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Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark, kine einzelne Nummer ksstet^O Pf. Jnseratcnannabmc Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag Abonnementsprei» vierteljährli ch 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet^O Pf Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag- bis Mittag 12 Uhr. Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmonnschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiun-vierzigster Jahrgang. Nr. 85. Dienstag, den 24. Oktober 1882. «Kommenden Donnerstag, den 26. October ds. Js., Nachmittags 6 Uhr, öffentliche Sitzung des Stadtgemein- deraths. Wilsdruff, am 23. Oktober 1882. Der Stadtgemeinderath. - Ficker, Brgmstr. Die Trunksucht in England. Ein Statistiker hat letzthin ausgerechnet, daß der gemeine Mann in Großbritannien täglich für 1 Schilling 20 Pence Gin (Branntwein) verbraucht, was einem Quantum von 1^2 Liter entspricht; auf den bessern Bürgerstand entfallen für Getränke 4 Schilling, auf den Lord nicht weniger als zwei Pfund Sterling, — natürlich besteht hier der Stoff aus Sekt, Sherry rc. Ob aber Sekt oder Schnaps, das Faktum bleibt bestehen! Alles säuft in England. Vergebens sind Mäßigkeits vereine, Geistlichkeit und Gesetzgeber gegen das Nationallaster zu Felde gezogen, vergebens hat man Preise für Nüchternheit ausgefetzt — man denke, Preise für Nüchterne — Alt-England säuft fröhlich weiter. Es ist dem Londoner nichts Ungewöhnliches mehr, das Trottoir mit Be trunkenen förmlich besäet zu finden, er hat sich auch an betrunkene Lords im Parlament, an betrunkene Richter gewöhnt, ja, auch der be trunkene Vikar ist ihm ein vertrauter Anblick geworden. Aber die neueste, entsetzlichste Gestalt dieser Pest ist die Verbreitung der Trunk sucht unter der vornehmen Damenwelt. In dieser Hinsicht erzählt man sich von Grauen erregenden Ausschreitungen, die um so schrecklicher erschei nen, als sie von Wesen begangen werden, in denen wir höchste Fein heit und Anmuth verkörpert zu sehen gewöhnt sind. Da wird von Lady B. berichtet, die das ganze fürstliche Vermögen ihrer Familie durch die Gurgel rinnen lies, die es, trotz schärfster Bewachung, durch Bestechung der Dienerschaft mit kolossalen Summen möglich machte, sich in den Besitz des geliebten Gin zu setzen; da erzählt man von der Herzogin von A., die auf einem Hofball in Windsor Castle einen De- liriumsanfall hatte, da begrub man dieses Frühjahr die Viconnteß v. X., die, einst ein vielbewundertes Ideal von Anmuth und Schönheit, im Alter von 26 Jahren an Gehirnerweichung starb, von unzähligen, minder krassen Fällen ganz zu schweigen. Und welche raffinirten For men nimmt die weibliche Säusermanie an! Glaubt nicht, wenn ihr in einem Boudoir Blumen in reizenden Vasen prangen seht, es sei Wasser darin, es ist Bier, das die holde Bewohnerin im nächsten un bewachten Augenblick Hinunterstürzen wird, glaube nicht, daß das Riech flacon, das die Hofdame kokett an die Nase führt, Parfüm enthalte, es ist Gin darin, glaubt nicht, daß das Zittern der weißen, zarten Hände Nervosität sei, ss sind die Folgen der Trunksucht, glaubt auch nicht, daß die Thränen, die dem holden Wesen zuweilen und urplötzlich stromweise entquillen, ernste Bedeutung haben, — Gottbewahre, Ihre Lordschaft ist nur einmal wieder betrunken. Und dabei — schrecklich, aber wahr — vertragen diese Damep Quantitäten von Alkohol, Bier oder Wein, vor denen selbst ein Wachtmeister zurückschrecken würde. Ich könnte eine ganze Blumenlese von Zeitungsnotizen zusammenstellen, welche nur Trunksuchtsfälle der englischen Aristokratie behandeln und welche Ihren liebenswürdigen Leserinnen nahezu unglaublich klingen würden, trotzdem ich mich darauf beschränkte, nur gerichlich festgestellte Thatsachen anzuführen. (Nach den Mittheilungen eines in London lebenden Deutschen). (Die Trunksucht in England ist unzweifelhaft eine der traurigen Folgen des dort herrschenden gesellschaftlichen Absolutismus. Ein Bei spiel. Ein Erzieher — Kandidat — nimmt bei der ersten Mahlzeit, der er in feiner neuen Stellung beiwohnt, Salz mit der Messerspitze anstatt mit dem dazu bestimmten Löffelchen. Nach der Mahlzeit ruft ihn die Lvrdsckaft beiseite, zahlt ihm einen dreimonatlichen Gehalt ans und bedeutet ihm, daß er das Haus unverzüglich wieder zu verlassen habe. Als Grund wird ihm das „schlechte Beispiel" vorgehalten, das er den Kindern gegeben habe und dessen Wiederkehr unter allen Um ständen vorgebeugt werden müsse.) (Hildbh. Dfztg.) TageSgeschichtc. In der Presse aller Parteien — mit Ausnahme des Centrums insofern, als dieses wegen der im Wesentlichen unveränderten Behaup tung seiner eigenen Position außer Zweifel ist — werden die Betrach tungen über das Wahlergebniß in Preußen durch eine starke Zu rückhaltung charakterisirt. Die wenigen, das Resultat aus ganzen Wahlkreisen anzeigenden Meldungen ändern nichts an der bisherigen Ungewißheit, in welcher man sich allem Anschein nach auch mehrere Tage noch befinden wird. Eine Linksschiebung innerhalb des Libera lismus, welche bei der letzten Reichstagswahl so stark sich geltend machte, hat allerdings stattgefunden, scheint aber diesmal geringer zu sein; wenigstens rechnet ein fortschrittliches Blatt, welches in nahen Beziehungen zu der Fraktionsleitung steht, nur — wohl zu allgemeiner Ueberraschung — auf eine Verstärkung der Fortschrittspartei um etwa 6 Sitze. Also Ungewißheit über das, was der 19. Oktober gebracht hat, ist vorderhand noch die Signatur der Stimmung auf allen Seiten. Man kann daraus — obgleich auch nicht mit Sicherheit — schließen, daß keine sehr große Veränderung in der Zusammensetzung des preußi schen Abgeordnetenhauses erfolgt ist; im Allgemeinen pflegen glänzende Siegesnachrichten sich ja rasch, oft sogar auf unbegreifliche Weise, Verbreitung zu verschaffen, und wenn bis jetzt keine Partei solche Nachrichten aufzuweisen hat, so ist es allerdings wahrscheinlich, daß eine sehr tiefgreifende Umwandlung der Parteiverhältnisse sich nicht vollzogen hat. Graf Paul Hatzfeld, der neue Staatssekretär des Deutschen Reiches ist am 8. Oktober 1831 in Düsseldorf geboren. Er ist der Sohn der bekannten Gräfin Hatzfeld, der Freundin Lafalles. Er gilt für einen der fähigsten Köpfe der deutschen Diplomatie, für einen überaus scharfsinnigen, klar beobachtenden, ruhigen und im Nothfalle ebenso schneidigen Politiker, der das volle Vertrauen des Fürsten Bis marck besitzt, in dessen Nähe er sich während des Feldzuges 1870/71 beständig befand. Nachdem er darauf Gesandter in Madrid gewesen, wurde er in gleicher Eigenschaft nach Konstantinopel geschickt, wo er es verstand, den deutschen Einfluß in hohem Grade zur Geltung zu bringen. Die Berufung auf seinen jetzigen Posten soll dem Reichs kanzler einige Schwierigkeiten verursacht haben. Die in ihrer Mehrheit ultramontan gesinnten Gemeinde-Kollegien in München sind mit ihrem Antrag auf Umwandlung der Simultan schulen in konfessionelle nach dem Glaubensbekenntniß getheilte Schulen von der K. Regierung von Oberbayern ablehnend beschieden worden. Dieselbe hebt u. a. hervor, daß durch eine Einrichtung von so durch aus tolerantem und friedfertigem Charakter, wie die gemischte Schule sei, der Friede in der Gemeinde unmöglich gestört werden könne. In Frankreich spukt seit einiger Zeit wieder die Kommune. Nachdem schon im August unter den Grubenarbeitern von Monceau les Mines (Departement Saone und Loire) Ausschreitungen vorge kommen waren, brechen die Unruhen jetzt wieder mit einem ernsthaf teren Charakter los. Angriffe gegen Leben und Eigenthum sind an der Tagesordnung; mehrfach wurden Versuche gemacht, die Häuser der Arbeitgeber mit Dynamit in die Luft zu sprengen; auch gegen die Kloster und andere religiöse Niederlassungen richten sich die Angriffe. Die sozialistische Internationale soll ihre Hand im Spiel haben. Die häufig aus diplomatischen Kreisen inspirirte Kr.-Ztg. schreibt: „Wir haben jüngst darauf hingewiesen, daß durch das thatsächliche Vorgehen der Engländer in Egypten eine vollständig neue Situation und ein neuer Ausgangspunkt aller ägyptischen Politik geschaffen sei. Wir werden hierin bestärkt durch die beglaubigten Nachrichten über das jetzige Verhalten der Engländer in Konstantinopel. Es würde vor wenigen Wochen wohl kaum Jemand vermuthet haben, daß gerade das Einverständniß Englands mit der Türkei die nächste Frucht der ägyptischen Entwickelung sein würde und es wird auch jetzt überraschen, daß Gladstone größere Eile zu haben scheint, sich mit der Türkei als Frankreich zu verständigen. Wir glauben hierin einen neuen Grund zu finden, unsere Leser vor Ungeduld in Bezug auf etwaige Programme in der eben so wechselvollen, wie interessanten Frage und namentlich vor der voreiligen Forderung eines deutschen Programmes zu warnen. Wer noch versucht sein sollte, ein solches Programm zu fordern, den verweisen wir auf die Verwirrung, welche in den französischen Organen über die Möglichkeit der ägyptischen Frage herrscht, und Frankreich hat daran doch sicherlich ein etwas größeres Interesse als Deutschland. Die ganze englische Presse lobt ein Schreiben des Kriegsmi nisters, worin die glänzenden Resultate der letzten Compagne darge- than werden. Mehr als 41,000 Mann Truppen seien gelandet, hätten den Feind geschlagen und die Hauptstadt in weniger als sieben Wochen nach Bewilligung des Kredites durch das Parlament eingenommen. Nunmehr stehe fest, daß eine doppelte Anzahl von tüchtigen Soldaten innerhalb eines Monates England verlassen könnte, ohne dieZuhülfe- nähme Indiens, und doch eine genügende Truppenzahl, sowie die Re serven und Milizen Zurückbleiben würden. Doch trotz der Tüchtigkeit der Truppen und des Genies der Generale wurden einige kleine Mängel entdeckt. Ein künftiger Kampf dürfte jedoch ernster sein, als der statt gehabte, und die jüngst gewonnene Erfahrung solle benützt werden, um die kleine englische Armee darauf vollständig vorzubereiten. Der letztere Satz erregt Aufsehen. Einem Privatbriefe von einem in Alexandrien lebenden Egypter entlehnen die Times Nachfolgendes: „Gestatten Sie mir, mit Bezug nahme auf die ungeregelten Verhältnisse in Egypten zu sagen, daß etwas wie eine Schreckensherrschaft über die unglücklichen Egypter hereingebrochen ist. Masienverhastungen finden allenthalben im ganzen Lande statt. Nicht nur Solche, welche mit der Revolution zu thun hatten, auch viele unschuldige Personen werden unter dem Vorwande festgenommen, daß sie einst mit Arabi Pascha oder mit dessen Ge nossen in Verbindung gestanden haben. Doch das ist nicht Alles. Viele Beamte, welche ihren Nebenbuhlern und Gegnern einen alten Groll nachtragen, ziehen Vortheil von diesem Stande der Dinge, um sich zu rächen, indem sie dieselben den egyptischen Behörden als Theil nehmer der Niedermetzelungen, oder an der Niederbrennung und Plün derung von Alexandrien, oder als Anhänger von Arabi Paschas de- nunziren. (Das wird böse Folgen nach sich ziehen, sobald die Eng länder, die der egyptischen Regierung zu diesem Verfahren, wenn auch ohne Absicht, den Muth geben, das Land werden geräumt haben.)