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Wochenblatt für Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag. AbvnnementspreiS vierteljährlich I Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags Vis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. _ MM Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden sür die König!. Amtshanptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Einundvierzigfter Jahrgang. Nr. 92. -Freitag, den 18. November 1881. Bekanntmachung, den Kauf oder Pacht eines Grundstücks betr. Für den Bezirk der unterzeichneten Königlichen Amtshanptmannschaft ist die Errichtung einer Erziehungsanstalt für sittlich verwahr loste Kinder in Aussicht genommen, und bedarf man hierzu eines Gebäudes oder mehrerer Gebäude mit Raum für ca. 100 Kinder sowie eines in der Nähe der Gebäude gelegenen und für Spatencultur geeigneten Areals von ca 4 lm. Indem man solches zur allgemeinen Kenntniß bringt, werden diejenigen, welche geeignete Grundstücke käuflich oder pachtweise zu überlassen wünschen, aufgesordert, ihre Angebote bis zum 3. Dezember dieses Jahres schriftlich anher einzureichen. Meißen, den 14. November 1881. Königliche Amtshanptmannschaft. I V ' Gilbert, B.-Ass. Bekanntmachung, die Ablieferung der Leichen von Selbstmördern an die anatomische Anstalt betreffend. Da es nach einer dem Königlichen Ministerium des Innern zugegangenen Anzeige den Anschein gewonnen hat, als ob in neuerer Heil den über die Ablieferung der Leichen von Selbstmördern bestehenden Vorschriften in Z 7 der Verordnung vom 21. September 1874 ?vergl. Seite 174 ff. und 184 des Leitfadens für Gemeindevorstände 4te Auflage) nicht gehörig nachgegangen würde, so wird den Herren Bürgermeistern von Wilsdruff und Siebenlehn sowie den Herren Gutsvorstehern und Gemeindevorstäudeu hiesigen Bezirks die genaue Be folgung der gedachten Vorschriften hierdurch eingeschärft. Meißen, am 11. November 1881. Königliche Amtshanptmannschaft. v. B-ffe. Gambttta'S Reise nach Deutschland. Das „N. Wiener Tagebl." veröffentlicht den Bericht über eine Unterredung, welche der Pariser Korrespondent dieses Blattes vor einigen Tagen mit Gambetta gepflogen hat. Letzterer bestritt auch bei dieser Unterredung, wie er es jüngst bereits nach den von uns mitgetheilten Meldungen der „Times" gethan hat, während seiner Reise in Deutschland mit dem Fürsten Bismarckzusammengetroffen zu sein. Bedenkt man nun, daß, ehe der neue französische Konseil präsident seine vielbesprochene „Studienreise" nach den deutschen Häfen unternahm, offiziöse Stimmen von Paris aus eine Entrevue der beiden Staatsmänner ankündigten, so können wir, sagt die „Nat.-Zeitung", nur unser Urtheil aufrecht erhalten, daß Gambetta im vorliegenden Falle keineswegs den staatsmännischen Ernst bethätigt hat, weicher feiner Stellung angemessen wäre. Weit eher wird man an eines jener Phantasiestücke erinnert, die Henri Murger so ergötzlich inden„8cöns8 äs la vis äs Uobsms" beschrieben hat, wie denn auch die Beziehungen Gambetta's zu jener eigenartigen Welt des Quartier Latin in Frank reich stets unvergessen bleiben werden. Wäre die angebliche Unter redung nicht vorher offiziös so pomphaft angckündigt worden, so Hütte Gambetta sich wenigstens darauf berufen können, daß er als Franzose nicht verpflichtet wäre, die Geographie zu kennen und zu wissen, daß er auf seiner „Studienreise" die dem Aufenthaltsorte des Fürsten Bis marck benachbarte Eisenbahnstation zu passiven habe. Bemerkenswerth erscheint auch, daß Gambetta bisher geflissentlich vermieden hat, in seinen antorisirten Organen, insbesondere in der „Rsp. Frau^aise", die Meldung von seiner Zusammenkunft mit dem Fürsten Bismarck formell zu dementiren. Es bleibt also bei dem Wort ans der Szene in Auerbachs Keller: „Wir sind ihm diesmal nur vorbeigcreist." Die Kosten der Komik der Situation trägt Gambetta. Das vom „N. Wiener Tagebl." mitgctheilte Resnms der Unter haltung des Korrespondenten mit Gambetta lautet: „Ueber meine Reise in Deutschland, äußerte Gambetta, hat sich ein förmlicher Mythenkreis gebildet. Wenn Sie wollen, so kann ich Ihnen meine ganze Reisebeschreibung geben. Ich habe beinahe einen ganzen Monat in Deutschland zugebracht, blos von Francois begleitet. Wir sind ganz gut init der franz. Sprache durchgekommen. Francois spricht kein Wort deutsch und selbst ich radebreche zur Noth die ge wöhnlichsten Worte und Phrasen. Ich habe aus dieser Reise viel ge lernt und habe mir viele interassante Notizen gemacht. Die Eisenbahn einrichtungen im Norden Deutschlands, den icb diesmal studiren wollte, habe ich vorzüglich gefunden. Es herrscht im dortigen Eisenbahndienste eine musterhafte Ordnung und eine vortreffliche Disziplin. Die Be fehle der Vorgesetzten werden exakt durchgesührt, und der Dienst wird ruhig, pünktlich und sicher gehandhabt. In dieser Beziehung hat man in Frankreich noch gar Manches nachznholen. „Ich habe die Häfen sowohl an der Nordsee, als auch an der Ostsee besucht. Hamburg macht einen imposanten Eindruck und ebenso Stettin. Aber auch Lübeck, Bremen, Memel sind wichtige Verkehrs- Punkte. . . Nur Danzig scheint zurückgeblieben. Ueberall fand ich große Verbesserungen, bedeutende und wesentliche Vergrößerungen und eine tüchtige Regsamkeit nach vorwärts. Im Ganzen und Großen sind meine Eindrücke, was die militärische Seite aubelangt, folgende: Sowohl die Küsten des baltischen Meeres, als auch jene der Nordsee sind stark und können gut vertheidigt werden. Im Osten aber scheint mehr geschehen zu sein als im Westen. Die Stärke der Vertheidigung gegen Rußland ist bei Weitem größer als jene gegen den Westen. Ich habe, fuhr er fort, überall Entgegenkommen gefunden. Nirgends eine Spur von Geheimnißkrämerei. So konnte ich beispielsweise in Friedrichsort, wo die Torpedoboote gebaut werden, ungehindert in einen Arbeitshof gelangen, und ich habe dort bereitwillig mancherlei Auskünfte erhalten. Von Stettin aus, welcher Platz einer der be deutendsten und impouirendsten Handelsplätze ist, drängte es mich, nach Königsberg zu gehen, der Vaterstadt Kant's, des großen Philo sophen, und Jacobi's, des edlen Verfechters des Freiheitsgedankens in Deutschland. Von dort ging ich nach Marienburg, dem alten Sitze des deutschen Ordens, ans dessen Trümmern Preußen sich auf bauen sollte. Eine hochinteressante und erinnerungsreiche Stadt. Ich war dann in Berlin, in Dresden und in Frankfurt a. M., überall neue Eindrücke erhaltend, überall interessante und wichtige Beobach tungen machend. Ich habe als Monsieur Massabie verschiedene Menschen gesprochen, ohne irgendwo bekannt zu werden. Auf meiner ganzen Reise habe ich keine Art von Zudringlichkeit zu erfahren gehabt. „Ich kam über Vanloo nach Deutschland und besuchte zuerstsDüs- seldors, Köln und Münster. Von Westphalen kam ich nach Mecklen burg, ein Land, das seiner Pferdezucht wegen Aufmerksamkeit ver dient . . . ." Und nnn folgte eine lange Reihe von Details über Städte, Ge genden einzelne Einrichtungen und Verbesserungen. Die Auslaufsbrun nen, die jetzt in sämmtlichen Eisenbahnstationen in den Bahnhöfen in Norddeutschland angebracht sind, damit die Reisenden frisches Wasser zur Hand haben, gefielen ihm sehr gut. Er verbreitete sich über die Fortschritte der Industrie Deutschlands und über die Entwickelung seines Handelsverkehrs, über Schulen, Universitäten, über die Herbst manöver und hundert andere Dinge mehr. Er hat offenbar starke und dauernde Eindrücke empfangen, und da er ein Mann der Reform ist, so werden diese Eindrücke sich in verschiedenen Neuerungen geltend machen, die er als Chef der Regierung ohne allen Zweifel durchführen wird. . . . Und nun die Frage, ob er den Fürsten Bismarck gesehen habe oder nicht. Darüber sagte Gambetta: „Ich Hütte niemals den Fehler begangen, mit dem Fürsten Bis marckzusammenzutreffen, wenn dies nicht frei nud offen vor aller Welt hätte geschehen können. An der Art und Weise, wie meine Gegner die Gerüchte, ich hätte eine geheime Zusammenkunft mit dem Fürsten Bismarck gehabt, gegen mich ausbenteten, konnte ich erst recht ermessen, wie groß der Fehler gewesen wäre, wenn ich in solcher Weise mit dem deutschen Kanzler zusammengetroffen wäre. Wenn die Umstände ein mal eine Begegnung zwischen dem Fürsten Bismarck und mir erhei schen sollten, so werde ich darauf hallen, daß dieselbe offen vor aller Welt stattfiudet. Diesmal habe ich keine Begegnung gesucht, und es hat auch keine Begegnung stattgefunden. Das ist die wirkliche Sach lage, und was ich in Deutschland wirklich gesucht habe, das habe ich Ihnen gesagt." Das ist der Bericht des Herrn Massabie über seine letzte Reise