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Eröffnungsakt vollziehen läßt, wird der „K. Z." als richtig bezeichnet. Zu diesem Entschluß soll die Erwägung geführt haben, daß der Be ginn einer neuen Legislaturperiode einen besonders feierlichen Akt er heische, und um so mehr, als die Regierung einem Reichstage gegen überstehe, in welchem die Zahl ihrer unbedingten Anhänger nicht überwiegt. Eine andere Version will wissen, es würde die Thronrede gewissermaßen eine Motivirung für die Reichstagsauflösung und das Vorgehen der Regierung dem Socialistengesetz enthalten, und es sollte durch die vom Kronprinzen vollzogene Eröffnung die gedachte Dar legung einen besondern Nachdruck erhalten. Thaffächlich kehrt der Kronprinz von den Truppenbesichtigungen, zu deren Vornahme er sich nach Westpreußen, bez. nach Süddeutschland begiebt, am 8. Septbr. nach Bertin zurück. Im Weiteren heißt es auch, Fürst Bismarck würde nicht erst in der dritten Septemberwoche, sondern schon bei dem Beginn der Reichstagssession hierher zurückkehren, dagegen nach dem Schluß derselben einen Urlaub auf unbestimmte Zeit nehmen, der dann wieder bis in das nächste Frühjahr sich erstrecken möchte. In s o ciu l d e m o k r a t i s ch e n Kreisen beschäftigt man sich, einer Mittheiluug von Kl. Korr, zufolge, sehr eisrig mit der Frage, Wieman, falls das Socialistengesetz angenommen wird, den bedrohlichen Verhältnissen begegnen und aüs dem Schiff bruch noch möglichst viel retten könne. Da liegt denn nun, wie mit- getheilt wird, die Absicht vor, an demselben Tage, an welchem das erwähnte Gesetz in Kraft tritt, oder vielmehr an welchem es im Reichs tage angenommen wird, (warum nicht schon früher?) ein Verbot der socialdemokratischen Zeitungen nicht erst abzuwarten, sondern ihr Er scheinen freiwillig einzustellen und ebenso die gejammten Vereine, Hülfskassen u. s. w. aufzulösen, damit für die Verfolgungen und Confiskationen kein greifbares Objekt übrig bleibe. Die Partei hält sich für hinreichend erstarkt, um die Agitation heimlich von Haus zu Haus fortsetzen zu können, ohne dabei Handhaben für die Anwendung des Ausnahmegesetzes zu bieten. Da man jedoch auf die Dauer die Hülfe der Presse nicht aut entraihen kann, so beabsichtigt man, Parei- blätter im Auslande drucken zu lassen und gleich im vornherein Ein richtungen zu treffen, welche die Verbreitung dieser Zeitungen trotz Verbot und trotz Entziehung des Postdebits ermöglichen sollen. — Offenbar will die fortschrittliche Corrcspondenz, welche diese Neuig keiten mittheilt, hiermit weiter nichts bezwecken als bange machen, Und die Wirkungslosigkeit des Socialistengesetzes schon im Voraus beweisen. Aber „bange machen" gilt bekanntlich nicht; auf einen Versuch mit dem Gesetz wird man es immerhin ankommen lassen können. Die „Magdeb. Ztg." schreibt: Um dem socialistischen Heere die Rekruten abzuschneiden, muß man sich der Handwerkslehrlinge und jugendlichen Arbeiter annehmen. Das wird nachgerade all- gemein eingesehcn. Auch die Jahresversammlung der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, welche in Krefeld Ende Juni stattsand, und im Anschlusse an sie der neulich in Hannover adgehalteüe nord westdeutsche Bildungsvereinstag haben sich mit dieser Aufgabe befaßt rmd der öffentlichen Meinung darüber Klarheit und Richtung zu ver schaffen gesucht. Sie empfahlen übereinstimmend, neben der Förderung des Fortbildungswesens, die schon öfter aufs Eingehendste erörtert worden ist, Ausstellungen von Lehrlingsarbeiten und Vereine nach Lem Muster des Berliner Vereins für das Wohl der aus der Schule entlassenen Jugend. Für eine gesetzliche Beschränkung deS Rechts der Meister, Lehrlinge zu halten, wollte man sich in Hannover nicht aussprechen, während man es in Kreseld gethan hatte. Man Hütte' allerdings das fragliche Recht auch dort nur von einem längeren selbstständigen Betriebe des Faches abhängig gemacht wissen wollen, nicht, wie die Referenten empfohlen hatten, von einem Nachweis aus reichender Tüchtigkeit. Diese Wiedereinführung der alten zünftigen Meisterprüfung in neuer Form war auch in Krefeld schließlich eben so verworfen worden, wie die Wiederherstellung der Lehrlingsprüfüng durch Reichsgesetz. Mit vollem Rechte. Wer das Ganze unserer gewerblichen Zustände und Fortschritte im Auge hat, nicht blos einen Theil, muß sich sagen, daß das Zwangsprüsungswesen für immer sich überlebt hat. Ewas Anderes ist es, wenn durch freie Innungen oder auf anderem Wege fakultative Prüfungen eingeführt werden sollen. Die obligatorische Prüfung hat weit geringeren Werth und läßt sich zu leicht umgehen. Aber auch die Haltung von Lehrlingen sollte dem untüchtigen Meister lieber durch die Lehrlinge selbst und deren Eltern oder Vormünder, sowie durch eine zweckmäßig vermittelnde Vereins- Ihätigkeit erschwert, als geradezu von Reichswegen verboten werden. Das Verbot wirkt nach so langem, unangefochtenem Besitz des Rechtes verbitternd, falls es wirklich alle untüchtigen Meister ohne Ausnahme Grifft, und thut nicht die beabsichtigte Wirkung, wenn es sich auf die jüngeren Meister beschränkt. Eine wachsame, öffentliche Fürsorge durch einen Verein oder sonst wie geübt, kann im letzteren Falle weit mehr leisten. Hoher Werth muß endlich von den Führern der deutschen Bildungsvereine darauf gelegt werden, daß in jeder einigermaßen an sehnlichen Stadt für eine gute bildende Geselligkeit der Lehrlinge mindestens an den Sonutagsabenden gesorgt sei. Aus dem Dunst der Kneipen muß man sie in die gesunde Luft wohlverwalteter Vereinsräume retten. Damit wird ihr geistiges Leben ganz von selbst sich zuträglicher entfalten. Die d e u t s ch e D a n k b a r k e i t ist in Rußland ein Gegen stand ziemlichen eifrigen und öffentlichen Streites. Viele Russen finden nämlich, daß sie im jüngsten orientalischen Kriege und im Berliner Friedensschluß nicht so gut weggckommen sind, wie sie ge wünscht haben. Bei den Russen ist nämlich der Magen und die Ver dauung sogar noch größer, als die begehrlichen Augen. Sie werfen nun Deutschland (Bisnmrck) vor, daß es die Dankbarkeit für 1870 durchaus nicht übertrieben Habe. Die Unzufriedensten schlagen sogar einen Versuch vor, ob Frankreich nicht dankbarer sein werbe, wenn man ihm Dienste erweise. Das Thema von der politischen Dank barkeit ist ziemlich heikel und verdrießlich. Zum Glück wird die russische Negierung, die ein bischen tiefer in die Dinge hineingesehen hat, anders über die deutsche Dankbarkeit denken, als die Heißsporne. Häuser und Reiche sind auf Dankbarkeit überhaupt nicht zu bauen. Oertliche» «nd Sächsische». Wilsdruff, 2. September. Unsere Ausstellung wurde gestern Vormittag programmgemäß eröffnet, es hatten sich dazu außer den Comitomitgliedern die Aussteller und ein zahlreiches Publikum ein ge funden; der Herr Bürgermstr. Ficker hielt die Hauptfestrede, welche mit einem kräftigen Hoch auf Se. Maj. den König Albert fchloß; hierauf sprach der Landtagsabgeordnete Leutritz-Deutschenbora und zum Schluß der Vorsitzende der gewerblichen Abtheilung. Während des ganzen Nachmittags war der Besuch ein sehr zahl reicher, so daß sich die Zahl der Besucher des ersten Tages auf 1500 beziffert. Der Gesammteindruck der Ausstellung ist ein ganz be friedigender und werden wir später darauf zurückkommen; viel In teresse bieten auch die landwirthschaftlichen Maschinen. Heute war der erste auswärtige Gewerbeverein, Kötzschenbroda, hier und hatten wir auch da Gelegenheit, nur günstige Urtheile zu hören. Hoffentlich kommen in den nächsten Tagen mehrere Vereine. — Der heutige 2. September wurde in einfach würdiger Weise gefeiert, früh 6 '.Ihr ertönte. eine Reveille durch die Straßen der Stadt, 8 Uhr fand Festzug nach dem Denkmal der gefallenen Krieger an der Kirche statt, nach Gesang, Rede und Musik wurden die Ge denktafeln und das eiserne Kreuz reich mit Blumen geschmückt, darauf bewegte sich der Festzug zurück nach dem Rathhaus und löste sich dort auf; Vormittag 10 Uhr fand SchulaetuS statt, bei welchem Herr Oberlehrer Hildner die Festrede hielt; in schwungvoller und fesselnder Weise legte er an der Hand der Geschichte dar, wie die deutschen Lande feit Jahrhunderten sich oft gehoben aber auch wieder gesunken seien, dabei darauf hinweisend, wie Großes seit 1870—71 in Deutsch land geschehen, wie sich Fürsten und Völker geeinigt und durch das neue Kaiserreich groß, mächtig und geachtet dastehe und es nun die Aufgabe Aller sei, an jedem wiederkchrenden 2. September das Ge lübte der Liebe zu Kaiser und Reich zu erneuern und so dazu beizu tragen, daß das große W-rk nie wieder zerstört werden könne. Mit Gesang und Gebet schloß die erhebende Feier. Nachmittags 2 Uhr fand durch den Herrn Lokalfchulinfpector Beck die feierliche Einwei sung des neugewählten Herrn Cantor Töpfer statt. Der G e» e r a l d i r e k t i o n d e r s ä ch s. Eisenbahnen wird von der „Berliner B. - Zig." folgendes wohlverdientes Lob ge spendet: „Wenig Eisenbahndireklioncn zeigen ein so bereitwilliges Entgegenkommen, gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen des Verkehrs wie die Generaldircktion der sächs. Staatseisenbahnen. Auf allen sächsischen Linien werden Relour-(Tagcs ) Billets ausgegeben, meist mit dreitägiger Gültigkeit, die bei besonderen Gelegenheiten, wie hohe Festtage, Vogelschießen und dergleichen noch wesentlich ver längert Wird. Die Einrichtung des Rundreisebillets ist in Sachsen vorzüglich ausgebildet. Daneben erleichtern Kouvonbücher, Abonne- mentSbillets die Benutzung der Eisenbahnen. Wie es schon längst gestattet war, Tagesbillels zur Rückfahrt mit Eil- und Kurierzügen gegen Nachlösung eines ZuschlagsbiilclS zu benutzen, so ist ganz neuerdings diese Vergünstigung auch schon für die erste (Hilt-) Reise gestattet worden." Lommatzsch, 30. August. Zu einer wahren Plage für die hiesige Landwirlhschast sind die Feldmäuse geworden, die sich in solch unglaublicher Weise vermehrt haben, daß beispielsweise ein Guts besitzer angiebl, sie hätten ihm aus einem Stück Land von 12 Scheffel, mit Hafer bewachsen, mindestens 12 Schock davon vertilgt; cs würde dies ungefähr 20 Scheffeln Hafer cn sprechen und etwa den achten Theil dieser Ernte ausmachen. Und nickt blos auf die Körnerfrüchte beschränken sie sich, sondern auch an den Gurken und Kartoffeln richten sie erheblichen Schaden an. Es haben sich daher mehrere Gemeinden geeinigt, ein allgemeines Vergiften mittels Phosphorp llcn vorzunchmen. Diese Pillen sind den vergifteten Weizenkörnern vor zuziehen, weil letztere oft auch von den Bögeln gefressen werden, was bei den ersteren nicht der Fall ist. Zit lau. Am 28. August bräunte das Wohnhaus des Fabrik arbeiters B ö h m er total nieder. Leider ist der in diesem Haust wohnhaft gewesene 68 Jahr alle Schneider Scholz mit verbrannt. Auf welche Weise das Feuer entstanden, ist noch nicht zu ermitteln gewesen, muthmaßlich durch Fahrlässigkeit. Drei Lebenstage von H. Reichsheim. (Fortsetzung.) „Ergreift den Mörder!" schrieen tausend Stimmen wie die wogenden Wellen des brandenden Meeres, und rasch drängte sich die Polizei auf die Bühne. Einen Bick warf der Unglückliche auf die Loge, wo sein Opfer' blutend, mit geschlossenen Augen lag, dann ließ er sich ruhig ab führen, ohne die Noselli, deren leidenschaftlichen Tbränen ihn über strömten, weiter zu beachten. Um Leontine versammelte sich ein Kreis von Neugierigen und Mitleidigen und murmelnd stahl sich ein Ruf der Bewunderung von allen Lippen beim Anblick der Dulderin, deren zarte Gestalt wir eine geknickte Rose noch im Sterben von dem Hauch der Anmuth um« strahlt war. „Wer ist die Dame?" fragte man neugierig, ehe eine Hand sich zur Hülse ausstreckte. „Es ist die Gesellschafterin der Gräfin W.," antworteten einige Stimmen, „eine tragische Geschichte; auf Ehre, ein konsequenter Schluß des Drama's." „Platz da!" schrie gebieterisch ein ältlicher Mann, der durch seine Grobheit bekannte Dr. Hein, „das arme Ding kann sich verbluten, ehe die Herren, auf Ehre, eine Hand ausstrecken zur kräftigen Hülfe; gut, daß ich mein Werkzeug selbst im Theater bei mir sichre. Geben sie Leinen, meine Herren rnd Damen! doch unverzüglich, jede Zögerung kann den Tod herbeisichren." Rasch ward sein Wunsch erfüllt nnd ein gebieterischer Wink von ihm, verbunden mit einem derben „Hinaus!" entfernte die neugierige Menge aus der Loge, wo nur einige anwesende Netzte zur Hülfe- lcistung zurückblicbcn. „Ein verfluchter Kerl!" brummte er, als er die Wunde unter suchte, „ein solches Meisterstück der Schöpfung zu zerstören! beim Aeskulap! etwas Schöneres ist mir in meiner langen Praxis noch nicht vorgekommen ; ein tüchtiger Schütze, die Kugel ist zwischen Brust und Schulter eingedrungen; sachte, meine Herren! das arme Ding, ich könnte den Halunken rädern." Ein tiefer Seufzer drang bei der schmerzlichen Berührung aus Leontinens Brust; nachdem sie einigermaßen verbunden war, sandte der Arzt zur Gräfin von W., mit dem Ersuchen, die Unglückliche in ihr Haus aufzunehmen. Der Bescheid lautete: „Jn's Hospital!" und bitter lachend rief der alte Doctor: „Das dacht ich vorher, in's Hos pital! ist der ewige Nefrain; vorwärts, meine Herren! sie hat es jedenfalls besser bei mir im Hospital."