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Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Ausgegeben im Mai 1900. Heft 5. Photographische Quellungsversuche. Von J. Precht und R. Amberg. H ie hier mitzuteilenden Versuche bilden einen Teil einer grösseren nicht abgeschlossenen Untersuchung über den Einfluss der Gelatine in photo- graphischen Prozessen. Da dieselbe eine zeitweilige Unterbrechung erfahren muss, stellen wir hier einige der erhaltenen Resultate zusammen, bitten jedoch, die selben in gewissem Sinne als vorläufige zu betrachten. 1. Es ist eine alte Erfahrung, dass die Geschwindigkeit, mit der ein fertiges, gewaschenes Negativ auftrocknet, auf die Dichtigkeit desselben von bedeutendem Einfluss ist. Werden die noch nassen Stellen einer teilweise bei gewöhnlichen äusseren Bedingungen freiwillig getrockneten Platte durch Wärme, am Ofen, an der Lampe oder in der Sonne schneller getrocknet, so erscheinen diese Stellen beträcht lich stärker gedeckt. Andererseits macht jeder Anfänger im Photographieren die Beobachtung, dass Stellen, an denen beim freiwilligen Trocknen grössere Wasser tropfen längere Zeit haften, nach dem Auftrocknen hellere Stellen hinterlassen. Lenken wir ferner unsere Aufmerksamkeit auf die Thatsache, dass schnelles Trocknen des Negativs in Alkohol fast stets eine Aufhellung der Platte zur Folge hat, so muss man schliessen, dass es nicht allein die Geschwindigkeit sein kann, mit der das Wasser der Schicht entzogen wird, die für diese Unterschiede mass gebend ist, sondern dass man sich nach speziellen Eigenschaften der Gallerte um zusehen hat, die ein verschiedenes Verhalten beim Trocknen durch Wärme und Trocknen durch Alkohol bedingen. Da man als sicher annehmen darf, dass die vorhandene Silbermenge durch den Prozess des Trocknens keine Änderung erfährt, so müssen die beobachteten, recht bedeutenden Dichtigkeitsänderungen von einer Änderung der Verteilung der Silberkörner innerhalb der Gelatine abhängen. Nebenbei mag bemerkt werden, dass die Erscheinung nicht durch sogenannte Farbstoffbilder ihre Erklärung finden kann, denn sie wird bei allen Entwicklern beobachtet. 2. Nach den neuesten Untersuchungen ist es sehr wahrscheinlich, dass jede gequollene Gallerte aus einem Netzwerk von festen Wänden zellenähnlicher oder bienenwabenähnlicher Anordnung mit flüssigem Inhalt besteht. Auf Grund dieser Vorstellung kann man sich unschwer ein Bild machen vom Verhalten der Silber körner in einer solchen Masse. Wird die Temperatur erhöht und werden die Teil chen infolgedessen beweglicher, so gehen sie nach Analogie bekannter physikalischer Vorgänge an denjenigen Stellen zu grösseren Komplexen zusammen, an denen die festen Wände Zusammenstössen. Wird dagegen das Wasser ohne wesentliche Tem peraturänderung der Gallerte plötzlich entzogen, wie beim schnellen Trocknen mit Alkohol, so kann man sich vorstellen, dass dabei die festen Wände, die erfahrungs gemäss die elastischen Eigenschaften eines beliebigen festen Körpers haben, aus einandergezogen werden wie ein Gummituch beim Spannen, und dass dabei die auf den festen Wänden haftenden Silberkörner in grössere gegenseitige Abstände kommen. Der mikroskopische Befund scheint der hier entwickelten Vorstellung voll-