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des Fürsten Ferdinand als ein bloßes Interregnum betrachtet und waren fest überzeugt, daß Prinz Alexander eines Tages zurückkehren würde. Aber selbst die Hoffnungsvollsten räumen jetzt ein, daß das nun unmöglich ist und sprechen schon davon, daß sie sich der russischen Partei anschließen wollen. Die bulgarische Regierung schuldet dem Fürsten Battenberg eine Million Franken auf Rechnung der von ihm nach seiner Abdankung ver kauften Privatbesitzungen. Eine halbe Million hiervon ist schon bezahlt, der Rest soll demnächst entrichtet werden. London. Die von der „Post" gebrachte Nachricht von einer im August bevorstehenden Hierherkunft Kaiser Wilhelms findet allenthalben eine sympatbische Aufnahme, und erregt in deutschen Kreisen Londons natürlich große Freude. Man hofft, daß es der Bevölkerung Londons gestattet sein wird, dem deutschen Kaiser einen großartigen öffentlichen Empfang bereiten zu können, ganz besonders darum, weil es sick weniger um einen Besuch bei hohen Verwandten, die für London fast immer un sichtbar sind, handelt, sondern vorwiegend um die Beglaubigung derThat- sache des guten Einvernehmens der Regierungen und der beiden Nationen. Im Lager von Aldershot rüstet man sich, wie aus London gemeldet wird, jetzt schon für den Besuch des Kaisers Wilhelm. Zu den zu dessen Ebren stattfindenden Truppenübungen soll ein ganzes Armeekorps zusammenge- zogen werden. Aus England wird von Ueberschwemmungen berichtet. Halb Taun ton ist fünf Fuß unter Wasser. Viele Leute und Tbiere find ertrunken, die Eisenbahnbrücke wurde niedergerissen und der Verkehr unterbrochen. Viele Tausend Morgen in den Midland-Provinzen sind überschwemmt. Boterländifcke». — In dem Bericht der Handels- und Gewerbekammer Plauen wird über die Kirmes feiern wie folgt geurtheilt: Eine Beschränkung der Kirmcsen durch Verlegung derselben auf eine und dieselbe Woche im ganzen Lande, wie die Handels- und Gewerbekammer Chemnitz in einer an das Ministerium des Innern gerichteten Eingabe empfiehlt, bezwecke eine Be vormundung des Arbeiters und eine Beschränkung desselben in seiner ge selligen Bewegungsfreiheit. Es sei in dieser Angelegenheit große Vorsicht angezeigt, weil es sich nach dem Anträge der Chemnitzer Kammer um die durchgrefende Umstaltung einer alteingelebten Einrichtung kirchlichen Ur sprungs handle, die für den größten Theil der Kirchspielangchörigen den Charakter einer Familienfeier angenommen habe, zu welcher sich die außer halb des Kirchspiels wohnenden Verwandten und guten Freunde der Familie regelmäßig oft aus weiter Ferne einfinden, um auf einige Tage wieder in gemüthlichen Verkehr mit einander zu treten und die vorhandenen gemütb lichen Beziehungen wieder auf ein Jahr aufzufrischen u. s w. Die Plauener Handels-und Gewerbekammcr beschloß demzufolge einstimmig, den Antrag der Handels- und Gewerbekammer Chemnitz betreffs Verlegung sämmtlichcr Kirmesfeiern im Königreich Sachsen auf denselben Zeitpunkt auf sich be ruhen zu lassen. — Auf eine von der Zittauer Handels- und Gewerbekammer an die Generaldirektion der Kgl. sächsischen Staats-Eisenbahnen gerichtete, eingehend begründete Vorstellung über das ungünstige Tarifwesen der säch sischen Schmalspurbahnen ist der Kammer jetzt von der Generaldirektion eröffnet worden, daß den von der Kammer geäußerten Wünschen durch die sür den 1. April d. I. beabsichtigte Einführung neuer Tarife für die schmalspurigen Eisenbahnen im Wesentlichen werde Rechnung getragen werden. — Am 4. d. M. und folgende Tage hat eine abermalige Auslosung Königlich Sächsischer Staatspapiere stattqefunden, von welcher die Staatsschulden-Kassenscheine vom Jahre 1847, 3N« Staatssckulden-Kassen- scheine vom Jahre 1855, ingleichen die am 1. Juli 1889 mit 9^/, "ch Prämienzuschlag rückzahlbar werdenden 4 "/<, sächsisch-schlesischen Eisenbahn aktien betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten Staatspapiere werden hierauf noch besonders mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, dah die Listen der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämmtlichen B°zirkssteuereinnahmen und Gemeindevorständen des Landes zu Jedermanns Einsicht aufgelegt werden. Mit diesen Listen werden zu gleich die in früheren Terminen ausgelosten, aber noch nickt abgehobenen Nummern wieder aufgerusen, deren große Zahl leider beweist, wie viele Interessenten zu ihrem Schaden die Auslosungen übersehen. Es können dieselben nicht genug davor gewarnt werden, sich dem Jrrthume hinzugeben, daß, so lange sie Zinsscheine haben und diese unbeanstandet eingelöst wer den, ihr Kapital ungekündigt sei. Die Staatskassen können eine Prüfung der ihnen zur Zahlung präsentirten Zinsscheine nicht vornehmen und lösen jeden ächten Zinsschein ein. Da nun aber eine Verzinsung ausgeloster Ka pitale über deren Fälligkeitstermin hinaus in keinem Falle stattfindet' so werden die von den Betheiligten in Folge Unkenntniß der Auslosung zu viel erhobenen Zinsen seinerseit am Kapitale gekürzt, vorwelcbem oft empfindlichen Nachtheile sich die Inhaber von Staatspapierm nur durch regelmäßige Einsicht der Ziehungslisten (der gezogenen wie der restircnden Nummern) schützen können. — Mit dem 1. Januar dieses Jahres ist die Unfallversicherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben des Königsreichs Sachsen be schäftigten Personen zur Thatsacke geworden und die Zahl der seit diesem Tage zur Anmeldung gelangten Betriebsunfälle in der Land- und Forst- wirthschaft, einschließlich der Kunst- und Handelsgärtnerei ist eine weit größere, als man anfänglich anzunehmen pflegte. Um so heilsamer er scheint angesichts dieser Thatsache das durch die Reicks- und Landesgesetz- gebung zur Durchführung Gelangte; aber um so nothwendiger ist es auch, daß land- unv forstwirthsckaftlicbc Betriebsunternehmer sich mit den ein schlagenden Bestimmungen der Gesetze vertraut machen und fick unterrichten über ihre Pflichten sowohl, wie über ihre Rechte. Die „Oekonomische Gesellschaft im Königreiche Sachsen", geleitet von dem Streben, weiteren Kreisen der genannten Berufszweige Anregung zu tieferem Eindringen in die bezüglichen Gesetze und zu dem zur Klärung wesentlich beitragenden Meinungsaustausche der Berufsgenossen zu geben, hat den ersten Bevoll mächtigten der land- und forstwirthschaftlichen Berufsgenossenschaft für das Königreich Sachsen, Herrn Direktor Möbius zu einem Vortrage veranlaßt über: „die Unfallversicherung der in land- und forstwirthschaft lichen Betrieben beschäftigten Personen", welche in der am 15. März 2 Uhr im Restaurant Tivoli zu Dresden, Wettinerstraße, erweiterten Ver sammlung ihrer Mitglieder stattfinden wird; die Gesellschaft hofft vor allem auf zahlreiche Theilnahme von feiten der Herren Vertrauensmänner und stellvertretenden Vertrauensmänner der landw. Berufsgenossenschast. — Butter wird in Sachsen von allen Schichten der einheimischen Bevölkerung als eine unentbehrliche Zugabe zum Brode betrachtet. Der Verbrauch davon ist daher ein großer und dürfte mit 15 Kg pro Kopf und Jahr kaum zu hoch angenommen sein, was einem Gesammtverbrauch bei 3 Millionen Einwohnern von 45 Mill, KZ pro Jahr gleichkommt. Nach den von dem Generalsekretär des sächsischen Landeskulturrathes, von LangSdorff, angestellten Berechnungen verbleiben den Landwirthen Sach sens zur Herstellung von Butter jährlich nur ca. 352,, Mill. Liter Milch, von welcher bei dem Vorherrschen der Niederungsrassen durchschnittlich nicht unter 26 Liter für 1 KZ Butter erforderlich sind, so daß im Lande selbst an Butter nur bereitet werden 13,^2 Mill. KZ und an Tafelbutter noch von auswärts bereits seit 1879 mehr als 30 Mill. KZ bezogen werden müssen, wozu noch eine nicht unbedeutende Menge Kochbutter bez. Schmalz kommt. — Der seit dem 3. März vermißte Fuhrmann Kohlsche aus Bulleritz bei Kamenz wurde am 4. März mit Pferd und Schlitten in dem zwischen Grüngräbchen und Großgrabe gelegenen herrschaftlichen, sogenannten Schwa nenteiche ertrunken aufgefunden; das Pferd, welches ebenfalls im Eise eingefroren gewesen, wurde, wenn auch erstarrt, so doch noch lebend her ausgezogen. Kohlsche ist, wie festgestellt worden, am Sonntag Abends gegen 8 Uhr in Grüngräbchen ohne Beleuchtung weggefahren, hat sich auf dem nach Großgrabe und Bulleritz führenden Wege verirrt und ist hierbei in den gedachten Teich gerathen. — Am 6. d. M. machte der Nacktwächter von Ober- und Nieder- spaar, Thieme, durch Erhängen seinem Leben ein Ende. Als seine Frau vom Markts zurückkehrte, fand sie den Todten an der Thürklinke hängen. — Die 8. allgemeine sächsische Lehrerversammlung soll in diesem Jahre vom 29. Sept, bis mit 1. Oktbr. in Chemnitz zusammentreten. Die Chemnitzer Lehrerschaft ist bereits jetzt mit den Vorarbeiten beschäftigt. — In der Nacht zum 6. d. stürzte ein Soldat des 2. Grenadier regiments infolge von Schlaftrunkenheit aus dem dritten Stockwerk der östlichen Jnfanteriekaserne in Dresden in den gepflasterten Hof und erlitt einen doppelten Schädelbruch, der den sofortigen Tod des Verunglückten herbeiführte. Der schwarze Robert oder: Meine Frau und ich. Von Michael Folden. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Nauheim, sei es noch heut wenigstens dafür gelobt und gepriesen, scheint nicht viel Verkehr bei Bummelzügen zu haben, denn der Perron war fast leer, nur einige Beamte hatten sich um uns gesammelt, sonst wäre die schreckliche Tragikomödie von einem noch zahlreicheren Auditorium in Scene gegangen. Aber sie war auch so schlimm genug! Ich raffte mich indeß noch einmal zusammen und sagte energisch zu dem Polizei- manne: „Geben Sie mir nun das Papier oder behalten Sie es in Gottes Namen — aber ich muß fort." „Können Sic sich legitimiren, wer Sie eigentlich sind? fragte der Beamte mißtrauisch. „Legitimiren? Nein. Ich habe keine Papiere bei mir, ich befinde mich nur auf einer kleinen Reise." „Aus Calcutta her?" höhnte der Beamte, der mich immer mißtrau ischer anblickte. „Nein — ich habe meinen Wohnsitz zur Zeit hier in Deutschland und habe nur einen kleinen Ausflug gemacht von da, wo ich wohne." „Wo denn? fragte der Beamte. Ich stockte. Ich wußte nicht, ob ich als Süßmilch mit meiner Wohnung weiter in der Welt umherirren oder lieber in die Bahnen meines wirklichen Wohnsitzes einlenken sollte. Aber dort würde man ja auch nach einem Handlungsreisenden aus Calcutta vergeblich recherchirt haben! Was also thun? Ich sagte daher bestimmt: „Wenn es nöthig ist und mir ein bestimmter Grund, darnach zu fragen, entgegengehalten wird, werde ich näheren Aufschluß über mich geben, eher nicht." „So bitte ich Sie, mir zur Wache zu folgen." Lauter Beifallssturm der Anwesenden stimmte dieser Entscheidung zu. Also wieder einmal die Wache! Und eben läutete es zum dritten Male — ich mußte ja nach Warnstadt! Ich sagte das dem Polizeimann, aber er lackte. Das werde wohl Zeit haben müssen, erklärte er und ich ergab mich in mein Sckicksal. Ick war schon ordentlich daran gewöhnt, arretirt zu werden! Er war nur auf mein Ersuchen so gütig, ü conto meiner Kasse eine Droschke zu nehmen und stolz fuhren wir Beide dem traulicken Polizeiamt Nauheim's zu. Mein Entschluß war gefaßt, ich wollte mich dem Polizeidirektor selbst erschließen, wenigstens soweit erschließen, wie es meine Nauheimer Affairen und meinen wirklichen Namen betraf. Aber auch nur ihm, in welchem ick einen gebildeten Monn zu finden hoffen durfte — nicht den Unter- bcamten, welcher weder die Macht hatte, eine Sache zart und mit Dis- cretion zu behandeln, noch deren Geschwätz ich meinen wirklichen Namen preisgeben wollte. Ich verlangte, den Polizeidirector persönlick zu sprechen und man sagte mir, er sei nicht anwesend, kehre erst Abends zurück. In grimmig verweigerte ich jede Auskunft über mich, außer an ihn selbst und erhielt als Antwort darauf die Mittheilung, daß ich mich dann bequemen müsse, bis zum Abend auf der Wache zu verbleiben. Die Beamten schienen indeß wenigstens von der stillen Ahnung durchdrungen, daß ich nicht gerade ein Näuberhauptmann, sondern wohl so Etwas wie ein an ständiger Mensch sei es geht doch manchmal nichts über einen Poli zeiblick! Sie boten mir an, daß ich gegen eine kleine Entschädigung ein gutes Zimmer beim Hausmann des Gebäudes erhalten könne, in welchem man mich allerdings einschließen müsse und ich ging mit Freuden darauf ein. Ich erhielt ein reinliches Zimmer, der Hausmann versorgte mich auf meine Kosten mit allem gewünschten Essen und Trinken und es wäre dort nach all' dem Erlebten ganz traulich gewesen — wenn man mich nur nickt eingeschlossen und wenn ich nur nickt nach Warnstadt gemußt hätte! Der Hausmann brachte mir auch Lectüre — gegen Abend zum Bei spiel das Nauheimer Abendblatt. Ich blätterte es flüchtig durch und traute meinen Sinnen nicht, als ich wahr und wahrhaftig Folgendes las: „Der rühmenswerthcn Aufmerksamkeit unserer Nauheimer Polizeibeamten ist es heute gelungen, eines lange gesuchten gefährlichen Hochstablers in der Person eines angeblichen Handlungsreisenden Theodor Süßmilch aus Calcutta habhaft zu werden. Der gefährliche Mensch wurde kurz vor Abgang des Mittagszuges aus hiesigem Bahnhof fast in LaZranti erwischt, als er eben im Begriff stand, sich mit einer ansehnlichen Beute per Bahn aus dem Staube zu machen. Man spricht von einer wahrhaft genial ausgeführtcn Fälschung eines Pfandbriefes über 7000 Thaler auf das Haus der be kannten hiesigen Firma Siegmund Habermann Söhne und von einem großartigen Diebstahl an Brillantringen. Der Verbrecher, ein Mensch von herkulischer Kraft, leistete übrigens so heftigen Wiederstand, daß er geschlossen per Wagen nach dem Gefängniß transportirt werden mußte. Ein Näheres hoffen wir unseren Lesern schon morgen mittheilen zu können." Wüthend schleuderte ich das Blatt in den entferntesten Winkel des Zimmers und wäre am liebsten mit dem Kopfe durch die Thür gerannt! — Gerechter Himmel, was vermag so ein Reporter zu leisten — selbst ein Nauheimer! Eine Stunde später meldete man mir, daß der Polizeidirektor bereit sei, mich zu hören, und ich wurde zu ihm geführt. Der Direktor saß an seinem Tisch hinter einem Aktenstück und blickte mich einen Augenblick scharf an.