EIN RUNDGANG DURCH DIE KIRCHEN UNSERER STADT Rolf Schneider Wer unsere Kirchen beinahe täglich vor Augen hat, wem das Geläut vom Turm der Stadtkirche ein vertrauter Klang ist, wer die Gottesdienste besucht und wer überhaupt eine Ahnung davon hat, daß die Kirchen an dem Schicksal der Stadt ihren gewichtigen Anteil tragen, dem wird doch manches neu sein, was es unterwegs zu berichten gibt. Treffen wir uns also an der Muldenbrücke - wir wollen uns doch den Blick über die Dächer hinauf zu St. Egidien nicht entgehen lassen! Ein wenig behäbig, für die Höhe des Langhauses ein wenig zu gedrungen wirkt der Hauptturm, der jedoch zusammen mit dem im Jahre 1707 angefügten Treppenturm — beide weisen dieselbe achtkantige Dachkonstruktion auf — ein architektonisch wohlgefügtes, aufgelockertes Ganzes ergibt. Ob wir nun unseren Weg über die Schloßtreppe oder den Kirchberg oder durchs Kirchgäßchen (s. Abb.) nehmen — er führt uns vorbei an alten Häusern und verwinkelten Höfen aufwärts, bis wir schließlich vor dem Portal an der Westseite der Stadtkirche stehen. Beim Eintreten in die Vorhalle grüßt uns zur Rechten der Gekreuzigte, eine Holzschnitzarbeit, wohl aus dem 17. Jahrhundert. Die sich zum Gottesdienst versammelnde Gemeinde soll wissen, in wessen Gegen wart sie sich befindet. Sonst weist der schlichte, von 1,63 m starken Mauern gebildete und durch ein Sterngewölbe abgeschlossene Raum keinen weiteren Schmuck auf. Das Kircheninnere erhielt sein jetziges Gewand bei der Renovierung in den Jahren 1930/31. Durch die hohen gotischen Fenster vermag viel Licht einzuströmen. Die glatten, weißen Flächen der Wände und Empore weiten den Raum und lassen unseren Blick auf Altar und Kanzel konzentrieren. Immer wieder begegnet man der Frage nach dem Alter der St. Egidien- kirche. Nun, es geht uns dabei wie mit der Stadtgründung selbst. Gewisse Nachrichten fehlen uns. Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche findet sich 1286 in Verbindung mit einer Zinszuwendung an das Kloster Geringswalde. Jedenfalls ist St. Egidien Pfarrkirche. Das Bau werk hat freilich im Laufe seiner langen Geschichte mehrfache Umge staltungen erfahren. So ging man in der Mitte des 14. Jahrhunderts an einen Umbau. Zur Bestreitung der Kosten bewilligte Papst Urban V. (1362- 1370) der Kirche einen Ablaß. Beim Einfall der Hussiten, die seit 1427 in unserer Gegend arge Zer störungen anrichteten, wurde die Kirche auch in Mitleidenschaft gezo gen. Ob freilich der Chor (Altarraum) mit seinem schönen Rippennetz gewölbe aus rotem Porphyr diese unsicheren Zeiten überstanden hat