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für für die Ksnigl. AmLshauptmannschaft zn Meißen, ^as Kömgl. Amtsgericht und den Stndtrath zu Wilsdruff. Einuirdvierzigftev Jahrgang. M Erscheint «öchentlrch 2 Mal Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montazs u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag. Abonneinentspreis vierteljährlich 1 Lark Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Rr. 90. Freitag, deu 11. November 1881. Von der Altersversorgung der Arbeiter. In der „guten alten Zeit", die oft übermäßig gelobt und oft unverdient getadelt wird, muß doch insofern etwas wirklich gut ge wesen sein, als man von Altersversorgung viel weniger sprach und versprach als heutzutage. Wir wissen zwar, daß bas „soziale Riesenprojekt" so bald nicht zur Ausführung kommen kann, aber daß ein so praktischer Mann, wie unser Reichskanzler, es auregt und wo möglich in Angriff nehmen möchte, beweist, daß es wirklich nöthig ist und zwar viel nöthiger als früher. Warum? das wollen wir auch unsrerseits beleuchten: 1) Früher sorgten die Menschen selbst viel besser für ihr Alter. Zwar gab es damals noch keine Lebensversicherung und Rentenversicherung und Sparkassen u. s. w. Diese höchst lobens- werthen Einrichtungen der Neuzeit sichern einem kleinen Prozentsatz der deutschen Reichsbürger und zwar wehr dem wohlhabenden als dem mittleren und dem armen Stande ein genügendes Auskommen auch im Alter; wer sich eine Rente kaufen kann oder so viel sparen, daß er ohne Arbeit von Zinsen leben kann, der ist schon wohlhabend zu nennen. Aber Hunderttausende vom Mittelstände, Millionen Arme lhun das nicht und könnens auch nicht in dem Grade, wie es nöthig wäre. Früher aber sparten die Handwerker und die armen Leute so gar. Die Beamten, die man jetzt dem Mittelstände zuweist, galten früher schon als wohlhabend und konnten vielmehr sparen. Nun, was sparten denn unsre Vorfahren? so fragt mich der Leser? Kurz heraus, sie sparten zuerst Liebe, nämlich sie erzogen ihre Kinder nach dem 4. Gebote, so daß sie schon durch die Liebe der Kinder im Aller einigermaßen versorgt waren. Gewiß, viele Ausnahmen gabs auch, aber es ist Thatsache, daß es ehedem viel öfter vorkam, daß die allen Eltern bei den Kindern blieben und Versorgung fanden, wenn diefe erwachsen waren und einen eigenen Hausstand hatten. Es kommt heutzutage weit seltener vor, daß die alten Leute sich auf Liebe und Dankbarkeit ihrer Kinder verlassen können, das 4. Gebot wird nicht mehr so geheiligt als sonst. Ferner sorgten die Menschen früher viel mehr für eine ständige Wohnung als jetzt. Die landwirtbfchaftlichen Arbeiter wußten es gar nicht anders, als daß sie vom Gutsherrn eine ständige Wohnung bekamen und auch in alten Tagen behielten. Denn erfahrene alte Leute sind in der Landwirthschaft immer noch zu brau chen. Als in diesem Jahrhundert die Fabrikthätigkeit im Elsaß sich ausbreitcte, da baute man dort auch sofort ständige Arbeiterwoh- nungen, welche den Arbeitern auch als Altersversorgung dienten. Ferner sparten die Leute früher verhältnißmäßig mehr Geld als jetzt. Plötzliche Theuerungen, Arbeitsnoth, Krieg rc. machten zwar viele da mals arm, aber auch vorsichtig, ein ordentlicher Sparpfennig war fast in jeder Familie des Mittelstandes selbstverständlich und selbst bei Armen, bei Tagelöhnern u. s. w. zu finden, trotzdem daß das Sparen zu jener Zeit nicht durch Sparkassen mit staatlichen Garantien er- leichtert war. Wenn nun Jemand fürs Alter Kindesliebe und Dank, Wohnung und Geld hat, da kann man sagen, er ist versorgt, so weit menschliche Sorge reicht. 2) Früher sorgte auch-Staat und Kirche schon für Alters versorgung. Die Hospitäler des Mittelalters, die bis zur Neuzeit sich theils aus Kirchen-, theils aus Staatsmitteln erhalten haben, sind Zeugniß dafür. Freilich reichen sie nicht mehr aus. Die Bevölkerung hat riesig zugenommcn, an gewissen Punkten besonders, in Fabrikstädten, Handelsplätzen, Residenzen, da strömt die Bevölkerung zu in oft über- rafchender Schnelligkeit, aber der Staat hat noch nicht für diese Massen sorgen können, die Militärlasten, das Beamtenthnm, die Hofstaate, die Eisenbahnen u. s. w. verschlingen die Steuern, schlimmer wie Siebe. Die Kirche aber hat auch nicht mehr die ausreichenden Hilfsmittel; die katholische zwar hat noch von Alters her viele Stiftungen, aber die Besoldungen des Klerus, der Petcrspfennig, viele andere Anstalten, kostspielige Bauten u. s. w. kommen eher daran als Hospitäler für alte Leute. Die arme evangelische Kirche aber hat nicht einmal so viel Brod, daß die alten Pfarrer und Pfarrwittwen davon ernährt werden können, es giebt Pensionen von 100—200 Mark. Früher reichten solche Summen aus, jetzt nicht. Daß von dieser Seite keine Hilse kommen kann, ist klar. Es ist aber auch klar, daß die Menschen wieder besser müssen sparen lernen. JhrEltern, wollt Ihr imAlter ver sorgt sein, erzieht Eure Kinder wieder zu Liebe und Dank barkeit, daß sie an nichts eher denken als an das, was sie Euch schulden. Ihr Söhne und Töchter, lernet wieder sparen, verjubelt nicht Eure Wochenlöhne in den Wirthshänsern und Tanzlokaleu, vertrödelt Euer Verdientes nicht in eitelm Putz und Tand, lernet Haushalten nnd lehret Eure Kinder wieder einfach leben, mit den einfachen Lebensmitteln zufrieden sein, sonst müßt Ihr mit ihnen im Alter darben. Der Staat aber sorge dafür, daß die Arbeitsherren ihren Arbeitern Wohnungen schaffen, wie früher bei der Landwirthschaft oder bei den Fabriken im Elsaß. Wenn nur wenigstens die Wohnung sicher ist, dann wird auch das schädliche Herumziehen der Arbeiter eher aufhören. Dann kann durch Arbeiter sparkassen auch noch außerdem für einen Nothpfenuig im Alter gesorgt werden. Durch eine soziale Revolution wirds nicht besser, sondern dadurch, daß alle Stände an der Altersversorgung arbeiten und dazu beitragen. ' (Hldbgh. Dorfztg.) Tagesgeschichte. Uebcr die Ansichten und Absichten des Reichskanzlers bezüglich des neuen Reichstags verlautet, daß der Ausfall der Berliner Wahlen ihn, wie er dies bereits in einem durch die Blätter veröffent lichten Telegramm ausgesprochen hat, in der That nicht überrascht habe, um so unerwarteter kam ihm dagegen das feinen bekannten Projekten zuwiderlanfende Gesammtergebniß der Wahlen im Reich. Trotzdem ihn dasselbe, wie begreiflich, äußerst unangenehm berührt hat, denkt er, wie das „Kl. Journ." behauptet, dennoch nicht daran, den neuen Reichstag alsbald anfzulösen. „Vielmehr ist Bismarck fest entschlossen, den ernstlichen Versuch zu machen, so lange als möglich mit dem neuen Reichstage zu regieren. Er wird demselben zunächst nur die wichtigsten Vorlagen, vor allem den Neichshaushaltsctat und vielleicht den Entwurf über den Bau eines Reichslagsgebäudes, zu« gehen lassen und ihn alsdann gegen Weihnachten oder in der ersten Hälfte des Monats Januar Verlagen, um dem preußischen Landtage Raum zu schaffen. Im preußischen Landtage dürfte voraussichtlich zugleich das weitere Schicksal des deutschen Reichstages entschieden werden. Hier wird nämlich der kirchenpolitische Ausgleich in Gestalt von konkreten Gesetzentwürfen zur Verhandlung gelangen, und hierbei wird es sich zeigen, ob die Regierung überhaupt im Stande ist, mit ihren Konzessionen die Centrumspartei für sich zu gewinnen. Ist dies der Fall, dann ist Fürst Bismarck schon heute entschlossen, mit Hülfe einer konservativ-klerikalen Koalition seine sozialpolitischen Pläne durch zuführen. Im anderen Falle würde eine Stagnation in der inneren deutschen Entwickelung eintreten, und es würden nnr die wichtigsten, unentbehrlichen Arbeiten den Reichstag beschäftigen. Dann erst würde Fürst Bismarck den ihm geeignet erscheinenden Augenblick benutzen, den Reichstag anflösen und noch einmal an das deutsche Volk appelliren. In vielen Kreisen ist man nicht recht einverstanden mit der so außerordentlich beschleunigten Einberufung des Reichstags schon auf den 17. d. M., also den dritten Tag nach den letzten Stichwahlen, noch ehe das Resultat derselben unter Umständen offiziell bekannt ge macht fein kann. Die näheren Modalitäten über Eröffnung des Reichstages sind noch nicht festgesetzt; es heißt, daß der Kaiser die Absicht habe, den neuen Reichstag persönlich zu eröffnen und der Fürst Bismarck der Eröffnung in Person beiwohnen wollte. Ob und wie weit dies geschehen wird läßt sich zur Zeit noch nicht absehen; falls weder der Kaiser noch der Fürst Bismarck anwesend sein würde, möchte die Eröffnung durch den Staatssekretär von Bötticher erfolgen. Der frühzeitige Eröffnungstermin des Reichstages ist auf die Wünsche des Finanznunisters zurückzuführen, welcher sogar schon am 15. lluj. die Eröffnung beantragt hatte. Wenn in verschiedenen Blättern behauptet wird, daß der Ausfall der Wahlen bereits einen merklichen Einfluß auf die von der Regierung beabsichtigten Vorlagen für den Reichstag gehabt hätte, so ist dies nach der „Magdeb. Zig." vollständig irrthümlich. „Es ist nach diesem Blatt keineswegs ein Stillstand bezüglich der Vorarbeiten eingetreten, und der Umstand, daß weder das Tabaksmonopol, noch die Arbeiter« altersversorgung bereits greifbare Gestalt gewonnen habe, hängt mit den Wahlen gar nicht zusammen. Alle diese Dinge wären sehr wohl bis zur Frühjahrssession fertig zu stellen. Ob es nun die Regierung überhaupt zu einer solchen kommen lassen oder den Reichstag zuvor auflöseu möchte, ist eine Frage, über deren Lösung mau an maßge bender Stelle jedenfalls sich noch in keiner Weise schlüssig gemacht hat. Jedenfalls wird man zunächst die Entwicklung der Dinge abwarten wollen. Berlin, 8. November. Die „Post" enthält einen Aufsehen machenden Artikel, welcher sagt, Bismarck beabsichtige im Lause dieser Woche zurückzukehren und dem Kaiser angesichts der Wahlergebnisse über die zukünftige Gestaltung der Regierung Vortrag zu halten. Wie genanntes Blatt hört, äußerte der Kanzler, er sei müde, das Stichblatt für alle Bosheit, Niederträchtigkeit, Verleumdung und nei dische Verdächtigung zu sein, welche die Bevölkerung von 45 Millionen ablagere. Am Schluffe des Artikels heißt es: Nach den Grundsätzen des Parlamentarismus würde die Majorität die Nachfolge des Kanzlers übernehmen müssen, indessen der Fortschritt und das Centrum könnten wohl gemeinsam opponiren, aber nicht gemeinsam regieren: Bei der Unmöglichkeit, Preußen monarchisch und dennoch nach den Grundsätzen der Fortschrittspartei zu regieren, könne der Nachfolger des Kanzlers bei der Wahl zwischen Centrum und Fortschrittspartei nnr zu Gunsten des Centrums und dessen Bestrebens optiren und unter Mitwirkung der katholischen Partei eine regierungsfähige Majorität bilden. Der langjährige Kampf Bismarcks mit dem Ceutrum lasse hierzu andere an den Kämpfen unbethciligte Personen geeigneter erscheinen, als Bis marck, der jeden Kampf, gestützt auf die frühere große nationalliberale Partei, glaubte führen zu können, ihn aber aufgebeu mußte, als ihn nach den mißlichen Verhandlungen mit Bennigsen die liberale Partei im Stiche ließ. Nachdem dieselbe die Führung an das radikalere Element verloren, ist der Weg, welcher der Regierung bis 1877 vor schwebte, ungangbar geworden; für die neuen Wege dürfte die Ver antwortlichkeit besser an einen Staatsmann übergehen, welcher die Antezedeutien des Reichskanzlers nicht hat. Die „Nordd. Allg. Ztg." sagt: Bei Einführung des Tabakmo nopols soll der Tabak, namentlich geringere Sorten, nicht theurer