metz größtentheils bereits zur Vertheilung gelangt. Von be sonders günstiger Wirkung auf den Gesundheitszustand der Truppen ist außerdem dte nun schon seit mehreren Wochen andauerde günstige Witterung gewesen, und darf der zeitige Krankenbestand derselben als ein sehr mäßiger erachtet werden. Im Westen Frankreichs spricht sich die öffentliche Meinung ent schieden sür den Frieden aus. So äußert sich das „Journal de Fecamp" u. A. in folgender Weise: „Ohne diesen dithyrambischen Styl nachahmen zu wollen, sagen wir mit dem „Courier du Havre": ja der Friede ist das sehnliche Verlangen aller menschlich fühlenden Herzen m Frankreich, Deutschland und Amerika. Ja, der Friede ist der Wunsch Frankreichs. Ja, Frankreich besiegt und gedemüthigt, Wünscht und verlangt den Frieden. Jeder Wiederstand ist künftig ohnmächtig. Er wird nur eine neue Hekatombe von einer Million Leichen zu der Million von Leichen hinzufügen, welche auf den Feldern von Weißenburg, Reichshofen, Jaumont und Sedan modern. Wir sind besiegt, zertreten, wie zu keiner Zeit eine Nation es ge wesen ist. Hören wir auf, uns mit neuen Hoffnungen zu verblenden und auf eine unmögliche Verlheidigung zu viel Hoffnung setzen. Wir sind ehrenhaft besiegt. Unsere Armee, die nicht mehr ist, hat helden- müthige Anstrengungen gemacht. Sie hat sich auch die Achtung der Sieger erworben. Die Ehre ist gerettet. Wir sind besiegt. De- müthigen wir uns! Haben wir die Würde des Unglücks! Unter werfen wir uns schweigsam, bescheiden! Der Friede, der Friede allein, der überall von ganz Frankreich gefordert wird, kann die Zukunft des Landes retten, indem seine Menschen und Hülfsqnellen geschont bleiben. Zur Stunde müssen wir im Hinblick auf das Un glück des Vaterlandes den Muth haben, den Nacken zu beugen und um Frieden zu bitten. Am 27. September, um zwölf Uhr Mittags, war Paris plötz lich in Rauch eingehüllt. Ein Theil des Petroleums, welches in der Billette es soll zu militärischen Zwecken verwandt werden — liegt, gerieth nämlich in Brand. Um 2 Uhr war man Herr des Feuers. — Am 26. ereignete sich in Paris ein eigenes Schauspiel. Ein Anzahl Soldaten, denen man die Hände auf den Rücken ge bunden halte, und die ihre Mützen und Uniformen auf der Kehrseite trugen, wurden durch zwei Reihen Soldaten geführt. Auf ihrer Brust trugen sie folgende Inschrift: „Elender Feigling, der du deinen Posten vor dem Feinde verlassen hast. Alle ehrlichen Leute werden aufgefordert, dir ins Gesicht zu spucken". Das ist doch geradezu albern! Obgleich alle Briefe und Berichte fast ohne Ausnahme fort während versichern, daß in der Hauptstadt nicht die geringste Un ordnung vorgetommen, so scheint dort doch eine große Erregung zu herrschen, und daß es sogar zu Straßenkrawallen gekommen, geht deutlich aus einer Proclamalion hervor, welche der General Trochu veröffentlicht hat, worin er für unstatthaft erklärt, daß ferner Ma nifestationen gemacht werden, wie die, welche auf dem Platz vor dem Hotel de Ville stattfand. Privatbricfe aus Paris vom 27. deuten übrigens, wenn auch in sehr dunkler Weise an, daß es zu Ruhe störungen gekommen ist. Versailles, 8. October. (Offtciell. Eingegangen den Oten 2 Uhr 45 Minuten, Nachmittags.) Am 6. October siegreiches Gesecht der badischen Brigade Degenfeld zwischen Raon Etape und St. Die gegen größere Massen Franctireurs und Abtheilungen französischer Truppen unter General Dnpro. Letzterer verwundet. Feind aus- cinandergesprengt. Vor Paris nichts Neues. v. Podbielski. Bei der Einnahme Straßburgs fand sich, daß die Stadt in mancher Hinsicht noch sehr gut verproviantirt war, und wenn wir die bedeutenden Zerstörungen der Festungswerke, die ein längeres Halten derselben unmöglich machten, nicht in Betracht ziehen, so hätte sich Straßburg wohl noch lange halten können. Mangel an gutem Fleisch, sowie an Milch und Salz machten sich übrigens schon in den ersten Wochen der Belagerung fühlbar. Außer der bedeuten den Beute an Kriegsmaterial waren es auch etwa 300,000 Centner Tabak, mit einein Werthe von 6,000,000 Gulden, die unseren Truppen in die Hände fielen. Eine ofsicielle Nachricht von Metz meldet, daß Bazaine abermals einen Ausfallsversuch in größerem Maaßstabe unternommen hat, der ebenso wie die früheren von den Cernirungstruppen energisch zurückgewiesen worden ist. Seit dem 30. September, binnen kaum acht Tagen, ist dies der dritte Angriff der Franzosen auf die Linien der Blokirungsarmee. Nachdem sich Bazaine fast vier Wochen ruhig verhallen, muß dieser plötzlichen Thätigkeit doch ein sehr dringlicher Umstand zu Grunde liegen, und man wird wohl durchaus keinen Feh schuß thun, wenn man annimmt, daß nunmehr in Metz die Lebensmittel total verzehrt sind. Das Gefecht muß übrigens sehr hartnäckig gewesen sein, da Bazaine die Gardetruppen mit ins Feuer führte und nach zwei Seiten hin über sechs Stunden lang durchzu- brechcn versuchte; einmal nach Norden über das Dorf Woipph auf