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Wochenblatt für für für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. NvununDdreißigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) AvonnementspreiS vierteljährlich I Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps. Jnseratenaunabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis ^vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnscratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Nr. 87. Dienstag, den Die Sozialdemokratie. Die „National-Zeitung", welche — irren wir nicht — s. Z. das Sozialistengesetz selbst mit bekämpft, läßt sich heute zn einer Ver- theidigung desselben herbei, welche der Unparteilichkeit dieses Blattes alle Ehre macht und auch hier vollinhaltlich wiedergegeben zn werden verdient. Sie lautet: „Frankreich hat seine verurtheilteu Social demokraten zurückgerufen. Die französischen Socialisten erblicken in dieser That, welche von Milde und Verzeihung zeugen sollte, nnr ein Zeichen der Schwäche. Sie haben mit der Wahl eines der frechsten unter den Mordpredigern der Commune in den Pariser Gemcmderath und mit Artikeln ihrer Zeitungen geantwortet, die selbst das uner schütterliche Phlegma des Herrn Grevy erregten. Gegenwärtig tagt in Marseille ein socialistischer Arbeiterkongreß, welcher jede Fühlung mit der bürgerlichen Demokratie zurückweist und das Proletariat znm Kampfe gegen die Bourgeoisie organisiren will. Die französische So cialdemokratie tritt damit in ihre eine Zeit lang unterbrochenen Tra ditionen zurück. Sie kündigt der Gesellschaft von Neuem deu Krieg an. In Deutschland ist es nunmehr ein Jahr, daß das Socialisten- gesetz in Wirksamkeit getreten ist. Wie weit die Socialdemokratie in nerlich geschwächt, in ihrer Organisation unterbrochen wurde, ist schon oft untersucht worden. Ein sicheres Resultat konnte bisher Niemand ziehen. Den Vortheil hat der Staat unter allen Umständen, daß seine Gesetze und Einrichtungen nicht mehr offen be droht und verhöhnt werden. Wir betrachten das als eineGenug- thuung für das Rechtsbewußtsein jedes Bürgers, gerade wie das Auftreten jener Partei ein« fortwährende Verletzung dieses Gefühls war. Das Bewußtsein, daß es etwas Festes und Unerschütterliches in dem Staatswesen giebt, hat sich seitdem in weiten Kreisen, in denen schon der Zweifel Platz griff, gefestigt. Es wäre verkehrt, dies Ergebniß zu unterschätzen, wenn es auch nicht zahlenmäßig sich be legen läßt. Am 18. October 1878 hielt Herr v. Schorlemer- Alst eine große Rede gegen das Socialisteugesetz im Reichstag. Am Schlüsse faßte der ultramontane Redner iu einer ihm geläufigen Weise sein eigenes Urtheil über das Gesetz dahin zusammen, es werde sich im Volk die Meinung verbreiten, daß dieses Ausnahmegesetz nur zu dem Zwecke gemacht wäre, gegen die Socialdemskratie gerichtet, die bürger liche Freiheit überhaupt zu unterdrücken. Es ist nicht mehr als recht und billig, heute, nach einem Jahre der Geltung, dem ' preußischen Minister des Innern als dem leitenden Ansführer des Gesetzes und neben ihm seinen College» in den Bundesstaaten das ,Zeuguiß zu geben, daß die Ausführung des Gesetzes eine loyale und gerechte war, daß, mögen einzelne Verstöße vorgekommen sein, die Freiheit der Bewegung in Deutschland, abgesehen von dem directen Zweck des Gesetzes, in keiner Weise gehindert wurde. Es gereicht uns sicher nicht zu geringer Befriedigung, ein solches Urtheil aussprechen zu können, dem gegenüber wir von keiner Seite Widerspruch fürchten müssen. Denn einzig im Vertrauen auf eine loyale Ausführung konnte die Mehrheit des Reichstages solche Gewalten den Regierungen an vertrauen. Deutschland befindet sich zwischen Frankreich, welches von neuem den Versuch machen zu sollen scheint, wie die Socialisten die Freiheit begreifen, und zwischen Rußland, dessen socialistische Agi tation den unausgesetzten Verurtheilungen und Deportationen mit dem Messer und der Pistole antwortet. Wir finden keine Veranlassung, unseren Zustand als den schlimmsten der von dem Socialismus in An griff genommenen Länder zu betrachten." Tngesgcschichte. Berlin, 31. Oktbr. Der Generalinspekteur der Artillerie Eugen Anton Theophil von Podbielski ist heute Nachmittag plötzlich gestorben. — Die Trauerfeierlichkeit für den verstorbenen General v. Pod bielski wird im Beisein Seiner Majestät des Kaisers Dienstag Vor mittag 10 Uhr im Trauerhause Leipziger-Platz Nr. 10 stattfinden. Das preußische Abgeordnetenhaus hat seine Präsidenten ge wählt und damit seine Fahne entrollt, das Zeichen, unter welchem es streiten und siegen will. Die Fahne zeigt die Farben der vereinigten Alt- und Neu-Conservativen, des Centrums und der Polen. Zum ersten Präsidenten wurde gewählt mit 218 unter 382 gültigen Stimmen Herr v. Köller, ein altconservativer Edelmann aus Pommern; zum Vicepräsidenten mit 220 unter 377 gültigen Stimmen Herr v. Benda, nationalliberal; zum 2ten Vicepcüsideuten Herr v. Heeremann (Cen trum) mit 215 Stimmen. Die Freiconservativen, Liberalen und Wilde hatten die Abgeordneten v. Bennigsen und Bethusy-Huc aufgestellt und es zu 164 und 155 Stimmen gebracht. Wenn Bennigsen der Candi- dat Bismarcks für den Präsidentenstuhl war, wie mau sagt, so haben die Conservativen und das Centrum auch über Bismarck gesiegt. Herr v. Leonhardt ist als Juslizministcr abgetreten und hat an dem Unterstaatssecretair Or. Friedberg seinen Nachfolger erhalten. Leonhardt ist der Schöpfer der neuen Gerichtsorganisation, die seinen Namen in Ehren erhalten wird und darf mit feinem Nachruf zufrieden jein. Mn^thorst wäre s. Z. auch gern preußischer Justizmiuister oder 4. November 1879. auch ein anderer Minister geworden und hat's sehr übel genommen, daß man ihn überging. Der Entwurf einer Schanksteuer und einer Besteuerung des Kleinhandels mit Branntwein wird in den nächsten Tagen dem preußischen Abgeordnetenhause zugehen. Er erstreckt sich auf alle Ge werbetreibenden mit Wein, Bier, Branntwein und sonstigen spirituösen Getränken, mag ihr Geschäftsbetrieb vornehmlich (wie Schankwirthk, Destillateure) oder nur nebenbei in dem Absatz geistiger Getränke be stehen (wie Conditoren, Hoteliers rc.). Bei der Steuerveranlagung dieser Gewerbetreibenden soll durchweg ausschließlich der Absatz an geistigen Getränken, und nicht ihr sonstiger Geschäftsbetrieb (also bei Restaurateuren nicht auch ihr Absatz an Speisen) berücksichtigt werden. Der Durchschnittssatz für die Berliner Steuerpflichtigen ist im Entwurf auf 204 Mk. und für das platte Land auf 130—140 Mk. mit einem gleichen Minimalfatz von 24 M. angenommen. Die liberalen Parteien im Abgeordnetenhause stimmen darin überein, daß die neue Steuer den Ruin gerade der besseren Theile der betroffenen Steuerpflichtigen zur Folge haben müsse und deshalb in der Fassung des Entwurfs durchaus zu bekämpfen fei, während die Conservativen mit den Ultramontanen wohl voraussichtlich ohne Amendirungsversnche dafür stimmen werden. In Berlin ist am 26. Oktober folgendes kurze, aber vielsagende Telegramm des Geh. Regierungsrath Reuleaux aus Sidney an das Reichskanzleramt angelangt: „Deutsche Abtheilung größte Aner kennung!" — Die gemeinsame Uniform für die Post- und Telegraphen beamten ist vom Kaiser nach der vom Generalpostmeister vorgeschlagenen Probe, welche die Berliner Firma Eduard Sachs geliefert hatte, ge nehmigt worden. Die neue Uniform schließt sich an die jetzige der Telegraphenbeamten an, läßt nur die Epauletten durch Achselstücke er setzen und zeigt einige kleine Aeuderängen am Kragen und an den Aufschlägen. Durch diese Aendcruug werden wohl die wiederholt laut gewordenen Klagen der Postbeamten über ihre jetzige, angeblich un praktische, mindestens nicht schöne Uniform Erledigung gefunden haben. Im Gegensatz zu der Zerfahrenheit in unserem Gewerbeleben, welche die fast unbeschränkte Gewerbefreiheit unserer Reichsgesetzgebung zur Folge gehabt hat, geht durch dasselbe jetzt ein Zug nach immer engerem Zusammentreten, der einzelnen Genossen zu Vereinen, der Ver eine zu Verbänden u. s. w. So hat sich in Eisenach am 12. Oktober ein Verband thüringischer Gewerbevereine gebildet, welchem von den 60 Gewerbevereinen Thüringens bis jetzt 16 beigetreten sind. Als Ziel dieser Vereinigung bezeichnete der Vorsitzende des Eisenacher Ge werbevereines die Errichtung einer Reichsgewerbekammer. Ver handelt wurde dabei über die Stellung des Verbandes zur deutschen Gewerbeordnung, zu den Innungen und einzelnen Gewerbevereinen und zu den Gewerbekammern. Auch die Lehrlings- und Gesellenfrage kam zur Erörterung. Am gleichen Tage sowie an den zwei folgenden hielt auch der Verbandstag der deutschen Gewerkvereine in Nürn berg drei Sitzungen, in welchen die Zwangspensionskassen, Verbreitung der Gewerks-Vereine in Süddeutschland, Einführung einer Arbeitssta tistik und eines Arbeitsnachweises, Errichtung einer Beitragsversicherungs kasse und einer Verbandskasse zur Unterstützung reisender und arbeits loser Mitglieder die Gegenstände der Berathung bildeten. Die deutsche Turnerschaft bestand am 1. Januar d. I. auS 164,974 Mitgliedern, welche in 17 Turnkreisen mit 170 Turngauen auf 1832 Turnvereine des deutschen Reiches und Deutsch-Oesterreichs sich verthcilten. Im Juli oder August des nächsten Jahres beabsichtigt der leitende Ausschuß derselben wieder ein allgemeines deutsches Turnfest in Frankfurt am Main zu veranstalten. Dort hat sich zu diesem Zwecke auf Anregung des Oberbürgermeisters Ur. v. Mumm bereits ein Comitee gebildet, welches die Vorbereitung zu diesem Feste in die Hand nehmen wird und bei der Bürgerschaft wohlwollendes Entgegenkommen und bereitwillige Unterstützung (der Etat des Festes stellt sich nach dem Voranschläge aus etwa 150,000 Mark) zu finden hofft. In der Reihe der allgemeinen deutschen Turnfeste wirb das nächstjährige das fünfte sein. Das 1. fand 1860 zu Coburg, das 2. 1861 zu Berlin, das 3. 1863 zu Leipzig, das 4. 1872 zu Bonn statt, das 5. war bereits für 1878 zu Breslau vorbereitet, wurde aber der Zeitverhältnisse wegen vertagt und auch in diesem Jahre stieß die Aus- führnng auf Hiuderniß. Die Kornpreise sind auf deu deutschen Märkten bedeutend ge stiegen und scheinen immer noch steigen zu wollen auch ohne Zoll. — Das Eisenge sch äst im Rheinland und in Westphalen hebt sich bedeutend, es gehen große Bestellungen nnd für längere Zeit ein, man lebt nicht mehr von der Hand in den Mund; Spiegeleisen geht viel nach Belgien. Auch auf dem Kohlenmarkt herrscht reger Absatz. Es heißt, daß der Pariser Munizipalrath entschlossen sei, seine Entlassung einznreichen, wenn die Negierung den vom Generalrathe des Seinedepartcments, dein der gesummte Pariser Munizipalrath an gehört, ausgesprochenen Wunsch zu Gunsten der Amnestie annulliren sollte, wie dies gesetzlich ihre Pflicht wäre. Es steht somit ein Kon flikt zwischen der Regierung und dem Pariser Gemeinderath in Aus sicht. — Die Waisenkinder der von den Regierungstruppen erschos senen Kommnnards sind vom Kärdinalerzbischof Gnibert von Paris