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Wochenblatt für für 1879. Nr. 57. Dienstag, den 22. Inti Inseraten« nnahme Mvntaqs «.Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (DienStag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 M ark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. fiir die Königs. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königs. Gerichtsmnt und den Stadtrath zu Wilsdruff. NeunundLreißigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag). Abonneinentspreis dierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. LM- Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sicbenleh» und die Umgegenden Amtsblatt Die Times beschließt einen langen Artikel über die letzte bedeutungs volle Rede des deutschen Reichskanzlers mit folgenden Worten: "Nenn wir den Ton derartiger Darlegungen beklagen, so geschieht cs "icht, weil es uns an Sympathie sür einen großen Geist fehlt, der von einer schlaflosen Sorge gequält ist. Wir fürchten, daß der Staatsmann M dem nnwiderstehlichen Drange, eine erhabene Pflicht zn erfüllen, M Gegenstand gefährdet, der ihm so sehr am Herzen liegt. Er will "vn Parteiregierungen, und dem Gedanken, daß Minister sich Partci- Mfichauungen unterwerfen, ein für allemal nichts wissen. Mit all ^>»er Klugheit hat er die erste politische Lection nicht gelernt, daß 'Ne nationale Constitution von einem Staatsmanne benutzt und nicht '"»gangen werden sollte. Deutschland hat eine nationale Vertretung, 'M des Reichskanzlers beständige Sorge ist, Mittel und Wege zu "»den, um deren Anrecht auf den gehörigen Antheil an der deutschen Regierung zu umgehen. Er würde seine eigenen Ziele mehr fordern, ?niu er sich ehrlich auf die Seite der Vertreter des Landes stellte, Mt darauf hinzuarbeiten, ihre Kräfte zu neutralisiren, indem er eine Kartei gegen die andere ausspielt. Nach den vom „Reichsanzeiger" veröffentlichten Ergebnissen des Michshaushalts wurden in dem mit Ende März abgelaufcnen Mtsjahre 1878/79 am außerordentlichen AuSgaben-Etat im Ganzen »"95,471 Mik. gespart, die Einnahmen dagegen blieben mit 13,253,293 hinter dem Voranschläge zurück. Das im ordentlichen Haushalts- M sich ergebende Deficit beträgt daher 6,257,821 Mk. Die meisten Msgabenersparnisse (ca. 7,412,000 Mk.) wurden in Folge billigerer Muralienpreise bei der Reichshecresverwaltung erzielt. Von den or- Mlichen Einnahmen blieben die Zölle und Verbrauchssteuern mit ^>792,228 Mk., die Wechselstempelsteuer mit 822,017 Mk., die Post- "ch Telegraphenverwaltung mit 1,568,509 Mk., die Reichseisenbahuen "" 471,896 hinter den Voranschlägen zurück. Das Kaffeeversandtgeschäft der seit dem Jahre 1844 in 5. L. Kreutzfeldt verspricht trotz der 'e Sorten Kaffee zu den bisherigen Bekanutmachung. Die Vorsteher der zum hiesigen Gerichtsamtsbezirke gehörigen Gemeinden werden andnrch unter spcciellem Hinweis auf die Verordnung zur Ansführung des 8 2 des Einführungsgesetzes zur Strasproceßordiiung für das deutsche Reich, vom 3. Mai 1879 (Gesetz- und Verord nungsblatt für's Jahr 1879, Stück 6, No. 43, pag. 184 ff.) bedeutet, daß die Einsendung der Urlisten sammt etwa gegen dieselben erhobenen Einsprachen, einer Anzeige des Gemeindevorstehers über Alles, was ihm etwa über den Grund derselben amtlich bekannt ist und sonstigen dem Gemeindevorsteher erforderlich erscheinenden Bemerkungen nach ß 4, Abs. 2 der angezogenen Verordnung bis spätestens den 31. Juli d. I. Ai unterzeichnetes Königliches Gerichtsamt zu erfolgen hat, daher alles Das, was in Gemäßheit obangezogener Verordnung ßß 1—3 den Vor stehern der Gemeinden zn thun obliegt, soweit dies nicht bereits geschehen, mit thunlichstcr Beschleunigung geschehen muß. Wilsdruff, am 18. Juli 1879. Königliches Gerichtsamt. In Stellvertretung: Friedrich, Rfdr. y. srafsccveeiauvegeiu Allo na bestehenden Firma P. H Merhöhung nach wie vor alle Misen zu liefern. Wie die „Frank. Z." erfährt, wird die Regierung in der nächsten Session dem Reichstage eine Novelle zum Strafgesetzbuche, die Be strafung des Wuchers betr., vorlegcu, und zwar nach denselben Grund sätzen, wie sie die Kommission des Reichstages in ihrem vom Abg. von Schwarze verfaßten Berichte niedergelegt hat. Berlin. In den Kreisen der unteren Beamten und Bediensteten derjenigen Eisenbahnen, welche mit dem Staate in Unterhandlung stehen, herrscht gegenwärtig große Besorgniß, die noch gesteigert worden ist durch die Kündigung, welche die nicht fest angestellten'Gerichtsbe amten zum 1. Oktober erfahren haben. Die übertriebenen Besorgnisse, welche in dieser Beziehung gehegt werden, sind hoffentlich nicht gerecht fertigt, aber vielleicht wird man es in nicht allzu langer Frist auf manchen Seiten lebhaft bedauern, durch die fortschreitende Verstaatlichung der Eisenbahnen der Regierung eine neue Macht über eine so zahlreiche Beamtenkategorie eingeräumt zu haben. Aus Oberschlesieu kommt die Mittheilung, daß die dortigen -Hüttenwerke in Folge außerordentlich zahlreich einlaufender Be stellungen eine Erhöhung der Preise von Walz-Eisen eintreten lassen. Der Walzeisenpreis stellt sich demzufolge jetzt aus 10 M. 50 Pf. und involvirt sonnt je nach den bisherigen Preisen der einzelnen Hütten werke eine Erhöhung von h? bis 1 Mark. Zu dieser Nachricht wird bemerkt, daß die erhöhten Preise thatsüchlich seitens der Käufer auch zugestanden werden, und daß zu denselben bereits so große Schlüsse perfekt geworden sind, daß eine weitere Preiserhöhung wohl schon in nicht allzu ferner Zeit Platz greifen dürste. Zwischen Rußland und Deutschland sollte nach der Meinung verschiedener Zeitungen eine Erkaltung der guten Beziehungen einge- tretcn sein und erblickte man bereits verschiedene diesbezügliche Anzeichen. Die Petersbnrgex Zeitung führt indessen diesen Gerüchten gegenüber aus, daß sowohl die Interessen Rußlands und Deutschlands als auch die unwandelbare Freundschaft der Herrscher beider Länder die guten Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland aufrecht zu erhalten gebieten, und daß daran auch die neue Zollpolitik Deutschlands, die man in Rußland nicht gern sehe, nichts ändern würde. In Ost-Rußland und hauptsächlich in den Gouvernements Saratow, Orenburg und Astrachan beginnt, wie einem Peters burger Blatte vom 14. d. aus Orenburg geschrieben wird, in Folge der häufigen Brände und hauptsächlich der Mißernte sich bereits die Hungcrsnoth einzustellcn. Getreide werde nicht zugeführt, und koste daher in Orenburg ein Pud Weizenmehl 1 Rubel 70 Kopeken bis 2 Rubel, ein Pud Roggenmehl 1 bis 1V, Rubel, ein Pud Hafer bis 90 Kopeken nnd ein Pud Heu 60 Kopeken. Die Bauern seien in völliger Verzweiflung, dieselben verlassen massenhaft ihre Häuser und wandern nach andern Gouvernements aus, wo sie sich als Feldarbeiter und Taglöhner verwenden lassen. Ueberdies herrsche im Gouvernement Sarotoff eine epidemische Krankheit. Den Eltern in Rußland wurde streng ausgetragen, über das Verhalten und den Umgang ihrer Kinder während der Schulferien zu wachen und hierüber den Schulbehörden Bericht zu erstatten. Lehrer nnd Universitätshörer müssen über ihren Aufenthalt während der Schul vakanzen jede Woche den OrtSbehördcn berichten. Im Unterlassungs fälle werden die Lehrer suspendirt, die Studenten von der Universität ausgeschlossen. Wieder ein Millionen-Diebstahl in Rußland. In dcr Orlvwcr Gegenseitigen Kreditbank wurde, wie dortige Blätter melden, dieser Tage von einer Revisions-Commission der Abgang von mehr als einer Million Rubel entdeckt. Das gesammte Verwaltungs-Personal der Bank wurde in Folge dessen verhaftet und hat sich bei der Untersuchung herausgestellt, daß sämmtliche Beamte der Anstalt an der Defraudation betheiligt waren. Zu einer ganz merkwürdigen Gotteslästerung ließ sich der Besitzer eines Wirthshäuses in Simmering bei Wien dieser Tage Hinreißen. Da das Geschäft durch die regnerische Witterung sehr litt, gerieth er so außer sich, daß er ein geladenes Gewehr ergriff und angesichts mehrerer Gäste unter fortwährenden Schmähungen gegen Gott und den Heiland ans das in der Ecke der Wirthsstube aufgehängte hölzerne Kruzifix schoß. Schließlich eilte seine geängstigte Gattin zur Polizei und erstattete gegen ihren eigenen Mann die Anzeige. Das Landes gericht hat bereits die Untersuchung wegen Gotteslästerung eingeleitet. Tagesgeschichte. Nach dem amtlichen stenographischen Bericht über die am 12. Juli stattgehabte Schlußsitzung des Reichstages, in welcher die namentliche Echlußabstimmung über die ganze Tarifvorlage erfolgte, haben den den sächsischen Abgeordneten für die Vorlagt gestimmt: Acker mann, Dietze, Ur. Frege, Grützner, Günther, von König, Reich, Leutzsch, Richter, Schmiedel, Ur. v. Schwarze, Vopel, dagegen: Bebel, Eysoldt, Holtzmann, Kaiser, Liebknecht, Ur. Stephani, Streit, Vahlteich, Niemer. Entschuldigt war der Abg. Landmann, krank der Abg. Bracke. Es haben demnach 12 sächsische Abgeordnete für und 9 gegen die Tarif- borlage gestimmt. Tmrch die neue Reichsstrafprozeßordnung steht eine Verminderung der Beleidigungsklagen zu erwarten. Dee Richter darf vom 1. Oktober d. I. ab keine Privatklage wegen Beleidigung mehr annehmen, Menn ihm nicht der Kläger bescheinigt, daß vom Friedensrichter zwischen "eidcn Parteien die Sühne erfolglos versucht worden ist. Die Friedens- sichter werden ans Vorschlag der Amtsrichter vom Justizministerium M allen Theilen des Landes bestellt. Zum Friedcnsrichteramte haben sich bereits gegen 500 Personen, darunter namentlich Rittergutsbesitzer Und Pächter,' Rentiers, pens. Offiziere u. s. w. freiwillig gemeldet. Die „Dresdn. Nachr." begrüßen den Vorschlag wegen einer Bc- schränkumg der Reichstagssession von jährigen aus zweijährige mit Freuden. „Wenn dem Reichstage künftig die Gelegenheit zum Geldverschwenden etwas beschnitten, das Uebermaß von Gesetzesfabri- sution eingedämmt wird und die Landtage wieder mehr zu Ehren ge- Mgen, so erscheint dies als ein Schritt zur Besserung. Es ist kein ^ativnalbedürfniß, daß das Volk alljährlich ellenlange Laskeriaden zu isien bekommt. Mache der seltener sich versammelnde Reichstag von schien Rechten nur einen wirksamen! Gebrauch, so ist der scheinbare Verlust bald nicht nur wieder eingebracht, sondern in effectiven Nutzen "erwandelt. In den Landtagen wird künftig ein größeres politisches Schwergewicht ruhen, und das kann nur eine Partei als Uebelstand "erspüren, die auf Vernichtung der Landesrechte der einzelnen Bundes- Maten ausging. Sammeln wir uns in den Landtagsschanzen!"